Einzelhandel klagt über schärfere Auflagen
Kirsten und Jan Brinkmann haben nicht gezögert: In ihrem Entsetzen schreiben die beiden Expert-Chefs seit Tagen Briefe an Landtags- und Bundestagsabgeordnete, an den Landes- und den Bundeswirtschaftsminister – und an die Medien.
Aufgebracht haben die Elektronikfachhändler die seit Montag geltenden Regelungen zur Testpflicht im Einzelhandel: Wer in Läden mit mehr als 200 Quadratmetern Verkaufsfläche einkaufen will, der braucht nun zwar keinen Termin mehr, aber er muss negativ getestet, bereits vollständig geimpft sein oder kann eine Genesung vom Corona-Virus nachweisen.
„Wir haben die gesamte Zeit alles mitgemacht, alles fair und ordentlich umgesetzt – selbst die Bundesnotbremse“, sagt Jan Brinkmann, der Märkte in Soltau, Rotenburg und Geesthacht betreibt. Nun seien die Inzidenzzahlen auf einem guten Weg – und nun kämen keine Kunden mehr. „Die Auflagen wurden verschärft statt gelockert“, sagt Brinkmann und steht mit der Meinung nicht allein.
Auch Intersporthändler Hans-Jürgen Lange pflichtet ihm bei. An einem Montag seien nur vier getestete Kunden im Laden gewesen – sonst seien es über den Tag 60 bis 70. Lange, der auch Chef der Interessengemeinschaft Handel und Gewerbe in Soltau ist, erklärt für die Mitglieder: „Das Ziel versteht keiner.“ Seit 8. März hätten die Läden wieder geöffnet, es habe kaum Stress gegeben, die Infiziertenzahlen sänken. Nun werde alles torpediert, eine ganze Berufsgruppe zum politischen Spielball. „Es läuft mächtig was aus dem Ruder“, findet Lange.
„Glücklich sind wir nicht“, sagt auch Soltaus C&A-Filialchefin Manuela Grützmann zu den Test-Vorschriften, die viele Kunden auch nicht verständen. Vor Ort einen Schnelltest nachzuholen – das lehnt sie ab. Denn was bedeute es, wenn dieser Test eines Kunden positiv sei? Dann müsste möglicherweise auch Personal in Quarantäne. Da habe die Politik nicht nachgedacht, findet die Filialleiterin.
Zudem seien viele Menschen gar nicht zum zweiten Mal geimpft. Und gerade für ältere Kunden sei es nicht einfach, mal schnell noch in eine Apotheke zu gehen oder bis ins Testzentrum des DRK zu fahren, um sich testen zu lassen. Möglicherweise, so Grützmann, wäre eine Teststation in der Innenstadt eine Alternative, um das Problem in den Griff zu bekommen. Letzteres wiederum lehnt IHG-Chef Lange ab: Er plädiert für ein Umdenken der Politik und für tatsächliche Lockerungen.
Dafür setzt sich auch Expert-Chef Brinkmann ein. Denn nun fürchtet er, dass die Kunden nicht mal mehr für eine Druckerpatrone in seinen Laden kämen, sondern auch so etwas bei einem Vollsortimenter wie Edeka kauften. Denn im Lebensmittelbereich und sonstigen Handel des täglichen Bedarfs bleibt alles wie gehabt, dort müssen keine negativen Tests oder Impfnachweise vorgelegt werden.
Brinkmann hat ein Wort für die neuen Coronamaßnahmen für den großflächigen Einzelhandel: „Verschlimmbessert.“ So empfindet er die aktuelle Situation, die auch kein noch so guter Onlinehandel auffangen könne. „Korrigieren Sie den Fehler, damit der Schwachsinn aufhört“, fordert er die Landespolitik auf. Es dürfe nicht sein, dass die, die sich vernünftig verhielten, bestraft würden. Auch der Elektronikhändler sieht nicht ein, dass Kunden Schnelltests vor der Ladentür durchführten.
Im Designer Outlet in Soltau beispielsweise muss laut Internetseite zwar eine Test-, Impf- oder Genesungsbescheinigung und ein Ausweisdokument vorgezeigt werden, man könne aber einen selbst gekauften Schnelltest vor Ort an den Center-Eingängen durchführen. Das DRK, das in der Harburger Straße in Soltau ein großes Testzentrum betreibt, hat noch keine Auswirkungen der neuen Regelungen der Landesregierung gespürt. Mehr Testungen seien es bislang nicht, so Bernd Ingendahl. Das Testzentrum sei aber vorbereitet und könne bei Bedarf aufstocken.
Test vor Ort ist möglich
Für den Einzelhandel gilt seit Montag bei Inzidenzen unter 100, wie aktuell im Heidekreis: Er kann wieder öffnen. In Geschäften bis zu einer Verkaufsfläche von 200 Quadratmetern ist ein Einkauf nach vorheriger Terminvereinbarung möglich (Click and Meet).
Der Zugang zu Geschäften mit mehr als 200 Quadratmeter Verkaufsfläche ist nur mit Nachweis eines negativen Tests, einer vollständigen Impfung oder Genesung zulässig. Laut Kreisverwaltung herhält die Person bei einem PCR- oder Schnelltest eine Bescheinigung von der Stelle die den Test durchgeführt hat. Diese sei vor Ort vorzuzeigen. Eine Kopie von der Bescheinigung müsse vom Ladeninhaber nicht gemacht werden. Ein Selbsttest müsse vor der Einrichtung unter Beaufsichtigung durchgeführt werden.
Darüber müsse der Einzelhändler auf Verlangen eine entsprechende Bescheinigung ausstellen, da der Kunde oder die Kunden ansonsten vor jeder weiteren Verkaufsstelle einen erneuten Test machen müsste. Der Test selbst könne der Kundin oder dem Kunden ausgehändigt werden.