Coronatests - Die Blockade der Versicherer

Setzen Krankenversicherer bei den Schwächsten an, wenn es darum geht, Geld einzusparen? Dieser Verdacht kommt auf, da sich so manche Kasse weigert, die Kosten für einen vorgeschriebenen Coronatest zu übernehmen. Foto: pixabay

Setzen Krankenversicherer bei den Schwächsten an, wenn es darum geht, Geld einzusparen? Dieser Verdacht kommt auf, da sich so manche Kasse weigert, die Kosten für einen vorgeschriebenen Coronatest zu übernehmen. Foto: pixabay

AOK und andere Kassen lehnen Bezahlung verpflichtender Coronatests ab

Schneverdingen. Reinhard und Ingrid Wesseloh sind besorgt. Die Landwirte aus der Schneverdinger Ortschaft Insel pflegen Reinhards Vater, Richard Wesseloh (89), daheim. Tagsüber besuchte er vor der Coronakrise die Tagespflege Dat Heide-Hus, bis die Einrichtung im Zuge des sogenannten Lockdowns schließen musste. Von fünf Tagen die Woche runter auf Null – und das für Monate.

Wesseloh senior leidet an Demenz. Er hat den vierten Pflegegrad. „Während der Coronazeit hat er massiv abgebaut“, sagt Ingrid Wesseloh. Ihm habe die Beschäftigung in der Tagespflege spürbar gefehlt, das Gedächtnis habe in der Zeit massiv nachgelassen. Auf dem Hof konnte der Altbauer nicht geistig beschäftigt werden, denn Reinhard und Ingrid Wesseloh haben viel auf dem Hof zu tun.

Tagespflege kann seit 19. Juni wieder arbeiten - auf Sparflamme

Dass man die Tagespflegeeinrichtung geschlossen hat, können Wesselohs nicht verstehen. „Weshalb wurden die Alten eingesperrt, die haben ihr Leben doch gelebt?“, fragt Ingrid Wesseloh. Für Senioren in den Städten sei es vermutlich noch viel schlimmer.

Die Tagespflegeeinrichtung arbeitet seit 22. Juni wieder auf Sparflamme – die Coronarichtlinien müssen sie wahren. Möglich machten die Wiedereröffnung leichte Lockerungen vom totalen Runterfahren der Republik.

Am 19. Juni sei die Freigabe des Landkreises gekommen, dass die Tagespflege mit Hygienekonzept wieder durchgeführt werden könne. Als Auflage forderte der Landkreis die Testung der Patienten, auch ohne Vorliegen von Symptomen.

Damit er wieder wenigstens ab und zu zur Tagespflege gehen durfte, wurde auch Richard Wesseloh von seinem Hausarzt getestet. Das den Test untersuchende Labor schickte den Wesselohs eine Rechnung über 152,14 Euro. Die Wesselohs überwiesen den Rechnungsbetrag und bean-tragten bei der Krankenkasse eine Kostenübernahme.

Wesseloh ist bei der landwirtschaftlichen Krankenkasse Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) versichert – und die lehnt ab. Wiederholt, denn mehrere Anrufe von Ingrid Wesseloh bei ihrer Versicherung gehen ins Leere. Die Versicherung, die damit wirbt, für ihre Versicherten da zu sein, lehnt trotz gesetzlicher Regelung den Anspruch auf Kostenübernahme ab.

Im Leitbild der Versicherung der Land- und Forstwirte heißt es: „Wir achten auf Wirtschaftlichkeit und Qualität. Der verantwortungsbewusste Einsatz der uns anvertrauten finanziellen Mittel ist uns ständige Verpflichtung.“ Eine Verpflichtung, die in diesem Fall mehr dem Wohl der Mittel als den Ansprüchen des Versicherten zu gelten scheint, denn Richard Wesseloh bleibt trotz gesetzlichen Anspruchs noch auf seinen Kosten für den vorgeschriebenen Coronatest sitzen.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband begrüßt zwar, dass die Verordnung des Bundesgesundheitsministeriums vom 8. Juni die Testung auch asymptomatischer, also nicht zwingend infizierter Personengruppen zu Lasten der Versicherungsgemeinschaft vorsehe. Der Interessenverband kritisiert allerdings, dass der Anspruch auf Erstattung von der Veranlassung des lokalen Gesundheitsamtes abhängig sei. Dadurch werde „kein wirklicher Anspruch“ geschaffen.

BZ macht Druck - SVLFG scheint einzulenken

Doch genau diese Veranlassung des Gesundheitsamts liegt im Heidekreis vor. Bei der SVLFG lehnt man die Kostenübernahme dennoch zunächst ab. Erst eine wiederholte Anfrage der Böhme-Zeitung bei der Versicherung bringt Bewegung in die Sache.

Bei der SVLFG spricht man gegenüber der Böhme-Zeitung von „Missverständnissen“. Man wolle die Sache jetzt mit dem der Familie klären. „Natürlich“ sehe man die entsprechenden Testungen von Patienten in der Tagespflege für sehr sinnvoll an, um einer weiteren Ausbreitung der Pandemie entgegenzusteuern. Die Verordnung des Bundesministeriums für Gesundheit sei bekannt und werde umgesetzt.

Auch wenn die SVLFG einzulenken scheint – beim Heide-Hus kämpft man jetzt noch für die Tagesgäste gegen die Blockadehaltung weiterer Versicherungen. So verweigert sich zurzeit auch noch die große AOK einer Kostenübernahme, so Regina Dinges vom Heide-Hus. Die AOK blockt nicht nur bei Tagespflegegästendes Heide-Hus‘ in Schneverdingen. Claudia Sonnwald macht mit ihrer Tagespflege in Munster dieselben Erfahrungen mit dem großen Versicherer, der sich den rechtlichen Anssprüchen seiner Versicherten offensichtlich im großen Stil zu entziehen sucht. Sie bestätigt das Problem mit der Kasse, während andere Assekuranzen die Kosten für die Coronatests inzwischen übernehmen.

Regina Dinges vom Heide-Hus hat wenig übrig für diese Verweigerungshaltung. „Das ist eine Unverschämtheit, da wird beim schwächsten Glied in der Kette gegen die gesetzlichen Grundlagen gespart.“ Dinges setzt sich für die Patienten ein, hat bereits Widerspruchsverfahren eingeleitet und will jetzt energisch „bis zum bitteren Ende“ um die Kostenübernahme für die verpflichtenden Coronatests in der Tagespflege kämpfen.