Hauptzeugin wohl für tot gehalten
Lüneburg/Neuenkirchen. Die 57-jährige Susanne G. leidet nach eigenen Angaben seit dem Auftakt des Neuenkirchener Doppelmordprozesses wieder stärker unter den Folgen der Tat, bei der ihre Freundin und deren Ehemann ermordet wurden und sie selbst die brutalen Attacken wohl nur überlebt hat, weil der Täter sie für tot hielt und von ihr abließ. Nach Überzeugung des Staatsanwalts war es Maurice L.
„Das macht mir sehr zu schaffen“, sagte G., die auch Nebenklägerin ist, am zweiten Prozesstag vor dem Landgericht Lüneburg, wo sie erneut in den Zeugenstand trat. Nochmals zum Angeklagten befragt, sagte sie, L. sei ihr wie ein „normaler junger Mann“ vorgekommen, „mit Auto und Freundin. Für mich war er kein Kind.“
In einer von L.s Anwältin verlesenen Erklärung bezweifelt die Verteidigung, dass die Angaben der Hauptzeugin geeignet seien, eine Tatbeteiligung ihres Mandanten, der zur Tatzeit 20 Jahre alt war, nachzuweisen, unter anderem, weil die Zeugin „zeitlich nicht orientiert“ scheine.
Bei den weiteren Zeugenbefragungen versuchte das Gericht, die zeitlichen Abläufe nach der Mordtat am 27. Juli 2020 am Neuenkirchener Lohweg zu ordnen, was aufgrund teilweise erheblich von früheren Aussagen abweichenden Angaben unerwartet schwierig war. Als Erste vor Ort war eine 26-Jährige, die von der Schwerverletzten angesprochen worden war. Polizei und Rettungskräfte hat ein 57-Jähriger alarmiert, der mit seinen Hunden unterwegs war und nach eigenen Angaben erfolglos versuchte, in das brennende Haus zu kommen.
Das gelang zunächst nur einem 67 Jahre alten Zeugen, der mit seiner Frau nach anfangs von ihm nicht zu lokalisierenden Hilferufen an den Ort des Verbrechens gekommen war. Er habe nach dem Hinweis der Schwerverletzten, dass sich noch zwei Personen im Gebäude befänden, versucht, in das Haus zu gelangen und die Terrassentür eingetreten. Er sei in das Haus gekrochen, habe wegen der extremen Rauchentwicklung nach wenigen Metern aber wieder kehrtgemacht.
Draußen hätten sich mehrere Personen aufgehalten, die er gebeten habe, die schwerverletzte Frau auf die gegenüberliegende Straßenseite zu tragen, um Platz für die Feuerwehr zu schaffen. Nach deren Eintreffen habe er die Brandschützer in die Lage eingewiesen, so der ehemalige Berufsfeuerwehrmann.
Zwei Feuerwehrmänner schilderten, wie sie das ermordete und in Decken sowie Textilien gehüllte Ehepaar im Rahmen der Löscharbeiten fanden – den Mann im Keller und die Frau im Erdgeschoss.
Ein 26-jähriger Polizeibeamter berichtete, dass er im Zuge der Ermittlungen auf einen Beleg über 455 Euro gestoßen sei, die der Angeklagte am 18. Juni in bar auf sein Konto eingezahlt habe, nach Einschätzung der Ermittler die Beute aus den Wohnungen des Hauses an der Kiefernstraße, in dem es am 17. und 18. Juni zwei Mal gebrannt hat. Die Staatsanwaltschaft wirft L. vor, die Brände in dem Haus, in dem er wohnte, vorsätzlich herbeigeführt zu haben.
Ungewöhnliche Szenerie vorgefunden
Eine 31-jährige Beamtin berichtete von einem Anruf des Angeklagten bei der Polizei acht Tage nach der Mordtat, bei dem L. angegeben habe, dass er sich nicht in seine Einzimmerwohnung traue, weil sich dort eine für ihn unbekannte Person aufhalte. Eine Person trafen die Polizisten nicht an, fanden aber eine ungewöhnliche Szenerie mit blauen Müllsäcken und Messern auf dem Tisch sowie mehrere Schriftstücke vor. Eines davon mit einem vorformulierten angeblichen Geständnis und ein weiteres, in dem L. unter Androhung von Gewalt aufgefordert werde, es zu unterzeichnen: „Unterschreibe, sonst Finger ab.“
Was von dieser vermeintlichen Bedrohung zu halten ist, ob es sie wirklich gegeben oder der Angeklagte sie inszeniert hat, um von sich abzulenken, muss die weitere Verhandlung klären, die am heutigen Donnerstag fortgesetzt wird. Interessant dürfte auch die Frage sein, was es mit teilweise detaillierten Angaben zum Geschehen auf dem Grundstück des ermordeten Ehepaares G. am Tag des Doppelmordes auf sich hat, die den Eindruck erwecken könnten, möglicherweise auch sollten, es handele sich um Täterwissen.