Corona-Lockdown: "Die Leute wollen raus"
„Der Lockdown hat uns eiskalt erwischt, von Hundert auf Null“, schildert Martina Kruse vom Schneverdinger Reisebüro an der Marktstraße 4 die Situation durch die Corona-Pandemie. Ihre Mitarbeiterinnen seien zu 100 Prozent in Kurzarbeit gegangen, alle Reiseveranstalter hätten ihre Telefone gekappt, waren nur per E-Mail erreichbar und ließen mit Antworten auf sich warten. Die wenigsten Reisen fanden statt – diese Situation bestand bis Oktober.
Die Schließung des Reisebüros hatte ein Ende, nachdem Kruse ab Juli an vier Nachmittagen wieder Beratungen und Buchungen vor Ort an der Marktstraße 4 ermöglichte. Die Nachfrage war zwar nicht da, aber sie konnte demonstrieren, dass sie für die Kunden da war. Telefonisch und per E-Mail war Kruse sowieso stets erreichbar, arbeitete die Wünsche ihrer Kunden von 8 bis 20 Uhr ab. Sie erzählt, dass viele Kunden Angst hatten. Die wenigsten Reisen fanden statt. Und die Arbeit fiel doppelt an: erst die Buchungen, dann die Stornierungen – mit der Folge, dass es kein Geld gab, denn das gibt es nur bei vermittelten Reisen. Sogar Reiselustige, die per Internet gebucht hatten, meldeten sich bei Kruse, weil sie bei ihren Veranstaltern keine Auskunft erhielten. „Die haben wir natürlich auch beraten, obwohl sie nicht bei uns gebucht hatten. In solch einer Situation muss man schließlich helfen. Aber sie sind auch potenzielle Kunden.“
Rücklagen halten nicht endlos
Kruse hat sich gefreut, dass es die Soforthilfe vom Staat gegeben hat und danach die Überbrückungshilfen I (Juni bis August) und II (September bis Dezember). Letztere seien aber nur gewährt worden, wenn Steuerberater die Anträge eingereicht haben. Für die Zukunft fordert Kruse, dass die Unterstützungen weiterlaufen und das Kurzarbeitergeld verlängert wird. Sie sei Mitglied im QTA (Quality Travel Alliance), dem größten Reisebüroverband. Dieser habe geholfen, sodass die Mitglieder Briefe an Politiker wie Ministerpräsident Weil und Bundeskanzlerin Merkel schicken konnten, und auch Demonstrationen organisiert. Sie betonte, wie wichtig es sei, Rücklagen zu bilden. „Wir haben schließlich früher gut verdient.“ Aber endlos lange hielten Rücklagen auch nicht vor. Sie habe zwar noch von keinen Reisebüroschließungen im Heidekreis gehört, aber in den Großstädten schon.
Kruses Kollegin Karina Schelhammer von Ihr Reisestudio an der Weststraße 1 hat ähnliche Erfahrungen gemacht und auch die staatlichen Hilfen genutzt. Während des Lockdowns galt in ihrem Betrieb Kurzarbeit. Danach habe sie sechs Stunden täglich geöffnet, jetzt aber nur noch sechs Stunden in der Woche, verteilt auf zwei Vormittage und einen Nachmittag. In den Herbstferien habe sie noch die letzten Abreisen abgearbeitet. Derzeit gebe es eher kurzfristige Buchungen und wenig Abreisen im November und Dezember. Schelhammer freut sich zumindest, dass viele Kunden ins nächste Jahr umgebucht haben, denn „ein Jahr könne man überbrücken, ein zweites Jahr geht wohl noch, aber irgendwann ist Feierabend“.
„Wir haben derzeit nichts zu verkaufen“
Einen anderen Weg hat Antje Meyer, Inhaberin des Reisebüros Kruse in Soltau, Unter den Linden 11, eingeschlagen. „Die Schließung dauert bis heute an und ich werde auch nicht bis Jahresende öffnen“, sagt sie und verweist darauf, dass sie täglich von 10 bis 12 Uhr telefonisch sowie über E-Mail erreichbar sei. „Wir haben derzeit nichts zu verkaufen,“ beschreibt sie die Lage schonungslos. „Und ich verkaufe nur das, was ich dem Kunden gegenüber vertreten kann“, versichert sie und berichtet, dass, wenn überhaupt, nur kurzfristig gebucht wird. „Wir sind wieder da, wenn es wieder losgeht.“ „Die Bundesregierung hat sehr gut reagiert“, geht Meyer auf die Hilfen des Staates und die Verlängerung der Kurzarbeit ein. Die Soforthilfe habe es zügig gegeben, sie habe die Überbrückungsgelder beantragt und auch die Kurzarbeit für ihre zwei Angestellten genutzt. Ihr Glück sei zudem, dass sie das Reisebüro in einer eigenen Immobilie betreiben kann. Der Betrieb sei 1898 vom Großvater gegründet worden.
Sabine Rothmann von Rothmanns Reisewelt in der Munsteraner Fußgängerzone nennt die Corona-Konsequenzen eine „Katastrophe“. Seit dem Lockdown im März arbeite sie allein. Die Mitarbeiter inklusive des Auszubildenden seien komplett in Kurzarbeit. Sie selbst sei aber immer erreichbar gewesen und habe jetzt wieder vormittags von 10 bis 12 Uhr geöffnet. Rothmann beschreibt die widrigen Umstände, unter denen sie während des Lockdowns ihre Kunden bedienen musste. Die Reiseveranstalter seien telefonisch nicht erreichbar gewesen. Warteschleifen von zwei bis drei Stunden seien keine Seltenheit bei einem großen Veranstalter gewesen, Umbuchungen gingen nicht mit dem System. Aber es habe auch Veranstalter geben, bei denen es gut geklappt habe.
Derzeit buche niemand, so Rothmann, die zudem an den Beginn der Pandemie erinnerte, als keiner wusste, was passiert, wie lange es dauert und unklar war, wie die Gäste aus ihren Urlaubsorten zurückkommen. Danach musste die Masse der Buchungen wegen der Stornierungen abgewickelt werden. Trotz dieser miesen Situation sieht Rothmann aber immer noch Licht am Horizont: „Wenn ein Impfstoff gefunden wurde, werden wir ordentlich was zu tun haben“, sagt sie. „Die Leute sind hungrig. Sie wollen raus.“