„Da scheinen ein, zwei Spinner unterwegs zu sein“
„Wer sich erinnert, war nicht dabei“, prangt als Sticker auf T-Shirts junger Frauen und Männer, die eine besondere Lotterie präsentieren. Wer wird „Tagesvollster“? Basti steht hoch im Kurs, aber auch Finn und Kimmi werden Chancen eingeräumt. Am Ende des Spaßvideos die Auflösung: „Alle waren voll“. Es wird getanzt, im Hintergrund dröhnt der Ballermann-Hit „Dicht im Flieger“.
Auf dem Tik-Tok-Kanal der Landjugend Behringen geht es trinkfest zu, und mit diesem Adjektiv lässt sich wohl auch die große Zeltfete der Gruppe treffend beschreiben. Sie fand am vergangenen Sonnabend erst zum zweiten Mal statt, genießt aber schon fast Kultstatus. „Ganze Busse kamen an“, berichtet Landjugend-Chef Christian Meyer. Rund 1000 Feierwütige ab 16 Jahren hatten im sonst so beschaulichen Behringen die Nacht zum Tag gemacht.
„Wer sich erinnert, war nicht dabei“ – für wenigstens eine junge Partybesucherin dürfte der Spruch im Rückblick zynisch klingen. Sie hatte einen mehrstündigen Filmriss – mutmaßlich, weil ihr sogenannte K.o.-Tropfen ins Getränk geschüttet worden sind. Die Polizei bestätigt ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer versuchten Sexualstraftat.
„Ein Problem ist in solchen Fällen oft die Nachweisbarkeit“, macht Tarek Gibbah, Sprecher der Polizeidirektion Heidekreis, auf jene Substanzeigenschaft aufmerksam, die K.o.-Tropfen für Täter so attraktiv machen. Blut oder Urin müssen nach maximal zwölf Stunden überprüft worden sein, um ein aussagekräftiges Ergebnis zu erzielen. Für eine strafrechtliche Verfolgung ist also rasches Handeln erforderlich. „Am besten geht man sofort in die Notaufnahme“, empfiehlt Gibbah.
Niemand weiß genau, wie oft Menschen in Deutschland Opfer heimlich verabreichter K.o.-Tropfen werden. Auch für den Heidekreis liegen keine validen Daten vor. Landjugend-Vorsitzender Meyer berichtet, in den vergangenen Monaten häufiger entsprechende Berichte gehört zu haben. „Da scheinen ein, zwei Spinner unterwegs zu sein.“ Nach seinen Informationen habe es Opfer beiderlei Geschlechts gegeben. Der Täter gehe wahllos vor, ihm gehe es wohl nicht um Diebstähle oder Sex. Eine Körperverletzung liegt aber in jedem Fall vor.
„Wir wollen solche Leute nicht haben“, stellt Meyer klar und verweist darauf, die eigenen Leute für Risiken sensibilisiert zu haben. Das Glas nicht aus den Augen lassen, keine offenen Getränke von Fremden annehmen. Einen „Safe Space“ gebe es bei den Zeltpartys nicht, wohl aber professionelle Security-Mitarbeiter, die jederzeit ansprechbar und durch ihre Kleidung erkennbar seien.