Nicht für Kreistag nominiert: Grüne strafen Wiedemann ab
Dr. Hans-Peter Ludewig ahnte, was gleich folgen würde. „Jetzt geht’s los“, raunte der Sprecher des Grünen- Kreisverbands dem Pressever-treter im Gasthaus Meding zu, als es an die Nominierung der Kandidaten für den Kreistags- wahlbereich IV (Bad Fallingbostel, Osterheide und ehemalige Gemeinde Bomlitz) ging. Daraus entwickelte sich ein Streit, der auch Folgen für das Personaltableau in einem anderem Wahlbereich hatte.
Am Ende waren vier der sechs aussichtsreichen Listen-Spitzenplätze für einen Einzug in den Kreistag von Frauen besetzt, einer mehr als zuvor „austariert“. Zudem wurde die Zerrissenheit innerhalb des Kreisverbandes von Bündnis 90/Die Grünen deutlich. Die Auswirkungen der turbulenten Versammlung Anfang Juni mit dem Rücktritt von fünf der sechs Vorstandsmitglieder und der Rückkehr Ludewigs an die Kreisverbandsspitze waren noch spürbar.
Vorstoß sorgt für Diskussionen
Auslöser war ein Vorstoß des Bad Fallingbostelers Gerhard Martini, der statt der von den dortigen Mitgliedern mit deutlicher Mehrheit für Platz eins empfohlenen Bomlitzerin Ronayl Özdogan sich selbst auf der Spitzenposition platziert sehen wollte. Er dürfe nicht diskriminiert werden, „weder als Mann noch wegen meines Alters“, so Martinis Begründung. Zuvor hatte sich die Versammlung mit deutlicher Mehrheit für eine Frauenquote ausgesprochen, die im Einzelfall für wichtiger als Gleichberechtigung für die Männer erachtet werde.
Die 26-jährige Özdogan hat einen jesidisch-kurdischen Hintergrund, den sie als einen wesentlichen Beweggrund für ihre Kandidatur nannte. Sie habe häufig selbst gesellschaftliche Ausgrenzung und Diskriminierung erfahren müssen und wolle sich für mehr Toleranz und Gleichberechtigung engagieren.
Martinis Ansinnen sorgte für Unmut. Zur Zielschreibe der Kriik wurde aber auch Dietrich Wiedemann. Er anerkenne die von Özdogan genannte Motivation, habe aber Zweifel, ob das ausreiche, sagte er an Bomlitzerin gewandt. „Aber wie willst du uns damit in der Kreistagsfraktion helfen?“, fragte er Özdogan und erntete dafür so heftigen Gegenwind, dass er seinen Beitrag nicht beenden konnte.
„Eine beschämende Vorführung“, nannte ein aufgebrachter Versammlungsteilnehmer Wiedemanns Aussage. In anderen Beiträgen war die Rede von einer Gewissensprüfung und „alten weißen Männern“, die ihre Besitzstände zu verteidigen versuchten. Das hatte wiederum Folgen für den Kandidaten Wiedemann. Zu diesem Zeitpunkt stand noch das Votum der Versammlung zur Kandidatenliste des Wahlbereichs III Soltau – Wietzendorf aus. Dort war der Soltauer auch auf Platz 1 gesetzt. Die einzige Frau im dortigen Bewerberfeld, Jesika Jarzina, hatte bei ihrer Vorstellung deutlich gemacht, dass sie keine Ambitionen auf den Spitzenplatz habe. Sie sehe sich als Neuling, sei erst seit Kurzem Mitglied bei den Grünen. Sie wolle erst einmal in die Kommunalpolitik hineinschnuppern, Erfah- rungen sammeln.
Wahlgang muss wiederholt werden
Doch es kam anders. Es hatte bereits eine Abstimmung über die Listung des Wahlbezirks III gegeben, die vermutlich die erforderliche Zustimmung für Wiedemann ergeben hätte. Doch da waren 42 ausgefüllte Stimmzettel in die Box geworfen worden, einer zuviel bei 41 Abstimmungsberechtigten. Der Wahlgang musste wiederholt werden. Und da hatte sich die Stimmung gedreht. Die Mitglieder verpassten Wiede- mann nach seinen als Angriff gegen Özdogan und Unterstützungsversuch für Martini interpretierten Äußerungen einen Denkzettel. In der zweiten Abstimmung votierten lediglich 15 Mitglieder für ihn. Wiedemann verfehlte die erforderliche abso- lute Mehrheit der abgegebenen Stimmen deutlich, 21 wären nötig gewesen. Das Grünen-„Urgestein“ war raus aus dem Nominierungs- verfahren, und mit Jesika Jarzina erhält der Wahlbereich III eine Grünen-Spitzenkandidatin, die das gar nicht angestrebt hatte. Die 27-Jährige studiert Umweltwissenschaften in Lüneburg.
Auch Martini scheitert
Abgestraft wurde auch Martini. Mit nur 18 Ja-Stimmen scheiterte er ebenfalls an der Nominierungshürde. Zuvor hatte die Versammlung in einer Einzelabstimmung Özdogan, die nach Wiedemann Ansprache mit den Tränen rang, mit 33 Stimmen auf Listenplatz eins bestätigt.
Ebenfalls die Hoffnung auf einen Spitzenplatz musste der Kreisvorsitzende Ludewig im Wahlbereich VI Schwarmstedt – Ahlden– Rethem begraben. Die Versammlung bestätigte in einer Einzelabstimmung mit 26 von 38 Stimmen die von der dortigen Versammlung favorisierte Dr. Antje Oldenburg. Oldenburg ist seit mehreren Jahren Sprecherin des Nabu-Kreisverbandes, in der Kommunalpolitik aber noch ein unbeschriebenes Blatt. Sie sei erst vor Kurzem Grünen-Mitglied geworden und habe sich kurzentschlossen für eine Kreistagskandidatur entschieden, sagte die 56-Jährige. Ludewig muss sich mit Platz zwei auf der Liste begnügen und auf ein deutlich besseres Abschneiden der Grünen als bei der Kommunalwahl 2016 hoffen, damit sie im nächsten Kreistag mehr als die derzeit fünf Abgeordneten stellen können.
Vier Frauen und zwei Männer auf den Spitzenplätzen
Ohne Diskussionen wurden in den übrigen drei Wahlbereiche die von den jeweiligen Wahlbe- reichsmitgliedern vorgelegten Kandidatenvorschläge bestätigt. In Walsrode (Wahlbereich V) wird die Liste von der früheren Vorsitzenden Ellen Gause angeführt. Auf Platz zwei folgt dort der Kreistagsabgeordnete Holger Stolz. Mit Carsten Gevers (Schneverdingen – Neuenkirchen, Wahlbereich I) und Rainer Prescher (II, Munster – Bispingen) stehen zwei aktuelle Kreistagsmitglieder ganz oben auf den jeweiligen Listen