Startschuss für eine neue Schulära
Der Ausgang der Debatte im Kreistag am Freitagnachmittag nach der Festlegung von CDU, SPD und Grünen war von vornherein klar: eine deutliche Mehrheit für die Einführung einer neuen Schulform. So kam es dann auch: Das Bildungsangebot im Heidekreis wird um eine Integrierte Gesamtschule (IGS) erweitert. Die soll ab dem kommenden Schuljahr 2024/2025 an zwei Standorten beginnend mit Klassenstufe fünf vierzügig in Bad Fallingbostel und fünfzügig in Walsrode aufgebaut werden. Dazu werden die beiden Oberschulen umgewandelt. Zudem soll die Oberschule Bomlitz zügig grundsaniert werden.
Das sind die wesentlichen Aussagen einer Lösung, die, wie Landrat Jens Grote betonte, keine ideale sei, sondern ein Kompromiss – einer von erheblicher Tragweite. Das machte die Verlesung der Beschlussvorlage durch Silke Thorey-Elbers deutlich, für die die Kreistagsvorsitzende eine gefühlte Ewigkeit benötigte – ein Text mit 2000 Zeichen, was knapp 70 Druckzeilen in der Böhme-Zeitung entspricht.
Am Ende der einstündigen Aussprache, die den Schlusspunkt hinter eine über Jahrzehnte geführte Auseinandersetzung über eine IGS setzen soll, stand eine Dreiviertelmehrheit für die neue Schulform. Elf Kreistagsmitglieder stimmten dagegen – neben der AfD-Fraktion und der Gruppe FDP/BU – für die habe neben anderen Vorbehalten die Sanierung maroder Schulen Vorrang, so Lüder Warnecke – mit Frank Leve-renz (Rethem), Hannes Luhmann (Ahlden) und Gerd Pickard (Bad Fallingbostel) drei CDU-Abgeordnete. Sie fürchten um den Bestand der Oberschulen vor Ort durch die IGS-Konkurrenz. Rethems Bürgermeister Leverenz sprach von einer Entscheidung zugunsten Walsrodes. Um diesen Ängsten entgegenzutreten, schlug Tatjana Bautsch (SPD) vor, die 2016 vom Kreistag gegebene zehnjährige Bestandsgarantie für die kleineren Schulstandorte zu verlängern.
Kostenschätzung für Campus ist erstaunlich niedrig
Das könnte demnächst Thema im Schulausschuss sein. Nächster Schritt ist zunächst die zügige Beantragung einer IGS im Heidekreis beim Regionalen Landesamt für Schule und Bildung.
Parallel startet die Planung für einen Oberstufen-Campus im alten Schulzentrum Walsrode. Dafür soll das marode Gebäude, dessen Abriss schon mehrfach beschlossen worden war, hergerichtet werden, damit dort ab 2030 Schüler des Gymnasiums und der BBS Walsrode sowie der beiden IGSn ihr Abitur ablegen können. Für den Campus gab Grote erstmals öffentlich eine für viele überraschend niedrige Prognose der Kosten ab: „Sie werden auf 4,8 Millionen Euro geschätzt.“ In Bad Fallingbostel würden für die IGS-Einrichtung keine baubedingten Kosten fällig, in Walsrode etwa 2,4 Millionen Euro. Die würden aber auch bei Fortbestehen der Oberschule für zusätzliche Raumbedarfe anfallen.
Als „guten Tag für alle Schülerinnen und Schüler“ bezeichnete Grote den Kompromiss und bescheinigte den Befürwortern: „Sie haben Handlungsfähigkeit bewiesen.“ Zum Fortbestand der kleinen Standorte sagte er, dass niemand in die Zukunft sehen könne, aber: „Wir stehen alle im Wort.“ Durch die Festlegung der Zügigkeit werde eine Begrenzung der IGS-Schülerzahlen gewährleistet.
Zustandegekommen war der Kompromiss im zweiten Anlauf. Die SPD hatte einen Vorstoß unternommen, der die Errichtung einer IGS in den Oberschulen Bad Fallingbostel und Bomlitz vorsah. Darauf fußte ein Vorschlag, den der Landrat im Mai präsentierte: die Umwandlung der beiden Schulen in Gesamtschulen, alternativ einen „Hilfsantrag“ auf Errichtung eines zweiten Gymnasiums in Walsrode. Weil sich im Schulausschuss weder für das eine noch das andere klare Zustimmung abzeichnete, wurde, um eine „Zufallsmehrheit“ bei dieser wichtigen schulpolitischen Frage zu verhindern, die IGS-Entscheidung von der Tagesordnung des Juni-Kreistags genommen, um sich um eine tragfähigere Lösung zu bemühen.
Die entwickelten dann die Fraktionen von CDU, SPD und Grünen gemeinsam mit dem Landrat hinter verschlossenen Türen.
Der Knoten wurde letztlich durch das Umdenken und das Einlenken der CDU mit ihrem Sprecher Torsten Söder in Sachen IGS durchschlagen. Sein SPD-Pendant Sebastian Zinke dankte diesem persönlich, „dass du mit neuen Ideen zu einer Kompromisslösung beigetragen hast“. „Gut, dass wir heute den Mut zur Entscheidung haben“, gab es anschließend von Zinke kollektives Schulterklopfen für alle Befürworter und insbesondere für den Landrat für dessen „Durchaltevermögen“.
Von „Hinterzimmerpolitik“ sprach dagegen Alfred Dannenberg (AfD), der meinte, dass im Juni „eine konservative Mehrheit“ für ein zweites Gymnasium in Walsrode anstelle einer IGS möglich gewesen wäre, und beantragte das in der Sitzung am Freitag. Über dieses Stöckchen wollte der CDU-Fraktionschef nicht springen und stieg erkennbar aufgebracht – „da kriege ich Placken“ – nochmals in die Bütt: „Die AfD ist gespickt mit Rechtsextremen. Sie ist keine konservative Partei“, erteilte Söder einer möglichen Zusammenarbeit mit den Rechten eine Absage. Mit lediglich acht Ja-Stimmen wurde der „Hilfsantrag“ auf ein zweites Gymnasium abgelehnt.