Unseriöser Magazin-Verkäufer belästigt Kunden
Eine Zeitschrift kaufen und damit ein gutes Werk tun: Das ist die Idee der Obdachlosenmagazine Hinz und Kunzt aus Hamburg sowie Asphalt aus Hannover. Auch im Heidekreis gibt es Verkäufer vor Supermärkten, zum Teil langjährige. Doch nicht jeder ist dazu befugt. Nur wer einen gültigen Ausweis hat, ist legitimiert. Vor der Filiale von Edeka-Ehlers an der Bahnhofstraße in Schneverdingen sind einer BZ-Leserin kürzlich erst wieder aggressiv auftretende Verkäufer aufgefallen. Insbesondere Frauen, zumeist ältere, würden angesprochen, die sich nicht trauen abzulehnen, so ihre Beobachtung. Wenn der Kauf zustandekäme, werde oft vorgeschoben, kein Wechselgeld parat zu haben.
„Das sind Einzelaktionen“, bestätigt Ralf Ehlers, Geschäftsführer der Edeka-Filialen im Heidekreis. Er habe bereits ein paar Mal die Polizei hinzugerufen. Um zu verhindern, dass diese unseriösen Verkäufer Kundschaft belästigen, spricht er sie persönlich an und verweist sie vom Grundstück, wenn sie gefälschte Ausweise vorzeigen. Er macht damit von seinem Hausrecht Gebrauch. Diese Filiale sei besonders beliebt, da sie vom Bahnhof schnell erreichbar sei. Der Leserin fiel allerdings ein Auto mit Winsener Kennzeichen auf, mit dem der Mann davon fuhr, nachdem er ihr eine freche Antwort gegeben habe. Diese jüngste Situation sei der Polizei nicht bekannt, so Tarek Gibbah, Pressesprecher der Polizeiinspektion Heidekreis. Dennoch weiß die Polizei von diesen illegalen Verkaufssituationen. In der Vergangenheit habe es wenige Vorfälle gegeben, in denen nicht autorisierte Personen Zeitungen verkauft haben. Hierbei kam es auch vor, so Gibbah, dass bei Kontrollen der Polizei gefälschte Ausweise vorgelegt wurden. Dabei können Straftatbestände wie Urkundenfälschung, Betrug und Diebstahl eine Rolle spielen. Wenn sich Bürgerinnen und Bürger in solchen Situationen bedroht, genötigt oder beleidigt fühlen, sollten sie direkt die Polizei verständigen, rät Gibbah. Die Filialleiter der betroffenen Supermärkte könnten zudem ein Hausverbot aussprechen, da sich die Zeitungsverkäufer auf dem Gelände der Supermärkte aufhalten, und dazu auch die Polizei rufen, um dies durchzusetzen.
Doch nicht jeder Straßenmagazin-Verkäufer verhält sich problematisch. Beim Famila-Markt in Schneverdingen sei ein „rumänischer Landsmann“ als langjähriger Verkäufer bekannt und sogar beliebt, so Filialleiter Andreas Schlüter. Er verkaufe Hinz und Kunzt „im gegenseitigen Einvernehmen“ und habe sogar schon kleine Tätigkeiten für den Supermarkt übernommen. Genau so wünscht sich das Obdachlosenprojekt aus Hamburg das Miteinander.
Sozialprojekt für Obdachdachlose
Das Obdachlosenmagazin Hinz und Kunzt aus Hamburg feiert in diesem Jahr seinen 30. Geburtstag. Es ist nach eigenen Angaben derzeit das auflagenstärkste Straßenmagazin Deutschlands. Themenschwerpunkte sind Sozialpolitik, Hamburg-Themen und Kultur. Dahinter steht eine professionelle Redaktion. Mehr als 500 Obdachlose, Wohnungslose und Menschen in prekären Lebenslagen verkaufen das Heft. Es soll nach eigenen Worten eine unbürokratische Beschäftigung für Menschen sein, die auf dem Arbeitsmarkt kaum Chancen haben, und das soziale Klima in der Stadt fördern. Herausgegeben wird es von einer gemeinnützigen GmbH. Das Diakonische Werk Hamburg ist Mehrheitsgesellschafter.
Erst wird eine Bewerbung an die Geschäftsleitung geschickt, dann folgt ein persönliches Gespräch. So wie es bei der regulären Jobsuche üblich ist, handhabt es auch das Obdachlosenmagazin Hinz und Kunzt. „Diese Verbindlichkeit ist uns ganz wichtig“, sagt Christian Hagen, Vertriebsleiter bei dem Hamburger Sozialprojekt des Diakonischen Werks. Denn gewöhnlich ist diese Art der Job-Vermittlung keinesfalls. Die Klientel stammt aus einem schwierigen Lebensumfeld. „Sie leben in prekären Verhältnissen, die häufig noch instabil sind, sodass sie nicht verlässlich sein können“, erklärt er. Doch um auf beiden Seiten ein Gefühl der Sicherheit aufzubauen, soll so jedem Verkäufer ein eigener Verkaufsplatz am Eingang eines Supermarktes verschafft werden, wo er akzeptiert wird. Jegliche Konkurrenz bedeute Stress. Erst recht, wenn es sich um unseriöse Verkäufer handele, so Hagen: „Kundenbelästigung ist nicht in unserem Interesse.“
Beschwerden über ein unangemessenes Verhalten ist den Verantwortlichen des langjährigen Sozialprojekts nicht neu. Bereits 2018 gab es eine Mitteilung, aus der hervorgeht, dass unberechtigte Verkäufer mit einem aufdringlichem Verhalten den Konkurrenzdruck unter den tatsächlich Bedürftigen verschärfen. Wenn das Straßenmagazin zum Betteln genutzt wird und ein Heft den Kunden aufgedrängt wird, entspräche es nicht den Verhaltensregeln von Hinz und Kunzt. Mitunter würden Kunden beleidigt, wenn sie kein Magazin kaufen. Einige böten das Magazin nur scheinbar zum Kauf an, kassieren das Geld, aber händigen das Heft nicht aus – immer mit dem Hinweis, es sei ihr letztes Exemplar. Dieses Auftreten schade dem Ruf des Projekts, heißt es. Aktuell würden die Beschwerden gerade weniger, aber es käme immer mal wieder vor.
Auch wenn die online verfügbare Verkaufsplatzkarte auf der Homepage keine Verkäufer und Verkäuferinnen des Straßenmagazins im Heidekreis ausweist, wissen die Verantwortlichen, dass es nicht gemeldete gibt. Nicht jeder davon sei in betrügerischer Absicht unterwegs. „Aber auch diese Menschen versuchen aus bitterer Armut heraus, sich etwas dazuzuverdienen“, zeigt Hagen Verständnis und will verhindern, dass Menschen pauschal kriminalisiert werden. „Wir drücken ein Auge zu, solange sie sich angemessen verhalten und nicht in Konkurrenz zu anderen Verkäufern gehen.“
Dass es nun im nördlichen Heidekreis, konkret vor der Filialen von Edeka-Ehlers zu aufdringlichen Situationen gekommen sei, zeige ihm, dass das „Bündel an Maßnahmen“ im Hamburger Raum funktioniert und die Klientel in die weitere Region verdrängt wurde. Der Heidekreis sei ein Graubereich, indem die die Gebiete von Hinz und Kunzt und Asphalt aus Hannover aufeinanderträfen. In Soltau wird Asphalt von einer Frau verkauft, die häufig vor Rewe am Bahnhof oder Aldi an der Böhmheide anzutreffen ist. Asphalt hat sich auf die Anfrage der Böhme-Zeitung nicht geäußert.
Hinz und Kunzt will durch einen Ausweis Seriosität vermitteln. Jeder offiziell registrierte Verkäufer trägt einen personalisierten Ausweis mit einer eigenen Nummer und einem Passbild. Über den QR-Code auf dem neueren Ausweis ist sogar bargeldloses Bezahlen möglich. Zudem sei jedes Magazin mit einem eigenen Code ausgestattet, sodass der Vertriebsweg nachvollzogen werden könne. „Wir leiden unter dem Phänomen“, stellt Hagen klar, „deshalb der große Aufwand“.
Hinz und Kunzt ist mehr als ein Magazin
Das Monatsmagazin kostet 2,20 Euro. Davon erhält der Verkäufer 1,10 Euro. Es sei nicht mehr als eine „Unterstützungshilfe“, so Vertriebsleiter Christian Hagen von Hinz und Kuntz. Der durchschnittliche Verkaufserlös liege zwischen 90 und 100 Euro. Die Bandbreite von verkauften Stückzahlen liege zwischen 15 und 160 Exemplaren. Mehr als 500 Menschen verkaufen das Straßenmagazin in Hamburg und umzu. Hinz und Kunzt ist nicht nur ein Magazin, sondern auch ein inklusives Projekt. Sozialarbeit, Beratungstätigkeit und Lobbyarbeit zählen unter derem zum Spektrum, um das Leben von armen, obdach- oder wohnungslosen Menschen zu verbessern. Einige haben sowohl in den Supermärkten Beschäftigung gefunden, andere arbeiten mittlerweile für Hinz und Kunzt. jul