Akuter Personalmangel trifft die Kindertagesstätten
Wie der Lebenshilfe geht es aktuell vielen Trägern von Kindertagesstätten: Fachkräfte sind Mangelware, entsprechend dünn ist die Personaldecke. Das führt zu erheblichem Unmut, wie kürzlich im Sozialausschuss der Stadt Soltau deutlich wurde.
Dort beklagte sich ein Vertreter des Kita-Stadtelternrates, dass in der von der Lebenshilfe betriebenen Kita Schatzkiste am Buchhopsweg sich seit mehreren Monaten Notbetreuung an Notbetreuung reihe. Es sei eine sehr belastende Situation mit vielen Quarantänephasen über mehrere Tage hinweg, zudem seien die Erzieherinnen in gewaltigem Ausmaß krank, erklärte Torsten Kruse.
Die Eltern treibe die Sorge um, dass die Kinder in ihrer sozialen Entwicklung beeinträchtigt werden könnten. Dazu sah Kruse auch die Stadt in der Verantwortung.
Der zuständige Fachgruppenleiter Thomas Körtge verstand den Unmut der Eltern. Leider gebe es nicht nur bei der Schatzkiste das Problem. Nach zwei Jahren belastender Coronazeit sei das Personal in vielen Kindergärten ausgezehrt, der Krankenstand hoch. „Und das belastet die, die noch da sind.“ Körtge brach eine Lanze für alle Träger, die alles täten, den Betrieb zu ermöglichen.
Das unterstrich auch Lebenshilfe-Geschäftsführer Gerhard Suder. Dennoch gab er zu, dass die Kita Schatzkiste tatsächlich in Sachen Personal eine besondere Herausforderung sei, aktuell sei die Leitungsfunktion unbesetzt.
Doch der Personalmangel sei in keinem Betreuungsbereich wegzudiskutieren. Suder verwies auf die zahlreichen Kindertagesstätten, die in den letzten Jahren gebaut und eröffnet worden seien. Und hinzu komme nun die politische Entscheidung vom Juli 2021, eine dritte Kraft in den Gruppen der Kindertagesstätten einzusetzen, vom Kultusminister Grant Hendrik Tonne als deutliche Qualitätsverbesserung der frühkindlichen Bildung gelobt.
Dritte Kraft in Kita ist Wunschdenken
„Es gibt sie nicht auf dem Arbeitsmarkt. Es ist absehbar, dass das nicht umsetzbar ist“, sagt dagegen Lebenshilfe-Geschäftsführer. Er spricht von einem akuten Personalmangel. Hinzu komme, dass die neu geschaffenen Kitas mit meist jungen Teams besetzt würden. Die Erzieherinnen würden schwanger, sofort werde ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen.
Und die pandemische Lage lasse sich trotz aller Lockerungen nicht wegdiskutieren. Sie sei wesentlicher Treiber für Ausfälle. Daher könne man zeitweise die Betreuung nur für die Eltern sicherstellen, die aufgrund ihrer Arbeitsplatzsituation darauf angewiesen sind. Suder warb wie Körtge um Verständnis: „Mehr als das Beste geben können wir nicht.“
Eine brandgefährliche Situation
Der für die Kindertagesstätten zuständige Fachgruppenleiter Körtge formulierte daher kürzlich im Sozialausschuss des Stadtrates ganz ungeschönt: „Damit müssen wir zurechtkommen.“ Damit beschrieb er die aktuelle Situation dort, aber auch in Schulen. Personalmangel und Coronafolgen sorgten für viele Ausfälle. Körtge hoffte, positiver nach vorne schauen zu können.
Diese Aussicht teilt Lebenshilfe-Geschäftsführer Gerhard Suder nur bedingt. Auch die Lebenshilfe, längst ein großer Träger von Kindertagesstätten im Norden des Heidekreises, habe trotz guten Leumunds am Bewerbermarkt inzwischen unbesetzte Stellen.
Und Suder blickt auf die nächsten zehn Jahre, wo viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den geburtenstarken Jahrgängen in Rente gingen. Möglicherweise müsse man sich von der Idee verabschieden, dass man alles perfekt versorgen könne, sagt Suder auch zur Situation im Bereich des Handwerks oder auch der Pflege. Überall herrsche Fachkräftemangel und hinzu komme ein „stark wachsender Markt wie die Kinderbetreuung“.
Nicht nur hinsichtlich der steigenden Geburtenraten bewege sich in dem Bereich viel, inzwischen kämen auch Kinder unter einem Jahr in die Betreuung. Manche blieben zehn Stunden in den Einrichtungen. Das seien veränderte Herausforderungen, denen man mit entsprechendem Personal folgen müsse.
„Es ist kein spezielles Problem in Soltau“, stellte Suder daher fest. In Wietzendorf werde gerade eine Kita für 40 Kinder geplant, in der zweiten Ausbaustufe in Bispingen würden Plätze für genauso viele Kinder vorgesehen. Auch Schneverdingen, Neuenkirchen und Munster planten zusätzliche Betreuungsplätze, Soltau zwei neue Kitas.
„Wir waren immer handlungsfähig, wenn wir an den Start gegangen sind“, betont Suder für die Kita-Trägerschaft in den Kommunen. Aber gerade in der Schatzkiste, aber auch in Munster gebe es Probleme, eine Lösung nur bedingt.
Suder verwies auf ein Kita-Team mit 15 Beschäftigten, von denen drei aufgrund einer Schwangerschaft nicht mehr arbeiten dürfen, jemand aufgrund eines Unfalls krank sei und dann gebe es noch Corona.
Hinzu, so Suder, komme mittlerweile auch eine andere Arbeitseinstellung, die den Fokus auf die Work-Life-Balance lege, wie auch die Herausforderung durch Bürokratie. Dennoch hat auch Suder das Vertrauen in die Gesellschaft, wenn der Druck zu groß werde, gut handeln zu können. „Was wir tun können, das tun wir.“
Letzteres passt auch zu einem speziellen Problem der Lebenshilfe am Standort Weiher an der Celler Straße: der Verkehrssituation. Zwar gilt auf der Celler Straße im Abbiegebereich ein Tempolimit von 70 Stundenkilometern. Dennoch passierte erst kürzlich ein Unfall.
Ein Fahrzeugführer übersah ein abbiegendes Auto. Der Mitarbeiter falle für vier Wochen aus, das Auto sei Totalschaden. Im vergangenen Jahr habe es einen ähnlichen Unfall gegeben. Damals habe ein Vater mit zwei Kindern im Auto gesessen. Diesen sei nicht Schlimmeres passiert, das Auto aber auch Totalschaden.
„Die Situation ist brandgefährlich“, findet Suder. Inzwischen hat der für die Kreisstraße zuständige Landkreis vor der Unfallstelle ein Hinweisschild aufgestellt. Ein Absenken der Geschwindigkeit auf Tempo 50 sei aber nicht genehmigt worden, auch keine Ampel, die auf die Gefahrenstelle durch stetiges Blinken aufmerksam mache.
Keine Reduzierung des Tempos
Zur Bewertung als Gefahrenstelle gehört auch die Einschätzung der Polizei, die den Bereich mit Blick auf ihre Statistik nicht als Unfallschwerpunkt eingeordnet hat. Und obwohl täglich 150 Kinder zur Betreuung gebracht würden, könne man kein Sonderrecht in Anspruch nehmen, müsse man sich an die Spielregeln halten, so Suder.
Um die Einfahrt besser sichtbar zu machen, hat die Lebenshilfe ein vier Meter hohes Schild anfertigen lassen, das an der Celler Straße aufgestellt werden soll. Der Verein versuche die verkehrliche Situation so weit zu entschärfen, wie es ihm möglich ist. Noch aber liegt das Schild auf dem Gelände, auch bei der Aufstellung gibt es gesetzliche Vorgaben zu beachten. „Da warten wir auf die Baugenehmigung“, so Suder.
Lebenshilfe Soltau: Seit 1968 stetig gewachsen
Der Verein Lebenshilfe Soltau wurde 1968 als Selbsthilfevereinigung für Menschen mit geistiger Behinderung und ihre Familien in Soltau gegründet. 1969 wurden die ersten Kinder mit geistiger Behinderung in der alten Dorfschule in Tetendorf aufgenommen.
In den 1980er-Jahren entstanden der heilpädagogische Kindergarten und der Sprachheilkindergarten. In den 1990er-Jahren kam ein Wohnbereich für erwachsene Menschen mit geistiger Behinderung dazu. In den 2000er-Jahren entstanden kooperative Kindertagesstätten.
Inzwischen hat der Verein 400 Beschäftigte, die für mehr als 850 Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit und ohne besonderen Förderbedarf verantwortlich sind. Und die Zahl soll noch wachsen. Alleine in den nächsten zwei bis drei Jahren werden in Schneverdingen, Soltau, Wietzendorf, Neuenkirchen und Bispingen neue Kita-Angebote zu schaffen sein.
Auch die Lebenshilfe hat sich als Träger beworben. „Nur alleine wir brauchen inklusive der dritten Kraft 50 bis 70 neue Leute“, sagt Geschäftsführer Gerhard Suder.