„Eine Videokonferenz ist kein digitaler Unterricht“
In internationalen Vergleichen zum digitalen Unterricht taucht Deutschland bestenfalls im Mittelfeld auf, vor allem bei der IT-Infrastruktur rächen sich gerade Versäumnisse, die um Teil schon Jahrzehnte zurückliegen. Die Anbindung ans Glasfasernetz ist je nach Region Glückssache, die Versorgung der Schulen mit Hardware gerade erst im Aufbau.
Die Coronakrise hat das Defizit an Digitalisierung im Bildungswesen offengelegt. Auf der anderen Seite hat sie sie aber auch vorangetrieben, bei der Infrastruktur (siehe Infobox), aber auch beim Unterricht selbst. Allerdings hat die Entwicklung rund um das Homeschooling zu einer Akzentverschiebung geführt, wenn es um das Verständnis von digitaler Schule geht.
„Es ist ein Märchen, das digitalter Unterricht Videounterricht ist, bei dem der bisherige Unterricht eins zu eins abgebildet wird“, sagt Markus Bewernick, Oberstufenkoordinator am Gymnasium Munster. Mit Jörg Ludwig pflichtet ihm ein absoluter Experte im BZ-Interview bei: „Eine Videokonferenz ist noch kein digitaler Unterricht.“ Ludwig ist Geschäftsführer von Iserv, der Kommunikationsplattform, die für die weiterführenden Schulen im Heidekreis während des Lockdowns zum unverzichtbaren Bestandteil des Unterrichts. „Eine große Stütze im Alltag“ nennt sie beispielsweise Axel Adler, Leiter der Hauptschule Munster. „Dieser Schulserver erleichtert uns das Arbeiten ungemein.“ Neben einer stabilen Kommunikation per Mail oder Videokonferenz nutzen die Schulen vor allem das Modul „Aufgaben“, mit dem sie den Alltag der Schülerinnen und Schüler im Homeoffice gut strukturieren und auch kontrollieren können.
Individuelles und interaktives Lernen ist tatsächlich möglich
Doch Thema digitaler Unterricht hat es lange vor Corona gegeben und es wird auch noch ein Thema sein, auch wenn alle Schüler irgendwann in den Präsenzunterricht zurückkehren können. Denn guter digitaler Unterricht findet vor allem in der Schule statt. Mithilfe eines „digitalen Werkzeugkasten“ (Bewernick) will Schule die Vorteile des digitalen Lernens mit dem analogen verbinden. Der große Vorteil sei, so Bewernick, dass sie tatsächlich individuelles und interaktives Lernen ermögliche: „Jeder arbeitet, überprüft sich selber, bekommt ein vernünftiges Feedback, vom Lehrer oder automatisiert, sodass ich meinen Lernfortschritt erkennen kann. Das ist digitale Bildung, so wie sie sein soll.“