Der Fischotter ist zurück im Heidekreis
Knut Sierk ist noch immer völlig überrascht. An einem Oktobermorgen war der Förster mit dem Hund an der Örtze in Munster unterwegs. „Da habe ich meinen ersten lebenden Fischotter in freier Natur gesehen“, freut er sich.
Zunächst sei er noch etwas skeptisch gewesen, ob das Tier nicht doch eher ein Nutria oder Bisamratte ist. „Aber ich konnte ihn vom Holzsteg aus ganz in Ruhe beobachten. Ein Nutria ist plumper. Ein Fischotter ist viel eleganter und schlanker beim Übergang vom Körper zum Schwanz.“ Fußspuren zeigten ihm zudem, dass das Tier an der Stelle regelmäßig an Land kommt. „Es war faszinierend, vor allem, weil die Tiere eigentlich nachtaktiv oder in der Dämmerung unterwegs sind“, sagt Sierk.
Tatsächlich sind Fischotter nicht mehr so selten im Heidekreis. Den Überblick über die Vorkommen zumindest in seiner Försterei hat bereits seit Ende der 1990er-Jahre Stephan Nachreiner. Seitdem kartiert er Spuren und Sichtungen, seit 2006 systematisch, seit 2018 ist er ehrenamtlich als Melder in der internationalen Fischotter-Verbreitungserhebung ISOS registriert. Er erinnert sich noch gut, dass es in den 1990er-Jahren in den Bauleitplanungen stumpf geheißen habe: „Der Fischotter ist hier nicht relevant, weil er in diesem Gebiet nicht vorkommt.“
Über Jahrhunderte wurden Fischotter vom Menschen wegen ihres extrem dichten Fells und als Nahrungskonkurrenten systematisch bejagt, wie Dr. Antje Oldenburg vom Naturschutzbund Heidekreis erklärt. In Teilen seines Verbreitungsgebietes sei er nahezu ausgerottet worden. Hinzu sei die Zerstörung des Lebensraums durch den Ausbau von Fließgewässern, die Entwässerung von Feuchtgebieten und den Eintrag von Schadstoffen aus Industrie und Landwirtschaft gekommen. Erst die strenge Unterschutzstellung und Maßnahmen zur Lebensraumverbesserung hätten zu einer langsamen Ausbreitung der Bestände geführt.
Der Nabu im Heidekreis bekommt sporadisch Sichtungen seltener Vogel- und Insektenarten gemeldet. In den letzten Jahren hat Oldenburg allerdings nur eine einzige E-Mail zum Fischotter erreicht. Und vor drei Wochen wurde ihr ein Foto eines im Verkehr getöteten Tieres an der Bücke der A27 West/B 209 in Walsrode geschickt. Der Otter hatte offenbar versucht, die Straße zu queren.
„Das ist das größte Risiko für das Überleben dieser Art“, sagt auch Nachreiner zum Straßenverkehr. Jährlich kartiert er 19 Kontrollpunkte, vor allem im Spätherbst. Aktuell ist er wieder unterwegs. Dabei habe er bis heute im nördlichen Gebiet des Heidekreises inklusiv einiger Zufallsfunde 115 Meldungen rund um den eurasischen Fischotter (Lutra lutra) aufgenommen.
„Das Vorkommen des europäischen Fischotters hat sich hier in diesem Raum erfreulich stabilisiert. Es wurden häufiger bereits Nachweise für Otternachwuchs direkt in Soltau gefunden. In der Regel sind es spielende Jung-Otter in Böhme und Großer Aue“, erzählt Nachreiner. In einer Karte auf www.otterspotter.de kann man seine Sichtungen nachvollziehen, alleine 40 gab es an der Böhme nahe Wolterdingen und Soltau.
Aber wie gesagt, dass größte Risiko für den Otter sind die Straßen: Wenn es unter den Brücken für den Otter keine Möglichkeit gebe, seitlich am Gewässer unter der Brücke zu laufen, weiche das Tier auf die Brücke aus, um an das andere Ufer zu kommen. Die Gefahr des Überfahrenwerdens sei hier extrem. Dabei, so Nachreiner, gebe es oft einfache Lösungen, den possierlichen Wassermarder zu unterstützen: Steinschüttungen unter der Brücke, Beton oder Sandstreifen würden schon helfen. Wenn das nicht möglich sei, könne man zumindest mit sogenannten Laufbrettern dem Otter eine Chance zum Unterqueren der Straße ermöglichen. Da seien die Straßenbaulastträger gefordert, diese Umbauten vorzunehmen oder zumindest zu dulden.
Laut Nabu ist das Kernverbreitungsgebiet der Fischotter in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen. Auch in anderen Bundesländern fasse der Fischotter wieder Fuß, weil Gewässerlebensräumen revitalisiert wurden, die Auen und die Uferstreifen Uferrandstreifen entwickelt wurden und die Wasserrahmenrichtlinie zur Durchlässigkeit und Wasserqualität zumindest teilweise umgesetzt werde. Auch Wanderkorridore seien geschaffen worden.
Drohen die gleichen Fehler wie beim Wolf?
Dass die Tierart mit der Rückkehr in seine ursprünglichen Verbreitungsgebiete nicht überall für Freude sorgt, weiß auch Oldenburg. Insbesondere Teichwirte betrachteten sie mit gemischten Gefühlen, da ihr Metier von der Politik recht stiefmütterlich behandelt werde, Entschädigungszahlungen nur schwer zu erhalten seien. „Wie der Wolf bei den wirtschaftlich ohnehin unter Druck stehenden Schäfern kann dann der Otter der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt.“
Die Gefahr, dass dort die gleichen Fehler gemacht würden wie bei den Wölfen, indem nicht präventiv, sondern reaktiv gehandelt werde, ist nach ihrer Einschätzung groß. Die Teichwirte müssten frühzeitig aufgeklärt und informiert werden, sodass sie geeignete technische Schutzmaßnahmen wie spezielle Elektrozäune ergreifen könnten. Natürlich mit finanzieller Unterstützung des Staates. Nur so könnten Konflikte von vornherein vermieden oder zumindest minimiert werden. Bedenkenswert findet sie zudem einen Vorschlag einer finanziellen Honorierung der Bewirtschaftung von Naturteichen mit Fischotter-Vorkommen.