Auch das Vieh braucht Hilfe

Im Einsatz für die Tiere im Hochwassergebiet: Die Fahrer des Hilfsgütertransports und ihre Begleiter. Links: Josefine Klein und Sönke Dayen.

Im Einsatz für die Tiere im Hochwassergebiet: Die Fahrer des Hilfsgütertransports und ihre Begleiter. Links: Josefine Klein und Sönke Dayen.

Die Bilder der Hochwasser-Verwüstungen in West- und Süddeutschland sind in der Berichterstattung der Medien noch allgegenwärtig, ebenso die große Hilfs- und Spendenbereitschaft, die sie ausgelöst haben. Angehörige verschiedener Organisationen aber auch viele Menschen, etliche aus dem Heidekreis, die sich spontan in die betroffenen Gebiete aufgemacht haben, um beim Aufräumen anzupacken und das Leid, die existenzielle Not der betroffenen Menschen etwas zu lindern.

Betroffen sind aber nicht nur die Menschen in den Katastrophenregionen, sondern auch Vierbeiner, Nutztiere der Landwirte, die oft nicht wissen, wie sie ihr überlebendes Vieh satt bekommen sollen. Einen großen Tierfutter-Hilfstransport haben Mitarbeiter der Gevers GmbH mit Sitz auf dem Drewes-Hof in der Soltauer Ortschaft Tetendorf durchgeführt. Mit vier der insgesamt fünf Lkw-Aufliegersattelzüge des jungen Unternehmens, mit denen sie über die Woche beruflich unterwegs sind, ging es am vergangenen Wochenende zur Pferdeklinik Müggenhausen bei Weilerswist in die südwestliche Ecke Nordrhein-Westfalens. Die Ladung: 120 Rundballen Heu.

Auch Firmenchef Sönke Dayen saß, begleitet von seiner Partnerin Josefine Klein, am Lenkrad. Thomas Leu, Mike Buschmann und Rudolf Bunke waren die weiteren Fahrer, auch sie teilweise mit weiblicher Begleitung.

Zustandekommen war der Transport durch die Verbindung, die Dayen mit seinen Freunden Thomas Meyer aus Schulenburg bei Hannover und Heinrich Sander aus Echte pflegt. Mit ihnen hat der heute 26-Jährige während seiner landwirtschaftlichen Ausbildung die Schulbank der Hildesheimer Michelsenschule gedrückt und den Kontakt aufrechterhalten. Die in der Reiterszene vernetzte Laura Sanders hatte von der Not der Tierhalter in den Flutregionen gehört und die Anregung gegeben zu helfen. Das wurde nach kurzer Vorbereitungszeit umgesetzt.

Anlaufstation und Schaltstelle war der Angus-Rinderzuchtbetrieb von Thomas Meyer in Schulenburg. Der hatte bei seinen Berufskollegen um Futterspenden geworben - mit unerwartet großer Resonanz. Dazu zahlreiche Geldspenden. Dass der Aufruf so erfolgreich war, sei der Tatsache zu verdanken, dass 2021 ein gutes Heujahr ist, sagt Dayen. Dadurch sei es den Landwirten leichter gefallen, einen Teil ihrer Ernte abzugeben.

Am Sonnabendmorgen um 7 Uhr startete der Lkw-Konvoi in Soltau. Um 9 Uhr war der Betrieb Meyer in Pattensen-Schulenburg erreicht, nach vier Stunden alle Fahrzeuge beladen und der abenteuerliche Teil der Aktion startete. Bis hinter Köln lief es weitgehend problemlos, die Straßen waren freigeräumt, Toll Collect hatte die Mautstationen auf den Autobahnen für Hilfstransporte abgestellt. Dann begannen die echten Herausforderungen. Die zum Zielort führende Autobahn 61, die in einigen Abschnitte von den Fluten weggespült worden war, war gesperrt, GPS funktionierte leidlich oder gar nicht. Dann mussten wir ein bisschen nach Karte fahren“, sagt Dayen, was sich angesichts eines aus vier Lkw-Zügen bestehenden Konvoi mit einer Länge von jeweils 16 Metern leichter anhört als es ist. Über Schleichwege, manchmal auf Verdacht, tastete man sich zur Pferdeklinik Müggenhausen vor, wo neben bereits eingetroffenen Sachspenden auch von ihren Haltern angelieferte Pferde sowie herrenlose Tier eingestellt waren.

Dienstleistungswert von 15000 Euro

In kurzer Zeit war die Heufracht dank nachbarlicher landwirtschaftlicher Unterstützung mit Radladern und Traktoren abgeladen. Danach machten sich die Heidjer, begleitet guten Wünschen der dankbaren Spendenempfänger, bald schon wieder auf den Rückweg. Ein längerer Aufenthalt war nicht vorgesehen. Gegen 3.30 Uhr am Sonntagmorgen traf der Lkw-Tross von seinem Hilfsgütertransport mit einem Dienstleistungswert um die 15000 Euro wieder auf dem Drewes-Hof ein.

Für Fotos war unterwegs keine Zeit. Angesichts die für viele Menschen verzweifelten Umstände wäre das auch nicht angemessen gewesen. Die Bilder haben sich allen ins Gedächtnis eingegraben. Das kann man sich nicht vorstellen und auch nicht beschreiben“, sagt Dayen, Häuser, ganze Straßenzüge – vieles ist einfach weg. Selbst Kuhställe mit 120 Plätzen.“ An der einen Stelle hatten sich mächtige Gewitterzellen entladen und beschauliche Bäche wie die 45 Kilometer Swist in reißende Ströme verwandelt, die alles mit sich nahmen, was im Wege stand.

Dass da etliche Existenzen zerstört wurden, dazu braucht es keine Vorstellungskraft. Auch nicht für die Gewissheit, dass es mit der Hilfe für die Menschen in den Katastrophengebieten noch nicht getan ist. Sie werden noch lange auf öffentliche Unterstützung und private Hilfe angewiesen sein, weiß Sönke Dayen. Ob es einen weiteren Hilfstransport geben werde? Da wollten seine Mitstreiter und er erst einmal abwarten, wie sich die Situation nach dem Abebben der ersten Hilfswelle darstellt.