„Überholtes Jagdverständnis": Sollten Füchse noch geschossen werden?

Raubtier und Sympathieträger: Kritiker empfinden die Jagd auf den Rotfuchs als nicht mehr zeitgemäß.

Gäbe es eine Hitliste der beliebtesten heimischen Wildtiere, der Fuchs wäre ganz sicher weit vorne mit dabei. Unzählige Sportvereine tragen ihn im Wappen und in der Produktwerbung wimmelt es von Spar- und Schlaufüchsen. „Er ist ein Sympathieträger“, sagt Dr. Antje Oldenburg. Umso fragwürdiger erscheint es der Sprecherin des Nabu-Kreisverbands, dass das Wildtier immer noch bejagt wird. Obwohl Deutschland seit rund 15 Jahren tollwutfrei ist und abgeschossene Füchse praktisch nicht verwertet werden. Ihr Fleisch ist nicht zum Verzehr geeignet, ihr einst begehrtes Fell kaum noch zu vermarkten. „Wer trägt denn heute noch Pelz?“

Die Fuchsjagd wirkt etwas aus der Zeit gefallen. Ein Relikt aus jenen Tagen, als das Tier noch als Hühnerdieb und Verbreiter der todbringenden Tollwut gefürchtet gewesen ist. Oldenburg hofft auf ein Umdenken, nicht zuletzt im Nabu selbst. Denn die Naturschutzorganisation ist keineswegs geschlossen gegen die Fuchsjagd. In einem Positionspapier des Bundesverbands aus dem Jahr 2013 wird der heimische Canide sogar ausdrücklich jenen Arten zugerechnet, bei denen aus naturschutzrechtlicher Sicht keine Bedenken gegen die Bejagung bestehen. „Gerade in den vergangenen Monaten gab es darüber aber interne Diskussionen“, berichtet Oldenburg. „Mehrere Nabu-Gruppen positionieren sich gegen die Fuchsjagd.“ Im Kreisverband sei das Thema umstritten, auch innerhalb des Vorstands gebe es unterschiedliche Positionen.

Füchse laut Peta in „unvorstellbarer Todesangst“

In Bewegung gerät die Diskussion um die Fuchsjagd auch durch eine bundesweite Aktion von Peta. Die Tierrechtsorganisation hat Strafanzeigen gegen dutzende Betreiber sogenannter Schliefenanlagen erstattet. Auch eine Anlage im Heidekreis ist betroffen. Peta fordert deren Schließung „sowie die Beschlagnahmung der dort möglicherweise noch eingesperrten Füchse“. Die Tiere würden in den Anlagen „unvorstellbarer Todesangst“ ausgesetzt. Die Tierrechtler halten den Betrieb solcher Anlagen für rechtswidrig und fordern deren Verbot.

Schliefeanlagen sind künstlich angelegte Fuchsbaue. Sie dienen dazu, Jagdhunde für die Baujagd auszubilden. Dazu wird ein zahmer Fuchs in einem Käfig in dem unterirdischen Bau platziert. Der Hund soll die Fährte aufnehmen und im verzweigten Gängesystem den Weg zum Fuchs finden. Zu einem direkten Kontakt der beiden Tiere kommt es nicht.

Peta führt ein Rechtsgutachten der Deutschen Juristischen Gesellschaft für Tierschutzrecht (DJGT) an, das unter anderem darauf verweist, dass Tierschutz einen höheren Stellenwert genießt, seit er 2002 als Staatsziel Eingang ins Grundgesetz gefunden habe. Auch die rechtliche Zulässigkeit der Fuchsjagd insgesamt wird angezweifelt. Sie sei „Zeugnis eines überholten Jagdverständnisses“, heißt es in einer ausführlich juristisch begründeten Stellungnahme der DJGT.

Bei der Jägerschaft im Heidekreis will man von einer Illegitimität oder gar Rechtswidrigkeit von Schliefenanlagen und der Fuchsjagd indes nichts wissen. „Die Bejagung sorgt für einen Ausgleich zwischen den Arten in der Kulturlandschaft“, sagt Kreisjägermeister Wolfgang von Wieding. Ein Verzicht auf die Fuchsjagd würde unter anderem dem Schutz der Wiesenvögel zuwiderlaufen.

„Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen“, heißt es gleich im Paragraf 1 des Tierschutzgesetzes. Die Realität entspreche dem aber oft nicht, monieren Tierschützer. Für manche ist die Fuchsjagd ein gutes Beispiel dafür.

Intensive Bejagung: Allein Jägerschaft Soltau erlegt 807 Füchse

Die Bekämpfung der Tollwut spiele in Deutschland keine Rolle mehr, die Übertragungen anderer Krankheiten von Füchsen auf Menschen seien seltene Einzelfälle, sagt Dr. Antje Oldenburg vom Nabu-Kreisverband. Füchse werden nicht gegessen, ihr Fell kaum noch verarbeitet. Wo ist also der vom Gesetz geforderte „vernünftige Grund“, wenn im Heidekreis Füchse erlegt werden? 807 erlegte Rotfüchse führt allein die Jägerschaft Soltau in ihrem Streckenbericht 2021/22 auf. „Es gibt immer Arten, die oben auf der Nahrungskette stehen, trotzdem explodieren die Bestandszahlen nicht“, weist Oldenburg das Argument der Bestandsregulierung zurück. Luxemburg habe die Fuchsjagd 2015 verboten und gute Erfahrungen damit gemacht. „Der Mensch muss nicht immer eingreifen, er kann natürliche Kreisläufen auch mal sich selbst überlassen“, setzt Oldenburg auf die Selbstregulierung der Natur.

Warnung vor unregulierten Fuchsbeständen

Auch Kreisjägermeister Wolfgang von Wieding verweist auf eine Gesetzesnorm – Paragraf 1 des Bundesjagdgesetzes. Dort ist unter anderem vom Ziel der „Erhaltung eines den landschaftlichen und landeskulturellen Verhältnissen angepassten artenreichen und gesunden Wildbestandes sowie die Pflege und Sicherung seiner Lebensgrundlagen“ die Rede. Diesen Idealen entspreche auch die Fuchsjagd. Es gehe bei allen Arten um „ein tragbares Niveau.“ Beim Wolf werde „aus ideologischen Gründen“ eine Ausnahme gemacht, beim Fuchs sollte man das unterlassen. Unregulierte Bestände würden nicht nur bestimmte Vogelarten in Bedrängnis bringen, sondern könnten auch zur Rückkehr der Tollwut führen.

„Da wird alles tierschutzgerecht abgewickelt“

„Niemand jagt gerne für die Tonne“, erwidert von Wieding auf die Kritik, dass Füchse nicht verwertet würden. Gerade Aktionen von Tierschützern sorgten dafür, dass Fuchsfelle ihren Wert verloren hätten. „Man nimmt lieber Kunstfelle“, bedauert der Jäger. Nachhaltig sei das nicht, „aber unsere Gesellschaft ist halt so.“ Auch die Kritik an Schliefeanlagen weist von Wieding zurück. Diese würden unter Aufsicht streng nach Gesetz betrieben und nur in dem Maße genutzt, das zur Jagdhundausbildung unerlässlich sei. Ein Hund dürfe nur ein einziges Mal in die Anlage. Die eingesetzten Lock-Füchse seien zahme und an das Procedere gewöhnte Tiere. „Da wird alles tierschutzgerecht abgewickelt.“