„Stadtverwaltung kann er nicht“
Die Unzufriedenheit der Munsteraner Ratsfraktionen mit Bürgermeister Ulf-Marcus Grube begann schon kurz nach dessen Amtsantritt und fand ihren Höhepunkt jetzt in Grubes Umgang mit der Freiwilligen Feuerwehr Munster. Das wurde am Mittwochabend beim Pressegespräch mit den Fraktionsvorsitzenden von CDU, SPD und Grüne sowie dem Gruppensprecher von FDP/WGM deutlich. Mit dem Antrag auf Abwahl des Bürgermeisters wollen sie einen Schlusspunkt setzen.
„Es hat sich in den vergangenen Wochen etwas aufgestaut und wir als Politik hatten uns bislang einen Maulkorb aufgesetzt“, sagte CDU-Fraktionschef Stefan Sorge. Es sei eine schwierige Entscheidung, insbesondere für die CDU, die Grube als Kandidat ins Rennen um das Amt aufgestellt habe. Jedoch habe sich die Fraktion mehrheitlich zum Antrag auf Abwahl entschlossen. „Es gab aber nicht nur Zustimmung“, schränkte Sorge ein. Aber hier gehe es zuallererst um das Wohl der Stadt Munster und nicht um das der CDU. Damit die Stadt gut funktioniere, sei es notwendig, dass die Ehrenamtlichen, wie Feuerwehren und Vereine, aus dem Rathaus heraus unterstützt würden. Es gehe um einen wertschätzenden Umgang miteinander.
„Wenn man sich jetzt den Umgang mit der Freiwilligen Feuerwehr Munster anschaut, dann wurde aus einer Mücke ein Elefant gemacht. Der Bürgermeister hat völlig unverhältnismäßig agiert und diejenigen vor den Kopf gestoßen, die in ihrer Freizeit einen Dienst für die Allgemeinheit leisten“, meint Sorge. Da es auch schon im Rahmen der Kommunikation mit der Eintracht in der Vergangenheit erhebliche Mängel auf Seiten des Bürgermeisters beim Thema Sportentwicklungskonzept gegeben habe, habe man nun angesichts der jüngsten Eskalation eine Entscheidung zu treffen gehabt. „Wenn es etwas Positives an der jetzigen Situation gegeben hat, dann ist es das, dass wir interfraktionell zusammengerückt sind und ich persönlich auch den Eindruck gewonnen habe, dass wir interfraktionell gut beraten wären, einen parteiübergreifenden, gemeinsamen Kandidaten in Erwägung zu ziehen“, plante der CDU-Fraktionschef schon die Zukunft nach Grube.
„Jetzt könnte man ja meinen, juchhe, die SPD freut sich, dem ungeliebten Kandidaten jetzt den Todesstoß zu versetzten. Dem ist nicht so“, sagt SPD-Fraktionsvorsitzende Melanie Bade. Es gebe tatsächlich ganz sachliche Argumente, weshalb auch die SPD-Fraktion das Vertrauen in die Spitze verloren habe. Ein wichtiger Punkt sei dabei der Umgang mit der Feuerwehr gewesen. Das, was es aber tatsächlich überziehe, sei ganz klar die Kommunikation zwischen dem Bürgermeister und der Politik, die häufig nur rudimentär vorhanden gewesen sei. Grubes Kommunikation sei oft problematisch gewesen, das ein oder andere Mal hätten seine Aussagen auch nicht der Wahrheit entsprochen, so Bade. Konkret nannte Bade das Datum der Fertigstellung der Grundschule Breloh. Trotz Nachfrage zu dem von Grube veröffentlichten Datum –dem 31. Oktober – sei er dabei geblieben, wohlwissend, dass das so nicht stimme. Auch der Umzug in die neue Schule in einem Hauruck-Verfahren in den Sommerferien beruhe auf falschen Angaben.
Bade kritisierte auch den Umgang des Bürgermeisters mit den Rathausmitarbeitern. „Wir haben einen wirklich hervorragenden Menschen, der den Fachbereich 3 geleitet hat, verloren. Das bedauern wir unendlich.“ Das sei auch mit ein Grund, warum die Schule im Bau so sehr zurückhänge. Fehlerhafte Kommunikation sieht die SPD-Fraktionschefin dazu beim Umgang mit der Feuerwehr. So habe Grube informiert, dass die Auseinandersetzung über nicht gebuchte Spenden vor eineinhalb Jahren hochgekocht sei. Wenn der Bürgermeister wirklich schon damals gewusst habe, dass dort irgendwie Schaden entstanden sein könnte, dann wäre es seine Pflicht gewesen, die Feuerwehrkameradinnen und -kameraden, die Ehrenbeamte dort sind, zu informieren, um Schaden von ihnen abzuhalten, so Bade.
Dieses Ansinnen sei auch der Grund gewesen, dass Stadtrat und Politik sowie der Bürgermeister zunächst Stillschweigen vereinbart hätten, um weiteren Schaden von der Feuerwehr abzuwenden, erklärte Bade. Diese Vereinbarung habe Grube mit seiner Pressemitteilung, die er vor zwei Wochen auf der Homepage veröffentlicht habe, gebrochen und damit die Situation deutlich verschlechtert. „Kurzum, wir haben das Vertrauen verloren in die Leitung und die Führungsqualität des Bürgermeisters. Wir können uns nicht vorstellen, wie eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit aussehen kann.“
„Bei den Grünen gab es auch mehrheitlich die Überzeugung, dass das mit diesem Bürgermeister nicht weitergeht“, sagt Harved Scheiger, Fraktionschef von Bündnis 90/Die Grünen. Er glaube, die ganze Feuerwehrgeschichte sei das übergroße I-Tüpfelchen gewesen. Auch die Presseerklärung, die Mittwoch auf der Homepage aufgetaucht sei, passe in ein Verhaltensmuster.
Expertise als Mediator nicht eingesetzt
„Wenn man sich das einmal durchliest und nicht genau weiß, worum es geht, dann könnte man denken, die Feuerwehr ist ja ganz schön blöd“, sagt Scheiger und Grube strecke ja die Hände aus, wohin auch immer. Scheiger meint sich zu erinnern, dass das erste Gesprächsangebot von der Feuerwehr im Januar gekommen sei und der Bürgermeister nicht darauf eingegangen sei. „Jetzt, wo das Kind in den Brunnen gefallen ist, die Hände auszustrecken, und dann mit dem Anwalt zusammen – also irgendwie wiederholen sich ja diese Geschichten.“ Grube sei mit der Expertise angetreten, dass er Mediator sei. Für Scheiger sei es erschreckend, dass er dann diese Expertise nicht eingesetzt habe.
Siegfried Irion, Sprecher der Gruppe FDP/WGM, merkt an, dass man schon Ende vergangenen Jahres gesagt habe, man müsse aufpassen, dass nicht die besten Leute im Rathaus abhauten, weil es mitunter schon ein kritisches Auftreten des Bürgermeisters im Hause gegeben habe. Die bisherigen Bauamtsleiter seien immer bis zur Pension dabeigeblieben. Das Amt sei eines, das man mit Herzblut betreiben könne. Doch leider sei der Spaß bei der Arbeit durch das Klima im Rathaus wohl abhandengekommen, mutmaßt Irion und konstatiert, dass Grube bis heute noch nicht verstanden habe, wie eine Stadt, wie eine Kommune, wie eine Verwaltung funktioniert.
Dorniger Weg zum neuen Bürgermeister
Die Hürden, einen Bürgermeister außerhalb regulärer Wahlen loszuwerden, sind hoch. Das Amt hat Gewicht und Würde, es soll nicht zum Spielball kommunaler Parteipolitik werden. Direkt vom Volk gewählt, können hauptamtliche Bürgermeister niedersächsischer Kommunen sich auf eine starke demokratische Legitimation stützen, die nicht von einer Ratsmehrheit abhängig ist. Besonders augenfällig war das in Munster bei der Amtsvorgängerin von Ulf-Marcus Grube: Sozialdemokratin Christina Fleckenstein hatte es in ihrer Amtszeit durchgehend mit einem von der CDU-Fraktion dominierten Stadtrat zu tun. Solche Konstellationen sind vom Kommunalrecht gedeckt und gewollt. Die Bürgermeisterwahl ist vor allem eine Persönlichkeitswahl. Die Gewählten sollen als kommunale Wahlbeamte präsidiale Integrationsfiguren sein und über der Parteipolitik stehen.
Das Bürgermeisteramt hat in Niedersachsen einen großen Wandel hinter sich. Die ursprüngliche Norddeutsche Ratsverfassung sah eine Doppelspitze aus einem Bürgermeister und einem Stadt- beziehungsweise Gemeindedirektor vor, beide von der Ratsmehrheit gewählt. Das Kraftzentrum lag somit bei der lokalen Volksvertretung, ihr war alles untergeordnet. Inzwischen ist die Norddeutsche Ratsverfassung ausgestorben. In allen deutschen Flächenländern außer Hessen haben sich in den 1990er-Jahren Modelle durchgesetzt, die sich an der sogenannten Süddeutschen Bürgermeisterverfassung orientieren. Dort steht ein starker, direkt gewählter Bürgermeister im Zentrum. Und der Prozess der Stärkung dieses Amtes scheint in Niedersachsen noch nicht abgeschlossen: Die Landesregierung hat angekündigt, die Amtszeiten noch in dieser Legislaturperiode zu verlängern, auch um Bürgermeister- und von Kommunalwahlen voneinander zu entkoppeln.
Hängepartie oder aufwendiges Verfahren
Unter den Bürgermeistern der Nord-Kommunen des Heidekreises stößt das Vorhaben auf ungeteilten Zuspruch.
Die Vorgänge in Munster zeigen die Schwächen eines auf die Figur des Bürgermeisters konzentrierten Systems. Ist das Vertrauensverhältnis zwischen Rat und Bürgermeister irreversibel zerstört, gibt es keinen einfachen und kostengünstigen Weg, das Amt neu zu besetzen. Es besteht nur die Wahl zwischen einer jahrelangen Hängepartie bis zum regulären Wahltermin oder einem aufwendigen vorzeitigen Abwahlverfahren. Die Fraktionen des Stadtrats Munster streben die letztere Variante an. Es wäre das zweite Abwahlverfahren im Heidekreis. Der vor allem durch häufige krankheitsbedingte Fehlzeiten in Ungnade gefallene Ex-Bürgermeister von Bispingen, Reiner Kuball, wurde 2003 aus dem Amt entfernt. In einem Bürgerentscheid sprachen sich mehr als 90 Prozent für sein vorzeitiges Ausscheiden aus.
Der Weg zur Abwahl ist in der Niedersächsischen Gemeindeordnung und dem Kommunalverfassungsgesetz klar geregelt. Startpunkt ist ein von mindestens drei Vierteln der Ratsmitglieder gestellter Antrag. Über diesen stimmt der Rat frühestens nach zwei Wochen in einer Sondersitzung ohne Aussprache namentlich ab. Angenommen ist er bei einer qualifizierten Mehrheit von wenigstens drei Vierteln der Mandatsträger. Anschließend muss innerhalb von vier Monaten ein Bürgerentscheid durchgeführt werden. Spricht sich dabei eine Mehrheit für die Abwahl aus, und entspricht diese Mehrheit wenigstens 25 Prozent der Wahlberechtigten, hat das Verfahren Erfolg. Mit Ablauf des Tages, an dem der Wahlausschuss die Abwahl feststellt, scheidet der Bürgermeister aus dem Amt aus. Bis zur vorgezogenen Neuwahl übernimmt seine Vertretung die Leitung der Amtsgeschäfte.