Neues Zuhause schwer zu finden
Fast jeder zweite Haushalt bundesweit hält ein Haustier. Besonders beliebt sind die tierischen Begleiter bei Familien. 67 Prozent der Haushalte, die mindestens ein Tier hielten, waren im vergangenen Jahr Familien. Für viele Menschen sind Hund oder Katze echte Familienmitglieder. Für Familien genauso wie für Alleinlebende. Finanziell haben die vergangenen Monate aber auch Tierhalter auf die Probe gestellt, mit Auswirkungen für Haustiere und Tierheime.
Die Haltungskosten für Tiere sind sowieso hoch, im vergangenen Jahr sind die Kosten aber noch weiter gestiegen. Bei den Preisen für Hunde- und Katzenfutter hat das Statistische Bundesamt im Jahresdurchschnitt 2022 eine Preissteigerung von 11,8 Prozent registriert. Die Gesamtteuerung lag im gleichen Zeitraum bei 6,9 Prozent. Auch in diesem Jahr sind die Preise weiter gestiegen. Im August mussten Hunde- und Katzenbesitzer 15,9 Prozent mehr für Futter bezahlen als im August des Vorjahres.
Gleichzeitig stiegen auch die Kosten für Tierarztbesuche. Tierärztliche Dienstleistungen waren im August 27,2 Prozent teuer als im selben Monat des Vorjahres. Das hängt mit einer Anpassung der Gebührenordnung für Tierärztinnen und Tierärzte zusammen, die im November vergangenen Jahres in Kraft trat.
Das Marktforschungsinstitut Yougov hat im vergangenen Herbst Tierhalterinnen und Tierhalter gefragt, wie sie die gestiegenen Kosten einsparen würden. Fünf Prozent gaben an, ihr Haustier abzugeben. Das gilt besonders für Tierhalter in Berlin, hier konnten sich das 19 Prozent vorstellen. In Niedersachsen waren es drei Prozent der Tierhalter.
Vor allem Katzen werden ausgesetzt
Deutlich mehr Tierhalter planen wegen der gestiegenen Tierarztkosten an der tierärztlichen Versorgung ihrer Schützlinge zu sparen: 16 Prozent würde weniger Tierarztbesuche wahrnehmen und acht Prozent ihre Tiere seltener impfen.
Dass mehr Menschen Probleme haben ihr Haustier zu finanzieren, spüren auch die Tierschutzvereine im Heidekreis. Der Tierschutzverein Soltau betreibt das Tierheim Tiegen. Das Tierheim sei komplett belegt, sagt Vorstandsvorsitzende Jana Korzekwa, „Wir bekommen sehr, sehr viele Anfragen, wir könnten noch fünfmal so viele Tiere aufnehmen, wenn wir den Platz hätten.“ Nicht immer seien finanzielle Probleme der Grund, aber auch diese Fälle kämen vor. Aktuell betreut das Team einen erkrankten Hund, den seine Besitzerin abgeben musste, weil sie sich die Kosten für die Behandlung und das Spezialfutter nicht mehr leisten konnte.
„Sie hat die Kosten lange finanziert, aber irgendwann ging es einfach nicht mehr“, sagt Rebekka Borchert, stellvertretende Vorsitzende des Tierschutzvereins Soltau.
Auch Diana Erdmann von der Wildtierhilfe Lüneburger Heide, der Fundtierstelle des Landkreises, beobachtet einen Zuwachs an Tieren, die ein neues zu Hause suchen. „Wir bekommen dieses Jahr mehr Fundtiere gemeldet, das betrifft vor allem Katzen.“ Die Tiere seien nicht gechippt, sodass die Halter nicht ermittelt werden können. Was auch auffalle, sei, dass die ausgesetzten Tiere in einem schlechten Gesundheitszustand seien. Auch im Tierheim sehe man bei den abgegebenen Tieren Fälle, bei denen sie vermuten, dass die Tiere nie einen Tierarzt gesehen haben, sagt Borchert.
Eine andere Gruppe, die vermehrt ausgesetzt werde, sind Reptilien. Erdmann vermutet einen Zusammenhang mit den gestiegenen Energiekosten für die Terrarien. Die Kosten muss allerdings auch die zahlen. Das Team hat deshalb umgeplant. Anstatt eines extra Reptilienraumes stehen die Terrarien im Gemeinschaftsraum der für die Mitarbeiter sowieso geheizt wird.
Die Tiernothilfe Nord aus Soltau unterstützt mit einer Futterausgabe einmal im Monat finanzschwache und bedürftige Tierhalter, die Probleme haben das Futter ihrer Tiere zu finanzieren. In den vergangenen Monaten beobachte der Verein, dass mehr Gäste zur Futterausgabe kommen. Der Verein erhalte auch sehr viele Anfragen zur Übernahme von Tierarztkosten und zur Aufnahme von Tieren, sei aber an seiner Belastungsgrenze und müsse häufiger absagen.
Die gestiegenen Kosten für Tierhalter erschweren auch die Vermittlung von Tieren. Das habe auch mit der Coronapandemie zu tun: „In der Coronazeit haben sich viele Menschen Hunde angeschafft, der Markt ist übersättigt“, sagt Korzekwa. „Wir merken das bei der Vermittlung von Hunden, die seit einem Jahr stagniert.“ Eher wollten die Menschen ihre spontan angeschafften Tiere jetzt wieder loswerden.
Die Kosten bleiben aber auch Thema, wenn sich jemand für ein Tier interessiert, weise das Tierheimteam auf die Möglichkeit einer Tierversicherung hin. „Besonders bei Hunden ist mindestens eine OP-Versicherung wichtig“, sagt Borchert. Erdmann von der Wildtierhilfe beobachtet, dass potenzielle neue Tierhalter sehr vorsichtig seien, was mögliche Erkrankungen der Tiere angehe. „Sie möchten am liebsten, dass die Tiere auf alles mögliche untersucht werden. Wir geben da schon unser Bestes, aber hundertprozentig kann man eine spätere Erkrankung nicht ausschließen.“
Besonders schwierig war die Situation schon immer für ältere und kranke Tiere, das gelte nun noch einmal besonders. Hoffnung machen dem Tierheim Team in Soltau Fälle wie der einer älteren Frau, die immer wieder gerade die älteren und erkrankten Tiere bei sich aufnehme. „Manchmal sind es nur Wochen, die die Tiere bei ihr leben, aber in der Zeit haben sie noch mal ein zu Hause“, sagt Borchert. Erdmann wünscht sich von den Tierhaltern, dass sie sich ganz genau überlegen, welches Tier sie sich anschaffen und ob sie ein artgerechtes Leben ermöglichen könne.