Jugendamt ist personell am Limit angekommen
Fachbereichsleiterin Stefanie Ridders begründet hohe Zahl von 18,5 zusätzlich beantragten Mitarbeiterstellen, doch der Jugendhilfeausschuss gesteht ihr nur einen Bruchteil zu
Von Reinhard Vorwerk
Bad Fallingbostel. Immer mehr Kinder und Jugendliche im Heidekreis sind „außer Rand und Band“. Sie benötigen Hilfe. Doch die könne das Jugendamt ihnen und ihren Familien oft nicht in ausreichendem Maße bieten, warnte Fachbereichsleiterin Stefanie Ridders am Mittwoch im Jugendhilfeausschuss. Das Personal, insbesondere jüngere Mitarbeiter, sei hoch belastet, vielfach über das erträgliche Maß hinaus. Folge seien Mitarbeiterwechsel, Frustration, Kündigungen, längere Vakanzen. Deshalb hatte der Fachbereich 06 Kinder, Jugend, Familie bei der Aufstellung des Kreishaushalts 18,5 Stellen beantragt, knapp die Hälfte der 39 zusätzlichen Personalanforderungen, für die Landrat Manfred Ostermann von der Kreispolitik abgewatscht wurde (BZ berichtete). Mittlerweile hat man sich angenähert. Gleichwohl war man vonseiten der Politik gespannt auf Ridders Ausführungen zur Personalentwicklung.
Demnach ist die Stellenanforderung das Ergebnis eines zusammen mit ihrem Vorgänger Uwe Peters in Angriff genommenen Geschäftsoptimierungsprozesses, der verbindliche Handlungsabläufe für die Mitarbeiter des Allgemeinen Sozialdienstes (ASD) bringen soll. Ein komplexes Feld, bestehend aus 58 beschriebenen Teilprodukten. Ridders: „Jeder muss alles können.“
Die Meldungen, die das Jugendamt aus allen Kommunen erreichten, seien alarmierend: Der Nachwuchs wird immer auffälliger. Ursachen seien unter anderem veränderter Medienkonsum und Freizeitverhalten. Dazu kämen familiäre Ursachen – Scheidung oder Trennung der Eltern, Alkoholprobleme. Das erfordere häufig multikomplexe Hilfe, die andere Einrichtungen nicht leisten könnten. Folge: „Kinder- und Jugendpsychiater geben uns Fälle zurück, weil man dort nicht mit ihnen fertig wird.“ Diese Möglichkeit habe das Jugendamt nicht. Das könne in einzelnen Fällen zu dramatischen Zuspitzungen führen. Ein ambulanter Amtshelfer musste sogar eine schusssichere Weste anlegen, bevor er sich in eine Wohnung wagte. Bis zum 30. September wurden dem Jugendamt 2592 Fälle gemeldet, um die es sich kümmern musste. Nicht immer seien es „schwere“ gewesen, so Ridders. Umgerechnet auf die 23 Mitarbeiter des „klassischen ASD“ waren das durchschnittlich 113 Fälle.
Letztlich war das Engagement der Fachbereichsleiterin vergebens. Dass es das angemeldete Kontingent von 18,5 zusätzlichen Stellen nicht geben würde, dürfte Ridders von vornherein klar gewesen sein. Nach dem Willen des Ausschusses soll es nur ein Bruchteil davon werden: 4,5 zusätzliche Stellen.
Viel Verständnis, aber wenig Geld
Ginge es nach Klaus Kunold (WBL), wären Jugendamtschefin Stefanie Ridders und ihr Mitarbeiterteam vom Allgemeinen Sozialdienst (ASD) ihre Sorgen zumindest fürs Erste los. „Da werden Leistungen verlangt, die Sie mit dem jetzigen Personal nicht wuppen können“, bescheinigte Kunold der Fachbereichsleiterin nach deren „frustrierenden Schilderungen“ zur Personalsituation ihrer Abteilung in der von Wolfgang Börner (SPD) geleiteten Sitzung des Jugendhilfeausschusses. Hätte er das Geld, würde er es für die benötigten 18,5 Stellen sofort geben, versicherte Kunold.
Aber das hat der Düshorner Kreistagsabgeordnete natürlich nicht und auch der Haushalt des Heidekreises gibt das mit seinem Millionendefizit nicht her. Deshalb muss sich das Jugendamt mit 4,5 zusätzlichen Stellen bescheiden. Diese Beschlussempfehlung gab der Ausschuss nach längerer Aussprache mit 5:3 Stimmen, darunter auch Kunolds, dem Kreisausschuss, der am 5. Dezember das letzte Wort hat. Der von Hans Jürgen Thömen vorgetragene SPD-Kompromissvorschlag mit neun zusätzlichen Stellen, kam nicht zur Abstimmung.
Jugendamt braucht eigentlich mehr
Stellen Einig waren sich alle Teilnehmer der Sitzung, dass weiteres Personal über die viereinhalb Stellen hinaus für das Jugendamt erforderlich wäre. Genauso unstrittig war aber auch, dass die finanziellen Möglichkeiten es nicht hergeben, den Bedarf zu decken. Und so forderte Ausschussvorsitzender Börner nach dem teilweise emotional gefärbten Vortrag, „zurück zur Sachlichkeit zu kommen“.
Bei der Frage des CDU-Kreistagsabgeordneten David Dinges, wie die Jugendhilfe des Heidekreises gegenüber anderen Landkreisen dastehe, musste Ridders passen: „Da gibt es keine Vergleichswerte.“
Auch intern, etwa durch Mitarbeiterumsetzungen innerhalb der Kreisverwaltung, sei das Personalproblem des Jugendamtes nicht zu lösen, machte Erster Kreisrat Oliver Schulze in seiner Antwort auf eine weitere Frage Kunolds deutlich. Denn zum einen gebe es keinen Personalüberhang, sondern im Gegenteil Anforderungen in anderen Abteilungen. Zudem brächte kaum jemand die für diese Aufgabe erforderliche Qualifikation mit. Eine interne Ausschreibung habe nichts gebracht, bestätigte Jugendamtsmitarbeiter Tobias Kunz die Darstellung des stellvertretenden Verwaltungschefs.
Nach der ersten Lesung im Kreisausschuss weist der Ergebnishaushalt für den Fachbereich 06 Kinder, Jugendliche und Familie einen Zuschussbedarf von 35,8 Millionen Euro aus. Gegenüber dem ursprünglichen Entwurf ist das laut Kunz eine Verbesserung um 4,3 Millionen Euro.