Sparkassen: Fusion kann Lösung für manche Herausforderung bieten

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„Es wird regelmäßig verkannt, dass der Staat nur das verteilen kann, was er vorher über Steuern eingenommen hat“, verlauteten Ralph Spiegler, Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB), und DStGB-Hauptgeschäftsführer Dr. Gerd Landsberg jüngst im Rahmen einer Pressekonferenz. Es bräuchte einer „Trendwende und das ehrliche Eingeständnis, dass die Corona-Krise uns finanziell dauerhaft und nachhaltig ärmer gemacht hat.“ Die epidemiologische Krise hat die finanzielle Situation der Kommunen nicht besser gemacht. Im Gegenteil, die kommunalen Spitzenverbände gehen davon aus, dass die deutlichen ökonomischen Einbrüche bei den Unternehmen auch die Kämmerer zu spüren bekommen werden.

Investitionsstau: Geld fehlt an vielen Ecken

Für viele Kommunen kommen solche Hiobsbotschaften zur Unzeit, denn der Investitionsstau spiegelt sich nicht nur maroden Abwasserleitungsnetzen und aufgebrochenen Asphaltschichten auf den Straßen wider. Umfänglich investieren müssen Kommunen in ihre Feuerwehren. So benötigt Schneverdingen dringend eine neue Hauptfeuerwache als Ersatz für den deutlich in die Jahre gekommenen Bau an der Harburger Straße, in Soltau sind einige sanierungsbedürftige Straßen nur mit Vorsicht befahrbar und die Örtzestadt Munster war bereits vor der Krise finanziell angeschlagen. Der Landkreis selbst muss schwer in Schulen und etwa den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) investieren. Nicht zuletzt leuchtet und droht den Kommunen der Klinikneubau in Bad Fallingbostel. Was ein Segen sein soll, wird voraussichtlich auch den Kommunen Umlagen abverlangen.

Kommunale Gebietskörperschaften sind bundesweit finanziell gefordert, sich über neue Einnahmequellen und die Verringerung von Ausgaben Gedanken zu machen. Da kommunale Verwaltungen primär die Aufgabe haben, die Daseinsvorsorge zu sichern, nicht aber auf Gewinn ausgerichtete Aktivitäten zu entfalten, sind die Möglichkeiten beschränkt. Dass gewinnorientierte Unternehmen in kommunaler Trägerschaft sehr wohl möglich sind, belegt das Sparkassenwesen. Doch auch hier wird bundesweit zunehmend optimiert - aus guten Gründen. Fusion heißt das Zauberwort.

Bankwissenschaftler: "Ökonomisch ist eine Fusion sinnvoll"

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Fusion …

“ökonomisch sinnvoll”…

Hintergrund der Fusionen: Als die US-amerikanische Investmentbank Lehman im September 2008 Insolvenz anmeldete, wirkte das wie ein gewaltiges, die Branche erschütterndes Beben. Grund für die Eruption war der völlig überbewertete US-Immobilienmarkt und das Platzen der sogenannten Immobilienblase. Der Markt brach in sich zusammen, keine Bank traute der anderen mehr. Die Sorge, im Wertpapierhandel Giftpapiere angedreht zu bekommen, ließ den Handel zusammenbrechen. Das weltweite Bankensystem geriet ins Rutschen. Im Rahmen einer Kettenreaktion standen zuletzt ganze Länder, die ihre Banken stützten, um sie vor der Insolvenz zu bewahren, darunter auch EU-Mitgliedsstaaten am Rande des Staatsbankrotts. Der Internationale Währungsfonds (IWF) schätzte den weltweiten Wertpapierverlust auf vier Billionen US-Dollar, 1,2 Billionen davon allein aus europäischen Papieren.

In Europa reagierten Politik und Bankenaufsicht scharf und führten eine nie dagewesene Bankenregulierung und -aufsicht ein – mit weitreichenden Folgen, die bis in den beschaulichen Heidekreis hinein spürbar sind. Banken und auch kleine Sparkassen müssen hohe Rücklagen bilden und regelmäßig an die Aufsichtsbehörden Berichte zu ihrer Liquidität und zur Bewertung von vergebenen Krediten und getätigten Investitionen vorlegen – ein mühsames Geschäft, das kosten- und personalintensiv ist.

Ein Drittel der Mitarbeiter nur für Regulierung im Einsatz

Tatsächlich führten Niedrigzinsphase, die damit verbundenen geringen Gewinnmargen und der Aufwand für die die turnusmäßigen Berichte zu zahlreichen bundesweiten Fusionen von Volksbanken und Sparkassen. So war die durchaus erfolgreiche Sparkasse Bad Sachsa das kleinste Sparkassen-Institut der Republik mit einer Bilanzsumme von knapp 134 Millionen Euro (2018). Seit Januar 2020 hat sie der Sparkasse Osterode fusioniert. Zuvor waren von den 39 Mitarbeitern allein ein Drittel mit der Ermittlung möglicher Risiken und der Bearbeitung von komplexen Regulierungsaufgaben betraut. Denn laufend sind Berichte an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) und die Bundesbank zu schicken.

Neben dem hohen Verwaltungsaufwand kommt die Bedeutung des Sparkassenpersonals in der Fläche, die im persönlichen Vieraugengespräch für ein Höchstmaß an Vertrauen sorgen. Zu den damit verbundenen hohen Personalkosten kommen seit Jahren abnehmende Margen in der anhaltenden Niedrigzinzphase. Jeder Kredit, der aus einer 10- oder 15.-jährigen Laufzeit kommend neu verhandelt wird, bedeutet ein Wegbrechen von Zinserträgen. Angesichts solcher Herausforderungen wird der langfristige Blick in die Zukunft eines Finanzinstituts auf das Thema Fusion gelenkt, sind sich Experten sicher.

„Ökonomisch macht Fusion Sinn“, erklärt Wirtschaftswissenschafter und Bankenexperte Professor Dr. Thomas Hartmann-Wendels mit Blick auf kleinere Sparkassen. Die Böhme-Zeitung hat mit dem Wissenschaftler über die beiden Kreissparkassen des Heidekreises gesprochen. „Das wundert mich, dass die nicht schon längst fusioniert haben“, betont er angesichts der scharf abgrenzbaren Geschäftsgebiete der Institute innerhalb des Heidekreises. „Bei Gebietsreformen im Kölner Umland war die Fusion der Sparkassen ein normaler Vorgang.“

Ist das fortgesetzte Bestehen zweier Kreissparkassen innerhalb eines Kreises trotz Kostendrucks ein Relikt aus der Zeit vor der niedersächsischen Kreisgebietsreform von 1977? Das ist für Kreditinstitute in Trägerschaft des Landkreises eine politisch zu beantwortende Frage. Hermann Norden, Verwaltungsratsvorsitzender der KSK Walsrode, und Dieter Möhrmann, Verwaltungsratsvorsitzender der KSK Soltau, geben dazu eine eindeutige Stellungnahme ab: „Wir legen Wert auf die Feststellung, dass es sich bei unseren Sparkassen nicht um Relikte aus der Zeit vor der Kreisreform handelt. Der Kreistag heute und in der Vergangenheit hat sich stets einmütig hinter beide Sparkassen gestellt.“

Bei den Bilanzsummen lägen beide „bundesweit im anspruchsvollen Mittelfeld“, begründen die beiden Altvorderen der Kreispolitik nicht ganz korrekt. Tatsächlich liegen die beiden Sparkassen in der Rangliste von 2019 unter den bundesweit 379 Sparkassen auf Rang 265 (KSK Walsrode) und 298 (KSK Soltau) und damit beide klar im unteren Drittel nach den Bilanzsummen.

Dennoch ist die Bilanzsumme selbst noch kein ausschlaggebender Grund für eine Fusion, zu der sich auch sehr viel größere Institute durchgerungen haben. Auch das Einsparen von Vorstandsgehältern, Pensionsrücklagen und Aufwandsentschädigungen für Verwaltungsräte, die der Sparkassenexperte und Finanzwissenschaftler Professor Dr. Ralf Jasny gegenüber der BZ noch ins Zentrum seiner Betrachtungen gerückt hatte (BZ vom 21. September 2016), sind für den Kölner Bankwissenschaftler eher nachrangig. Hoher Kostendruck, Verwaltungsaufwand im Zuge der Bankenregulierung und -aufsicht sowie langfristig geringe Gewinnmargen stehen im Vordergrund.

Wie kostenintensiv die Regulierung für die Sparkassen ist, macht Michael Schier vom niedersächsischen Sparkassenverband deutlich. Die Sparkassen im Verband hätten 2019 allein für die europäische Bankenabgabe 15,5 Millionen Euro auf den Tisch legen müssen, „Tendenz steigend“. Das gewachsene Meldewesen gegenüber Bundesbank und Bafin mache an den Gesamtkosten für Regulierung bereits 25 bis 30 Prozent aus, so Verbandssprecher Schier gegenüber der BZ. Wie hoch die Gesamtkosten für Meldungen gegenüber den Aufsichtsbehörden auch für kleinere Institute sind, soll zurzeit eine Studie der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) ermitteln. Das Ergebnis wird für das 2. Quartal erwartet.

„Daneben bewirkt auch die Digitalisierung eine Tendenz zu größeren Einheiten – auch wenn IT-Dienstleistungen weitgehend ausgelagert sind, bleibt immer noch ein gewisser Rest, den jedes Institut selbstständig erledigen muss“, so Hartmann-Wendels.

Wer gegen Fusion ist, manipuliert die Daten

Doch woran liegt es, dass Fusionen gar nicht erst angegangen werden? Hartmann-Wendels findet zu dieser Frage klare Worte. „Die Fusion von Sparkassen ist immer ein heikles Thema, weil es nicht nur um betriebswirtschaftlich relevante Sachverhalte geht, sondern weil die Kommunalpolitik hier mitspielt.“ Doch oft sieht der Bankexperte das Problem auch bei den Vorständen. „Das hängt von persönlichen Befindlichkeiten ab.“ Sei eine Fusion nicht erwünscht, „dann stellt man die Zahlen so dar, wie man sie braucht“, kennt der Wirtschaftswissenschaftler die Tricks der Manipulation. Das Aufhübschen von Daten für das „richtige“ Endergebnis ist im Bankengeschäft gang und gebe und nicht erst seit der Bankenkrise 2007/2008 bekannt. Dabei geht es gar nicht um Straftaten. Das ganz legale Aufwerten von Vermögen und Abwerten von Kreditrisiken füllt ganze Vorlesungen an den Universitäten. Dass an dem Wie einer Unternehmensbewertung auch Fusionen scheitern können, haben zum Jahreswechsel die Sparkassen Mecklenburg-Schwerin und Parchim-Lübz erfahren müssen, wenn auch nur vorübergehend. Zwischen den Instituten bestand Uneinigkeit über die konkrete Methodik der Bewertung – das wollen die Institute aber dieses Jahr beheben. Denn dass die Fusion ökonomisch sinnvoll ist, daran haben die Institute keine Zweifel.

Das Fusionieren bedeutet betriebswirtschaftliche Verschlankung auf der Kostenseite, so die Botschaft von Bankexperten und den fusionierten Sparkassen. Niedersachsenweit gab es im Jahr 2009, also kurz nach der weltweiten Finanzkrise, noch 46 Sparkassen, im vergangenen Jahr waren es noch 39.

Korrigierende Änderung vom 16.2.2021: In der ersten Fassung hatten wir versehentlich den Sprecher des Niedersächsischen Sparkassenverbands, Michael Schier, falsch benannt. Außerdem ist Prof. Dr. Ralf Jasny kein Sparkassenwissenschaftler, wie ursprünglich benannt, sondern Finanzwissenschaftler mit einer besonderen Sparkassenexpertise. Wir bitten die Fehler zu entschuldigen. BK