Ein Mann gegen die Angst
Eine Konsequenz aus dem Wirken Martin Luthers haben die Schüler der Soltauer Hermann-Billung-Schule wohl ausnahmslos begrüßt: Durch den 500. Jahrestag von dessen Thesenanschlag sowie dem dazugehörigen Brückentag konnten sie ein ausgedehntes Wochenende genießen. Aber was ist darüber hinaus geblieben von Martin Luther? Was hat der Reformator hinterlassen, wie prägt er unser Leben bis heute? Die Schüler der 3a und der 4b haben dazu einiges zu sagen.
Die beiden Klassen haben sich in den vergangenen Wochen intensiv mit dem Leben und Wirken von Martin Luther be- schäftigt. Und es ist für sie zu- nächst vor allem eines: span- nend. Wenn Niklas davon erzählt, wie Luther von Rittern geschnappt worden ist, weil er vogelfrei war, wie ein Freund ihn dann vor den Leuten des Kaisers versteckte, er sich einen Bart wachsen ließ und sich einen Decknamen zulegte, dann merkt man ihm und seinen Mitschülern an, dass sie diese Geschichte packt. Dass es inzwischen zeit- gemäße Medien gibt, die gerade auch junge Menschen ansprechen, wie der Comic „Martin Luther – ein Mönch verändert die Welt“, trägt sicher seinen Teil dazu bei.
Aber außer dem abenteuerlichen Wirken des Reformators fasziniert die Kinder vor allem ein Thema, das in den Debatten der Erwachsenen zum Lutherjahr oft in den Hintergrund rückt: die Angst. „Martin Luther hatte so doll Angst vor der Hölle, das hatten damals viele Men- schen“, sagt Philipp. Wie die Kirche mit diesen Ängsten umging, darüber regen sich die Schüler geradezu auf. „Die haben den Menschen Zettel und Brief verkauft und gesagt: Wenn du die kaufst, kommst du in den Himmel“, empört sich Eldar. „Dabei waren die Menschen ganz arm und die Briefe waren Lügen“, ergänzt Antonia.
Das Geschäft mit der Angst,aber auch die Angst des kleinen Martin vor seinen strengen Eltern, vor den Lehrern und vor Gott, es ist eines der beherrschenden Themen der Kinder, wenn sie von Martin Luther erzählen, sagt Lehrerin Margit Korsen.
Dass Luther zumindest mit der Angst vor einem strafenden Gott aufgeräumt hat, das rechnen die Kinder dem Reformator hoch an. „Wenn Martin Luther nicht gewesen wäre, dann wüssten wir vielleicht heute noch nicht, dass Gott lieb ist“, sagt Olivia. „Wir hätten ohne ihn wohl noch Angst vorm Teu- fel“, glaubt Philipp.
Dass diese Botschaft damals nicht allen Leuten recht war, können die Kinder nachvollziehen. „Manche haben gesagt: Das stimmt. Aber andere wie der Kai- ser oder der Papst haben gesagt: Nein, das stimmt nicht“, sagt Lukas. Warum, ist den Kindern längst klar: „Die wollten ja weiter ihre Briefe verkaufen“, sagt Eldar.
Dass Luther für seinen Kampf gegen die Obrigkeit viel Mut aufbringen musste, können sich die Kinder vorstellen. „Wenn ich heute einen Zettel an die Schultür hefte, wo ich drauf geschrieben habe: Die Hausaufgaben sollen abgeschafft werden! – dann bekomme ich vielleicht Ärger oder Fußballverbot. Aber damals konnte man zum Tode verurteilt werden“, sagt Philipp. „Da brauchte man mehr als Mut“, findet Jonas. Es waren andere Zeiten, schlimme Zeiten, finden die Kinder. „Wenn man heute eine andere Meinung hat, dann kann man darüber reden“, sagt Jonathan.
Die Befreiung von Angst, ein Vorbild an Mut – was bleibt noch von Luther für die Kinder von heute? Natürlich die Bibel. Fast alle haben eine zu Hause. Julienne hat eine kleine Kinderbibel mitgebracht, mit den bekannten Illustrationen von Kees de Kort. Julienne schlägt das Buch auf und erwischt zufällig die Seite mit dem leeren Grab. Habt keine Angst – so hat Luther die Osterbotschaft vor 500 Jahren übersetzt. „Vorher war das auf Latein, deshalb wussten die Menschen das nicht“, sagt Jonas. „Wir haben heute nicht mehr so viel Angst.“ Ein paar Mitschüler nicken zustimmend. Sie finden es gut, dass sie heute leben.