Wärme aus nicht ganz so großer Tiefe
Die Stadt Soltau plant ein neues Baugebiet an der Tetendorfer Straße. 250 Wohneinheiten sollen in Einfamilien-, Doppel- und Mehrfamilienhäusern entstehen. Fest steht, und das ist angesichts der bis 2045 in Deutschland angestrebten Klimaneutralität nicht überraschend, fossile Brennstoffe werden für die Wärmeerzeugung der Gebäude schon in den Planungen ausgeschlossen.
„Es wird kein Stadtwerk mehr geben, dass noch ein Gasnetz bauen wird“, ist sich Soltaus Stadtwerkechef Daniel Töpfer zumindest im Hinblick auf die Wohnbebauung sicher. Doch was ist die Alternative? Individuelle Lösungen wie Pelletheizungen oder die viel beschworene Wärmepumpe vor jedem Haus?
Die Stadtwerke wollen für das Neubaugebiet ein Pilotprojekt starten. Alle neuen Wohnungen sollen mit sogenannter kalter Nahwärme versorgt werden. Aktuell läuft eine Machbarkeitsstudie für das Projekt. Anfang Dezember soll es eine Probebohrung auf dem Gelände geben, die Daten dazu liefern soll, wie ergiebig es sein könne, wie Töpfer sagt.
Die Stadtwerke wollen in einer Tiefe zwischen 100 und 150 Metern Sonden setzen, über die eine Art Glykolgemisch zirkulieren soll. In der Tiefe soll sich das Gemisch auf 8 bis 12, höchstens jedoch auf 15 Grad erwärmen. Über ein sogenanntes ungedämmtes kaltes Nahwärmeverbundnetz soll das Gemisch mit der Wärmeenergie in die jeweiligen Haushalte gelangen und dort via Wärmepumpentechnik das Wasser erhitzen, das für Heizung und Warmwasseraufbereitung nötig ist.
„Das System ist darauf angelegt, lange Zeit eine stabile Wärmeabgabe zu gewährleisten“, erklärt Töpfer. Dennoch würden auch andere Techniken geprüft, wie eine Art Brunnenlösung in einem 60 Meter tiefen Schacht, wie die bei den Stadtwerken zuständige Fachfrau für die Energie- und Wärmewende, Nicola Sausse, erläutert.
Die Lösung mit Erdkollektoren, wie sie manche Eigenheimbesitzer in ihrem Garten haben, schließt Sausse aus. „Dafür wäre extrem viel Fläche notwendig, und sie dürfen nicht überbaut werden.“ Die tiefer liegende Sonde für die Erdwärme könne dagegen im Wohngebiet unterhalb des Straßenraums verbaut werden. Ein Technikgebäude würde oberhalb notwendig sein.
Letztlich entscheide die Stadt, was sinnvoll sei und im Hinblick auf die Langfristigkeit tatsächlich umgesetzt werden solle. Denn am Ende, so erklärt Töpfer, benötigten die Stadtwerke die Wirtschaftlichkeit für das System und daher eine Regelung, dass auch jede Wohnung an das Nahwärmenetz angeschlossen werden muss. Stichwort ist da ein Anschluss- und Benutzungszwang, wie man es beispielsweise von Abwasseranlagen kennt.
„Hier geht es um eine Wärmequelle für alle, dafür kann man Synergien nutzen, die sich am Ende positiv auf die Kosten auswirken“, meint Sausse. Außerdem sei die Wärme aus der Tiefe von deutlich höherer Temperatur als die Außenluft, das würde die Effizienz der Wärmepumpe bereits steigern. Und je mehr Wohnungen angeschlossen seien, desto besser könnten die Kosten verteilt werden. Zudem müssten sich die jeweiligen Eigentümer nicht um die Anlage kümmern, das sei weiterhin Sache der Stadtwerke. „Wir verkaufen über den Wärmemengenzähler quasi dann nur die Wärme.“ Positiv ist aus Sicht der Expertin ebenso, dass das System des kalten Nahwärmenetzes im Sommer zum Kühlen der Häuser genutzt werden kann.
Einen Haken hat das Projekt allerdings, daher die Machbarkeitsstudie: In Deutschland gibt es in dieser Größenordnung nur wenige Vorbilder für solch ein System. Und die, so Töpfer, seien sie deutlich kleiner ausgelegt. Die Technik an sich gebe es schon länger, dennoch seien für das Soltauer Vorhaben noch Erprobung, Expertise und Berechnung notwendig. Die Stadtwerke hätten dafür zwei Partner im Boot. „Das ist Pilotarbeit, die wir leisten – aber natürlich auch im eigenen Interesse“, so Stadtwerkechef Töpfer.
Handbremse für das Projekt: Umsetzung zu teuer?
Damit würden die Stadtwerke an ieserr Stelle auf die Nutzung von Geothermie setzen, also die Gewinnung von Wärmeenergie aus der Tiefe. Allerdings wesentlich oberflächennaher als es vor gut einem Jahr in einer Vorstudie vorgestellt wurde. Erste Überlegungen gab es da für die Tiefengeothermie. Ein Fachmann hatte den Soltauer Untergrund als ideal für die Zwecke der klimaneutralen Energiegewinnung beschrieben, liege das Stadtgebiet doch über einem Salzstock, der die Erdwärme wie in einem Kamin weit nach oben leite. In einer Tiefe von 500 Metern wären Temperaturen um die 30 Grad Celsius zu erwarten, in 4000 Metern wären es 140 Grad Celsius. Der damalige Stadtwerkechef Jens Gieselmann hatte das Projekt als mittel- bis langfristiges Vorhaben eingeordnet und weitere Untersuchungen angekündigt. In diesem Zuge hatte das Landesbergamt eine sogenannte Aufsuchungserlaubnis für Erdwärme im Soltauer Stadtgebiet an die Stadtwerke erteilt.
Aktuell sieht es allerdings danach aus, als würden diese Pläne für die tiefe Geothermie zumindest in der Böhmestadt mit angezogener Handbremse weitergeführt. Laut Geschäftsführer Töpfer sei die Umsetzung zu langwierig und nach seinen Aussagen viel zu teuer. Auch wenn man eine alte Erdgasbohrung in der Nähe nutzen könnte, fehle noch eine zweite Bohrung für ein umlaufendes System und die Transportleitungen. „Wir treiben lieber Projekte voran, die wir in einer definierten Zeit umsetzen können“, so Töpfer. Tiefengeothermie, so schätzt er es ein, sei zurzeit ein „Stochern im Nebel“. Im kommenden Jahr soll final entschieden werden, wie es mit dem Projekt weitergehen soll.