Mobilität: Die Kandidaten beziehen Stellung

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Fragen an Lars Klingbeil (SPD)

Wäre eine Benzinpreiserhöhung um 16 Prozent vereinbar mit den Mobilitätsanforderungen auf dem Land?

In meinem Zukunftsdialog wurde deutlich, dass Mobilität bei uns eins der bedeutendsten Themen ist. Das Auto ist unersetzlich, gleichzeitig müssen aber auch Alternativen wie Elektromobilität, Carsharing oder eine Ausweitung des ÖPNV stattfinden. Mal eben so den Spritpreis zu erhöhen, wie es Grüne und Teile der Union vorschlagen, ohne Alternativen zu schaffen, wäre gerade für die Menschen bei uns ein Schlag ins Gesicht.

Welche Ziele streben Sie zu diesem Themenkomplex in den kommenden vier Jahren an?

Bestehende Mobilitätsangebote müssen verlässlich funktionieren und kontinuierlich verbessert werden. Daran hat es zuletzt beim Erixx gehakt. Mobilität muss barrierefrei sein, alle müssen an ihr teilhaben können. Die Verkehrsträger müssen aufeinander abgestimmt sein. Bürgerbusse sollten in das ÖPNV-System integriert werden, Busse insgesamt häufiger fahren. Ruftaxis und Carsharing-Systeme sollten ausgebaut werden. Es gibt auch viele Ideen, die einen Beitrag zu einem anderen Mobilitätsbewusstsein leisten. Auch Co-Working-Spaces zählen dazu. Arbeitswege können dann wegfallen. Es geht immer darum, gute Rahmenbedingungen zu schaffen.

Und wenn wir den Blick auf die nächsten zehn Jahre werfen?

Es geht darum, die Kommunen beim Etablieren der Elektromobilität und bei der Erarbeitung von Mobilitätskonzepten zu unterstützen. Logistik- und Speditionsunternehmen sollen wasserstoffbetriebene Fahrzeuge nutzen können. Dafür müssen wir Wertschöpfungsketten im Bereich Wasserstoff bei uns etablieren. Da stehen wir im Heidekreis durch die Modellregion schon in den Startlöchern.

Sie wollen in neun Jahren 15 Millionen E-Autos auf die Straße gebracht haben. Das klappt nur, wenn die Ladeinfrastruktur vorher bereitsteht.

Wir haben im Bund bereits klare Verabredungen zum Ausbau der Ladeinfrastruktur getroffen und nehmen viel Geld in die Hand. Es gibt umfassende Förderungen. Zudem wurden Ende 2020 noch mal die gesetzlichen Rahmenbedingungen zum Ausbau der Ladeinfrastruktur verbessert, indem die Rechte der Mieterinnen und Mieter ausgeweitet wurden. Bis 2020 hat der Bund 300 Millionen Euro zum Ausbau der E-Ladeinfrastruktur bereitgestellt. Zudem haben wir attraktive Fördermöglichkeiten geschaffen. Bald wird auch der Gebrauchtwagenmarkt für Elektrofahrzeuge wachsen.

Wie stehen Sie zu den zum Teil menschenverachtenden Arbeitsbedingungen in Afrika und zur Naturzerstörung in Südamerika beim Kobalt- und Lithiumabbau für die Akkutechnologie?

Beides verurteile ich aufs Schärfste. Das Lieferkettengesetz, durch das wir den Entstehungsprozess besser nachverfolgen können, wird hier ein wichtiger Baustein sein, um solche Bedingungen zu verhindern. Wenn es eine höhere Anzahl E-Autos gibt, steigt auch der Rohstoffbedarf. Wir müssen diese Rohstoffe sauber abbauen und auch den Abbau bei uns stärker fördern, wo es möglich ist. Zudem investieren wir in Deutschland viel in die Batteriezellenforschung, die Alternativen ermöglicht.

Welche Ziele streben Sie über welche Maßnahmen zu diesem Themenkomplex langfristig an?

Wir brauchen eine bessere Verkehrsinfrastruktur, CO2-neutrale Antriebsformen und eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung. So können und werden wir die Ziele des Pariser Klimaabkommens erreichen und unser Land bis 2045 klimaneutral machen. Gleichzeitig können durch innovative Mobilitätskonzepte neue Jobs und wirtschaftliche Stärke wachsen. Die Mobilität im ländlichen Raum muss ausgebaut werden. Dafür werde ich mich politisch einsetzen.

90 Prozent der Unfälle finden auf der Landstraße und in geschlossenen Ortschaften statt. Dennoch wollen Sie das Tempolimit 130, das zudem bei der CO2- Reduktion unbedeutend ist. Buhlen Sie hier um grüne Wähler?

Die Einführung eines Tempolimits führt zu entspanntem Fahren, weniger Verkehrstoten und ist besser für das Klima und den Verkehrsfluss. Das sehen wir in vielen unserer europäischen Nachbarländer.

Mit Blick auf neue Bahntrassen und den Autobahnbau hat Ministerpräsident Stephan Weil eine deutliche Verschlankung des komplizierten Planungsrechts eingefordert. Sehen Sie hier echtes Handlungspotenzial?

Stephan Weil hat recht. Das Dialogforum Schiene Nord hat gezeigt, dass Dialog, Transparenz und schnelle Verfahren zusammenpassen. Ich bin sehr froh, dass wir gerade noch eine gute Fördersumme für den Ausbau der Strecke Rotenburg-Verden erreicht haben.

Der ÖPNV ist für den ländlichen Raum ein zentrales Element der Mobilitätsabsicherung. Sieht Ihr Mobilitätsplan 2030 auch einen Ausbau des ÖPNV über den Schulverkehr hinaus vor?

Ja. Wir haben die Mittel für den ÖPNV-Ausbau versechsfacht. Ich will viele Fördermittel davon bei uns in die Region holen. Für Berufstätige gibt es zu oft gar kein Angebot. Es braucht noch bessere Bahnanbindungen für die vielen Berufspendler. Ein weiterer Punkt ist die bessere Vernetzung der Verkehrsmittel. Hier müssen wir mit klugen Verkehrskonzepten die einzelnen Verkehrsmittel besser aufeinander abstimmen. Dabei geht es um die Taktung von Bus und Bahn aber auch um die Frage, ob ich mein Fahrrad am Bahnhof sicher abstellen kann.

Airbus glaubt bis 2035 wasserstoffbetriebene Flugzeuge abheben lassen zu können. Bis zur Etablierung des Antriebs können weitere drei Dekaden vergehen. Muss der Luftverkehr bis dahin ausgebremst, die Deutschen von Mallorca ferngehalten werden?

Nein. Es ist gut, wenn Staat und Wirtschaft in klimaneutrale Zukunftsprojekte investieren. Interview: bk

Fragen an Carsten Büttinghaus (CDU)

Verträgt sich eine staatlich verordnete Benzinpreiserhöhung um 16 Cent mit den Mobilitätsanforderungen auf dem Land?

Ich glaube, dass der Benzinpreis weiter steigen wird. Das ist auch so beschlossen. Die Steigerung des CO2-Preises soll die Energiewende einleiten und begleiten. Das würde den Mobilitätsanforderungen auf dem Land dann nicht gerecht, wenn es zulasten von Arbeitnehmern ginge, die weite Wege zurücklegen müssen. Daher brauchen wir als Kompensation die Pendlerpauschale. Wer Spaßfahrten übers platte Land macht, muss die zusätzlichen 16 Cent pro Liter oder auch mehr in Kauf nehmen. Aber nicht die Krankenschwester im Schichtdienst, die täglich weite Strecken fährt.

Die CDU will beim ÖPNV „einen flächendeckenden Mindeststandard“. Was heißt das konkret? Erfüllt der Heidekreis den Mindeststandard?

Wir müssen „Standard“ komplett neu denken. Einen Mindeststandard haben wir, weil in jedem Dorf irgendwann ein Bus fährt. Zu den Stoßzeiten, wenn die Schüler unterwegs sind, sind die Busse voll. Aber wenn nachmittags ein Bus mit 40 Plätzen für Fahrgäste übers Land fährt, sitzen da vielleicht vier ältere Personen drin. Das ist wieder die „grüne“ Schizophrenie: Nur eine Lösung passt nicht zur Lebenswirklichkeit. Genau hier liegt der Schlüssel für eine modern gedachte, ehrenamtlich gestützte und staatlich geförderte Struktur. Ein kleines, bedarfsorientiertes Fahrzeug, das agil auf die Ansprüche in den Dörfern reagieren kann. Ich sprach mit Bürgermeistern und Ortsvorstehern darüber und das war aufschlussreich. Ich gehörte ja auch zu jenen, die immer sagten, wir brauchen mehr ÖPNV auf dem Land. Wir brauchen Schulbusverkehr, das ist klar. Daneben haben wir auf dem Land aber vor allem Individualverkehr. Einen großen Bus für sehr wenige Gäste fahren zu lassen, wäre auch ökologisch sinnlos. Das Bürgerbus-Engagement, das sich aus der Not entwickelt hat, gefällt mir dagegen sehr gut. Das System sollte flächendeckend ausgebaut und gefördert werden. Wir brauchen solche Strukturen, gepaart mit einem gut ausgebauten System für Individualverkehr, auch was Elektromobilität und weitere Alternativen angeht.

Als Polizist wissen Sie, wie oft es auf der A7 im Heidekreis zu schweren Verkehrsunfällen kommt. Ein generelles Tempolimit, wie es in allen anderen EU-Ländern gilt, könnte deutsche Autobahnen laut einer aktuellen Studie je nach Strecke um bis zu 50 Prozent sicherer machen. Die CDU lehnt das ab. Sie auch?

Wenn Sie mich als Polizeibeamten fragen, kann ich nur sagen, dass ich absolut gegen Raserei bin. Ich sehe meistens keinen Grund, mit 160 Sachen über die Autobahn zu fahren. Ich mache das so gut wie nie und bin oft auf der Autobahn unterwegs. Nicht zu rasen, hat was mit Entspannung zu tun. Ich kann daher gut nachvollziehen, wenn Leute sagen, Tempo 130 reicht völlig aus. Aber für mehr Sicherheit brauchen wir kein generelles Tempolimit. Unsere Straßen, insbesondere die Autobahnen, gehören zu den sichersten in Europa. Wir haben ein sehr gut ausgebautes Straßennetz. Eine andere Frage ist, ob ein Tempolimit als Übergangslösung zur Reduzierung klimaschädlicher Abgase sinnvoll wäre. Auch dazu gibt es Studien. Die Forderung nach einem Tempolimit ist aber meistens ideologisch motiviert. Eine Einführung aus populistischen Gründen lehne ich ab. Und mal ehrlich: Wo fährt man denn heute überhaupt noch ohne Tempolimit?

Zwischen Hamburg und dem Heidekreis.

Wenn Sie sich das gesamte Autobahn- netz anschauen, gelten auf den meisten Abschnitten reduzierte Höchstgeschwindigkeiten.

Die Grünen wollen das Angebot der Bahn so verbessern, dass Inlandsflüge sich nicht mehr lohnen. Warum polemisiert die CDU dagegen?

Ich möchte keine Inlandsflüge verbieten. Aber ich möchte, dass sie den richtigen Preis bekommen. Da kann ich die Position der Grünen nachvollziehen. Das durch Kerosin-Subventionierung Inlandsflüge konkurrenzfähig mit der Bahn sind, ist absurd. Genauso wie europäische Kurzstreckenflüge für 20 Euro. Solche Angebote darf es nicht geben, weil sie weder der Umwelt und dem Klima gerecht werden, noch reale Kosten abbilden.

Was folgt daraus?

Keine Subventionen für den Flugverkehr. Dann kostet der Flug von Berlin nach München eben mehr. Wenn jemand aus geschäftlichen Gründen in einer Stunde nach München reisen muss, soll er fliegen dürfen. Aber zu einem realen Preis.

Haben Diesel und Verbrenner noch eine Zukunft?

Das Thema ist wohl durch, obwohl gerade der Diesel meiner Meinung nach noch als Brückentechnologie hätte dienen können. Die Motoren wurden immer effizienter. Vieles kam aufgrund anderer Weichenstellungen gar nicht mehr zum Zuge. Die Politik übte Druck aus, um die neuen Technologien zu befeuern. Das kann ich nachvollziehen. Der Diesel bleibt als Nischenprodukt erhalten, als Sonder- und Rettungsfahrzeug, bei der Bundeswehr und anderswo. Jetzt gilt es technologisch offen zu bleiben.

Was sind Ihre kurz- und mittelfristigen Ziele für nachhaltige Mobilität auf dem Land?

Die Pendlerpauschale muss parallel zum Benzinpreis steigen. Wir brauchen Fördergelder für Bürgerbus-Konzepte und müssen den ÖPNV so ausbauen, dass Regionen wie der Heidekreis eng mit den größeren Städten verbunden werden. Auch die Reaktivierung alter Bahnstrecken kann helfen.

Was könnte auf lange Sicht, in 25 Jahren, umgesetzt werden?

S-Bahnverbindungen könnten uns an die Metropolen anschließen. Das wäre gut für den ländlichen Raum. Die Elektromobilität wird weiter rasant wachsen, aber auch Wasserstoff und E-Fuels können sich noch durchsetzen. Wichtig ist, dass wir rechtzeitig die Infrastruktur schaffen und weit voraus denken. Interview: ari

Fragen an Dr. Michael Kopatz (GRÜNE)

Brauchen wir eine Benzinpreiserhöhung von 16 Cent, wie beispielsweise von Fridays for Future gefordert?

Dass eine Bepreisung von CO2, wie wir sie seit Anfang diesen Jahres mit der CO2-Abgabe richtigerweise haben, zu höheren Benzinpreisen führt, ist völlig klar. Wir brauchen wirksame Anreize zur CO2-Einsparung, und Anreize setzt man sinnvollerweise über den Preis. Entscheidend ist deshalb, wie das kompensiert wird, damit die Bürgerinnen und Bürger unter dem Strich nicht stärker belastet werden. Und da ist unser Vorschlag eines Energiegeldes einfach genial.

Wie sieht das Energiegeld aus?

Wir zahlen sämtliche Einnahmen aus der CO2-Abgabe pro Kopf an die Bürger zurück. Wer weniger Energie verbraucht als der Durchschnitt – das sind in aller Regel Menschen mit geringeren Einkommen und Familien mit Kindern – profitiert davon. Wer einen Benzin fressenden SUV fährt oder mehrmals im Jahr weit weg in den Urlaub fliegt, zahlt natürlich drauf. Genau das ist ja der Zweck der Abgabe: Wir wollen Anreize setzen, möglichst wenig CO2 in die Luft zu blasen.

Bestraft Ihr Konzept eines CO2-Bonus-Malus-Systems in der Kfz-Steuer nicht alle Geringverdiener – der Heidekreis ist weder Hamburg noch Hannover?

Im Gegenteil. Wer fährt denn die großen und schweren Spritfresser? Wer hat denn den Zweitwagen? Das sind doch diejenigen, die sich das auch leisten können. Geringverdiener haben in der Regel einen deutlich sparsameren Kleinwagen – wenn sie denn überhaupt ein Auto haben. Und von unserem Vorschlag einer CO2-Steuer würden besonders einkommensarme Menschen profitieren. Nur in unserem Konzept gibt es eine Rückzahlung.

Welche Ziele und Maßnahmen streben Sie in den ersten vier Jahren an?

Mittelfristig brauchen wir eine Mobilitätsgarantie für den ländlichen Raum. Man muss durch öffentliche Angebote mobil sein können, ohne zwingend ein eigenes Auto haben zu müssen. Das erfordert Investitionen in ein umfassendes Nahverkehrsangebot. Die Mittel dafür wären vorhanden, wenn wir damit aufhören, permanent weitere Autobahnen und Bundesstraßen zu bauen.

Welche Ziele und Maßnahmen streben Sie mittel- und langfristig an?

Ich würde mir wünschen, dass ab 2030 keine Autos mit Benzin- oder Dieselmotor zugelassen würden. Der Strom für die Elektroautos sollte bis dahin zu 70 Prozent aus Solar- und Windkraft erzeugt werden. Die Wende im Pkw-Verkehr ist noch relativ einfach. Richtig ambitioniert wird es beim Lastverkehr. Darauf haben CDU, FDP und SPD noch keine Antwort. Im Gegenteil, durch den dogmatischen Aus- und Neubau von Bundesfernstraßen verschlimmern sie das Problem. Stattdessen erzählt man den Leuten etwas von Wasserstoff-LKW. Das ist nur theoretisch möglich und völlig realitätsfern. Wir brauchen ein Moratorium für den Straßenneubau.

Sie wollen die ÖPNV-Nutzung verdoppeln. Wie wollen Sie bundespolitisch Einfluss nehmen, um aus dem Schulbusverkehr einen echten eng getakteten und im Zweifel sogar nachts fahrenden ÖPNV im Heidekreis zu machen?

Das ist regionalspezifisch.

Ihr Wahlprogramm sieht das allerdings so vor. Dann ein anderes Thema: Sie fordern das Tempolimit 130 aus Sicherheitsgründen, obwohl 90 Prozent der Unfälle auf der Landstraße und in Siedlungen geschehen, ein Tempolimit noch dazu keine relevante Auswirkung für den Klimaschutz hat. Ist das nicht populistisch?

Ein Tempolimit von 130 auf Autobahnen fordert auch die Gewerkschaft der Polizei aus Sicherheitsgründen. Wir würden vor allem die schweren Unfälle vermeiden. Es ist richtig, dass „nur“ sieben Prozent der Unfälle auf Autobahnen passieren, die aber dazu führen, dass etwa 13 Prozent der Verkehrstoten auf Autobahnen zu Tode kommen. Außerdem würden nach Berechnungen des Umweltbundesamtes 2,2 Millionen Tonnen CO2 eingespart, immerhin rund 5 Prozent der Emissionen durch den Verkehr auf Autobahnen. Ich finde das erheblich, zumal das Tempolimit niemanden etwas kostet.

Eine Studie hat gezeigt, dass gerade Grünen-Wähler besonders häufig SUV fahren und Bilder von Wahlständen zeigen, dass schwere SUV für die Parteiarbeit aktiv genutzt werden. Wie gehen Sie mit dem Vorwurf der Doppelmoral um?

Dass diese angebliche Studie methodisch Quatsch ist, ist längst belegt. Es wurden nämlich nur diejenigen befragt, die sich in den letzten Monaten tatsächlich ein Auto gekauft haben. Wer gar kein Auto hat, wurde also nicht berücksichtigt. Es gibt andere Studien, die ein anderes Bild zeigen. Aber darauf kommt es gar nicht an. Grünen-Wähler sind doch nicht per se die besseren Menschen. Wir müssen die Strukturen so verändern, dass es einfach nicht attraktiv ist, sich einen SUV zuzulegen. Wie das funktioniert beschreibe ich in meinen Buch »Ökoroutine«.

Airbus hat gerade erst klargemacht, dass der Wasserstoffantrieb frühestens 2035 abhebt, doch dann wird es noch Dekaden dauern, bis eine Umrüstung der Luftflotten realisiert ist. Sollen die Flieger solange am Boden bleiben?

Was wir wollen, ist eine Stabilisierung des Luftverkehrs auf dem gegenwärtigen Niveau. Es geht nicht um Verzicht, sondern um die Vermeidung der Expansion. Wir fliegen extrem viel, aber es darf nicht mehr werden. Andernfalls kompensiert das Wachstum zum großen Teil die Fortschritte durch neue Technologien. Innerdeutsche Flüge sind komplett verzichtbar, weil es jetzt schon die Bahn als vernünftige Alternative gibt. Und wir wollen massiv in den Bahnverkehr investieren, den die Bundesverkehrsminister von der CSU in den letzten 16 Jahren massiv vernachlässigt haben. Interview: bk

Fragen an Alexander Künzle (FDP)

Ist ein CO2-Aufschlag von 16 Cent auf den Benzinpreis mit den Mobilitätsanforderungen auf dem Land vereinbar?

Irgendwann lassen sich immer weitere Preissteigerungen nicht mehr damit vereinbaren. Darum sind wir der Meinung, dass Abgaben, die sich nicht bewährt haben, abgeschafft gehören. Das Problem beim Benzinpreis ist, dass da zusätzlich zur CO2-Abgabe noch die Mineralölsteuer und die Öko-Steuer zu Buche schlagen. Wir wollen statt dessen eine CO2-abhängige Bepreisung, das heißt Benzin und Diesel dürfen ohne weiteres günstig sein, solange kein CO2 ausgestoßen wird. Wir müssen auf jedem Fall sicherstellen, dass Menschen auf dem Land weiter ihr Auto nutzen können. Aus städtischer Sicht ist es leicht zu sagen, dass man öffentlichen Verkehr nutzen soll. Das wird im ländlichen Raum so schnell nicht funktionieren.

Die FDP fordert ein international abgestimmtes Vorgehen beim Klimaschutz. Gleichzeitig beharrt sie mit der Ablehnung eines Tempolimits auf Autobahnen auf einen deutschen Sonderweg in Europa. Wie erklären Sie den Widerspruch?

Wenn man etwas einschränken will, muss man dafür aus meiner Sicht gute Gründe haben. Ein Tempolimit würde wenig dabei helfen, den CO2-Ausstoß zu vermindern. Der Beitrag wäre marginal.

Auch die Unfallzahlen könnten sinken.

Die Autobahnen sind mit die sichersten Straßen in Deutschland. Die Unfallzahlen sind auch wesentlich niedriger als in vielen anderen Staaten. Das Tempolimit ist ein Symbolthema, das faktisch wenig bringen würde. Deshalb lehnen wir das generelle Tempolimit auf Autobahnen ab.

Die Grünen wollen die Bahn so ausbauen, dass auf Inlandsflüge verzichtet werden kann. Warum polemisiert die FDP dagegen?

Das tun wir gar nicht, denn wir teilen dieses Ziel. Der Unterschied zwischen Grünen und FDP wird immer aufgebauscht, dabei sind wir in diesem Punkt gar nicht weit auseinander. Die FDP hat schon vor zwei Jahren im Europaprogramm ein europäisches Schnellbahnnetz gefordert. Der Unterschied ist, dass wir keine Verbote wollen, sondern ein besseres Angebot für die Bürgerinnen und Bürger.

Auch die Grünen wollen kein Verbot.

Stimmt, das steht nicht explizit im grünen Wahlprogramm. Aber wenn man sich die Äußerungen verschiedener Grünenpolitiker anhört, dann klingen die schon so, als wollten sie Inlandsflüge verbieten. Da gibt es zumindest Interpretationsspielraum.

Die FDP will die Luftverkehrssteuer abschaffen. Damit man weiter für 50 Euro nach London fliegen kann?

Nein. Hinter der Forderung steht der gleiche Gedanke wie bei den Abgaben auf Benzin und Diesel. Wir wollen eine konsequent CO2-abhängige Besteuerung, keine sinnlose Verteuerung, die hinterher niemandem hilft.

Die Luftverkehrssteuer abschaffen und auf den CO2-Preis draufsatteln?

Nicht einfach draufsatteln. Wir wollen den CO2-Preis am Markt entstehen lassen. Wenn mehr verbraucht wird, steigt der Preis.

Im Ergebnis wollen Sie das Fliegen billiger machen.

Es kann sein, dass Fliegen billiger wird, aber nur wenn der CO2-Ausstoß sinkt. Es kann auch sein, dass es sich verteuert. Das wissen wir nicht. Das hängt davon ab, wie gut wir darin sind, CO2 einzusparen.

Die FDP will mehr Wettbewerb auf der Schiene. Kunden würden „von niedrigeren Preisen, mehr Service und einem besseren Angebot im Bahnverkehr“ profitieren. Erklären Sie doch mal die Vorteile, die Bahnpendler im Heidekreis dadurch haben, dass hier keine Züge der Deutschen Bahn verkehren.

Wir haben in Deutschland schlicht und ergreifend das Problem, dass viele privatrechtlich organisierte Bahnunternehmen Töchter staatlicher Unternehmen sind, so auch der Metronom, der durch den Landkreis Rotenburg fährt, und die Start Deutschland GmbH, die ab dem Winterfahrplan den Heidekreis bedient. Die Deutsche Bahn kontrolliert ihre Tochterunternehmen und ist dabei faktisch immer noch ein Staatsbetrieb. So entsteht kein echter Wettbewerb. Wir haben eine andere Vorstellung: Die Bahn-Infrastruktur, vor allem das Schienennetz, sollte in Staatshand bleiben, aber welche Unternehmen das nutzen, sollte privatwirtschaftlich entschieden werden. Natürlich werden sich die Privaten dann die Rosinen herauspicken. Das Problem sehen wir. Aber das ließe sich mit entsprechenden Ausschreibungen und Angeboten lösen, etwa indem man wirtschaftlich attraktive und weniger attraktive Strecken als Paket vergibt.

Die FDP präsentiert sich gerne als innovativ, aber vom Verbrennungsmotor will sie nicht lassen. Trauen Sie der deutschen Automobilindustrie nicht zu, zeitnah vollständig auf E-Mobilität umzusteigen?

Der FDP wird zu unrecht immer unterstellt, sie hinge am Verbrennungsmotor. Tatsächlich sind wir einfach nur technologieoffen. Auch Verbrennungsmotoren lassen sich mit E-Fuels CO2-neutral betreiben. Wir behaupten nicht, dass E-Fahrzeuge nicht funktionieren – ganz im Gegenteil. Wir fordern den schnellen Ausbau der für E-Mobilität notwendigen Infrastruktur mit offenen Zugängen zu den Ladestationen und einfachen Zahlungsoptionen. Wer schon einmal E-Ladestationen genutzt hat weiß, welches Chaos da herrscht. Die Zahlungsoptionen sind bislang von Stadt zu Stadt unterschiedlich, das ist nicht nutzerfreundlich. Bei aller Unterstützung der E-Mobilität muss man aber auch die Grenzen und Probleme sehen, etwa bei den LKW. Die würden, wenn man sie auf E-Mobilität umstellt, wegen der Akkus erheblich schwerer werden. Von daher sind für LKW Alternativen wichtig, zum Beispiel die Wasserstofftechnologie. Wir verteufeln keine Antriebstechnologie, die Menschen und Güter CO2-neutral und möglichst preiswert transportieren kann.

Welche konkreten Schritte zu einer nachhaltigen Mobilität im ländlichen Raum wollen Sie unterstützen?

Wir müssen zügig in den Zertifikatehandel einsteigen und die Steuern senken, um Investitionen in Innovation zu förder und so die konsequente CO2-Bepreisung zu ermöglichen. Interview: ari

Fragen an Volker Körlin (AfD)

Brauchen wir stärkere Regulierungen bei privaten Bautätigkeiten?

Im ländlichen Raum, auch im Umland größerer Städte, ist noch genügend freie Fläche vorhanden. Es kann nicht sein, dass wir nicht zulassen, dass sich Menschen dort ihren Traum vom Eigenheim verwirklichen.

Die Landjugend beklagt, dass in Niedersachsen alle zwölf Tagedie Fläche eines landwirtschaftlichen Betriebs verloren geht. Nicht nur durch die Ausweisung neuer Baugebiete, sondern auch weil Aus- gleichsflächen in der Regel zulasten landwirtschaftlicher Nutzflä- che gehen.

Das hat nicht nur mit Bautätigkeiten zu tun, sondern auch damit, dass zu viele Schutzgebiete ausgewiesen und der Landwirtschaft entzogen werden. Auch da muss man ansetzen, zum Beispiel bei der Renaturierung von Mooren. Die Flächen sollten besser weiterhin der Landwirtschaft zur Verfügung stehen, gegebenenfalls mit ökologischen Auflagen für die Bewirtschaftung und dazu passender Bezuschussung der Betriebe. Die Chance auf ein Einfamilienhaus auf dem Lande muss erhalten bleiben, denn genau deshalb ziehen Menschen aus der Stadt hierher. Bei den Ausgleichsflächen muss man schauen, dass man sie nicht nur der Landwirtschaft entzieht.

Laut Bundesumweltministerium wächst die Siedlungs- und Verkehrsfläche in Deutschland täglich um rund 58 Hektar, das sind etwa 82 Fußballfelder. Auch im Heidekreis werden immer neue Baugebiete ausgewiesen. Ist das wirklich kein Problem?

Natürlich ist das ein Problem. Wir werden aber auch immer mehr Menschen...

...die Bevölkerung schrumpft, aber der Einzelne beansprucht immer mehr Wohnfläche.

Durch starken Zuzug wächst die Bevölkerung schon ein wenig.

Das ist ein Sondereffekt der sehr starken Zuwanderung während derFlüchtlingskrise. Perspektivisch erwarten Bevölkerungswissenschaftler einen Rückgang. Oft leben auf dem Land alte Menschen allein oder zu zweit in zu großen Häusern, in denen früher Familien lebten...

...dann muss man diesen Menschen andere Angebote machen.

Mehr Geschosswohnungsbau?

Wenn viele alte Menschen allein oder zu zweit in großen Häusern auf dem Land oder auf den Höfen leben, muss man ihnen den Umzug in kleinere Häuschen oder Wohnungen ermöglichen. Natürlich ortsnah und freiwillig, niemand soll entwurzelt oder verdrängt werden. Es müssen Angebote sein,die Menschen gerne annehmen. Da sind die Kommunalpolitiker vor Ort gefordert. Den Bau von Einfamilienhäusern verbieten, wie die Grünen das wollen, lehne ich ab.

Das Einfamilienhaus ist trotz schlechter Öko-Bilanz kein Auslaufmodell?

Es muss nicht gleich ein Haus mit 350 Quadratmetern für eine Familie sein. Aber grundsätzlich hat das Einfamilienhaus Vorzüge. Ich möchte da nicht mit der Verbotskeule kommen. Kinder können im eigenen Garten besser spielen als in der städtischen Dreizimmerwohnung.

Die AfD fordert „Wohngeld statt sozialer Wohnungsbau“. Wäre das nicht eine unangemessene Subventionierung der Vermieter? Die müssten ihre Mieten nicht mehr an die Leistungsfähigkeit ihrer Mieter anpassen.

Im Wohnungsbau kann man zwei Strategien fahren. Man kann den Anstieg von Mieten durch Mietendeckel oder Mietpreisbremse begrenzen, dafür gibt es Applaus und Wählerstimmen, aber es entsteht keine einzige zusätzliche Wohnung. Die andere Strategie ist, den privaten Wohnungsbau zu fördern. Das hat in der Vergangenheit gut funktioniert. Wenn das wieder funktionieren soll, brauchen wir Investitionsanreize.

Früher gab es auch mehr sozialen Wohnungsbau.

Und irgendwann wurden die Sozialwohnungen für ’nen Appel und ’n Ei an amerikanische Hedgefonds verkauft.

Ein Fehler?

Ganz klar. Da haben einige Herrschaften mit guten Kontakten abkassiert. Aber den Bestand an Sozialwohnungen bekommen wir nicht einfach zurück. Rückkauf ist sehr teuer und schafft keinen neuen Wohnraum. Wir brauchen Anreize zum Wohnungsbau. Man muss Baukosten in Relation zur Miete setzen. So erhält man eine Kostenmiete. Die muss erzielt werden, damit sich das Bauen rentiert. Bei der Berechnung von Wohngeld ist die Kostenmiete der Maßstab. Wer die nicht zahlen kann, wird unterstützt. Das andere Modell, der Mietendeckel, führt dazu, dass sich Wohnungsbau nicht mehr lohnt und Wohnungsnot größer wird.

Der gerichtlich gekippt Berliner Mietendeckel, auf den sie anspielen, galt nicht für Neubauten.

Die ganze Diskussion ist anlegerfeindlich und verschreckt Investoren. Das ist vielen nicht bewusst. Und wenn der Staat neu in den sozialen Wohnungsbau einsteigen würde, entstünden erneut Riesensiedlungen, die später verkauft werden. Das fördert auch Gettobildung, weil nur bestimmte Personen dort wohnen dürfen. Besser sind genossenschaftliche Modelle, so etwas kann man unterstützen.

Welche Entwicklung bei der weiteren Urbanisierung der Metropolregion wünschen Sie sich? Welche Maßnahmen halten Sie innerhalb der nächsten fünf Jahre für zielführend, was sollte bis 2031 und was innerhalb von 25 Jahren geschehen?

Wenn man die Verkehrswege weiter ausbaut, entsteht ein Mehrwert. Der Heidekreis liegt günstig, Menschen können bei entsprechend ausgebauter Infrastruktur nach Hamburg, Hannover oder Bremen pendeln. Man kann sich aussuchen, wo man sich bewerben möchte. Das ist ein echter Vorteil.

Werden Teile des Heidekreises quasi Vororte von Hamburg und Hannover?

Sündenfälle der Großstädte sollten wir im Heidekreis nicht wiederholen. Siebenstöckige Gebäude mit einer Kostenmiete von 7,50 Euro pro Quadratmeter rechnen sich für Bauträger und Investoren, fördern aber die Gettobildung. Neue Hochhaussiedlungen lehne ich daher definitiv ab. Wichtig ist mir, dass wir in Deutschland zu einer höheren Eigentumsquote bei Immobilien kommen. Interview: ari

Fragen an Kathrin Otte (LINKE)

Freies Bauen versus Flächenverbrauch – brauchen wir schärfere Regulierung?

Unser Leitbild für die Stadtentwicklungs- und Raumordnungspolitik ist der sozialökologische Umbau. Die Linke setzt sich deshalb für eine flächensparende und ressourcenschonende Stadtentwicklung ein, die auf eine Nachverdichtung einhergehend mit Ausweitung und Aufwertung von urbanem Grün, sowie auf Bestand vor Neubau setzt. Spekulation auf steigende Boden- und Immobilienpreise wollen wir mit einem Antispekulationsgesetz unterbinden.

Sie wollen Neuversiegelung von Flächen verringern und Entsiegelungspotenziale identifizieren. Wo sehen Sie in der Lüneburger Heide dafür Ansatzpunkte?

Wenn wir von derzeit täglich 52 Hektar Flächenversiegelung auf null Hektar in 2050 kommen wollen, müssen wir die Nationale Nachhaltigkeitsstrategie bis hin zum Niedersächsischen Weg mit Sanktionierungsmaßnahmen ausstatten. Sonst wird das nicht ernst genommen. Seit Jahren gibt es den Vorschlag, das Militärgelände zwischen Bergen bis Fallingbostel und Ostenholz bis Soltau Süd in ein Biosphärenreservat umzuwandeln. Zu wünschen wäre, Neubauten im Zuge einer zunehmenden Wiederertüchtigung stillgelegter Bahnstrecken entlang dieser anzusiedeln und überflüssig gewordene Parkplätze zu renaturieren. Auch der absehbare Rückgang von Massentierhaltung setzt versiegelte Flächen frei.

Die Linke befürwortet das selbst genutzte Eigenheim, was Baugebietsausweisungen erforderlich macht, will aber im Saldo Flächenversiegelung abbauen. Sehen Sie darin kein Widerspruch?

Die Linke setzt sich für eine nachhaltige, sozial ausgewogene und an den Interessen der Bewohner orientierte Bodenpolitik ein. Durch einen klaren Vorrang der Bestands- und Innenentwicklung vor einer weiteren Ausweisung von Neubaugebieten an Siedlungsrändern, soll die Zersiedelung gestoppt und der Flächenverbrauch deutlich verringert werden. Wie sinnvoll die Ausweisung weiterer Baugebiete ist, müssen die Kommunen vor Ort entscheiden. Viele Arbeitnehmer haben zudem kaum noch die Möglichkeit, Eigentum zu erwerben, weil sie einen Großteil ihres Einkommens für Miete aufwenden müssen. Deswegen benötigen auch diejenigen, die Wohneigentum anstreben, zunächst bezahlbare Mieten.

Ob Mobilitätswende, Agrarwende, Energiewende oder Gesundheitsversorgung, der ländliche Raum bleibt auf der Strecke. Wie wollen Sie für gleichwertige Lebensbedingungen sorgen?

Die Grundlage zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse bildet eine auskömmliche Finanzausstattung der Kommunen. Dies beinhaltet die Übernahme sämtlicher Kosten für Aufgaben, die ihnen durch Bund und Länder in der Vergangenheit übertragen wurden oder werden sowie eine kommunale Altschuldenlösung. Nur so können strukturschwache Regionen flächendeckend eine gute Versorgung und Zukunftsperspektiven für Jung und Alt gewährleisten. Es benötigt zudem angepasster Förderstrategien. Neue Wertschöpfungspotenziale gilt es durch den schnellen Ausbau der Breitbandinfrastruktur zu erschließen. Der Abbau des kommunalen Investitionsstaus sowie der Aufbau eines leistungsfähigen, bezahlbaren und bedarfsgerechten ÖPNV sind weitere wichtige Infrastrukturmaßnahmen. Mit Rekommunalisierungen, Dezentralisierungen sowie gemeinwohlorientierten und genossenschaftlichen Wirtschaftskonzepten wollen wir zudem regionale Wirtschaftskreisläufe stärken.

Sie sagen, die Schuldenbremse wirke sich verheerend auf die kommunale Demokratie aus. Inwiefern?

Die Kommunen bieten uns einen Rahmen, in dem wir leben, arbeiten und uns engagieren. Vom Zustand der Infrastruktur sowie der kommunalen Beteiligungsmöglichkeiten hängt also ab, wie lebenswert das Leben in einer Kommune ist. Investitionen verursachen aber oftmals eine strukturelle Neuverschuldung und dürfen laut Schuldenbremse nicht über Kredite finanziert werden. In der Folge gibt es keine Wohnungen, keine Radwege und keine neue Kita, obwohl diese vielleicht dringend gebraucht würden. In der Bevölkerung entsteht der Eindruck, in einer abgehängten Region zu leben.

Wie soll die Abschaffung der Schuldenbremse finanzschwachen Kommunen an der Peripherie wie beispielsweise Munster helfen?

Die Abschaffung der Schuldenbremse als alleinige Maßnahme wird nicht substanziell weiterhelfen. Aber sie bildet einen der Bausteine, die zur Stärkung finanzschwacher Kommunen zu ergreifen sind.

Welche Maßnahmen wollen Sie in den ersten vier Jahren ergreifen, um den ländlichen Raum am Beispiel des Heidekreises auf die anstehenden Veränderungen vorzubereiten?

Auch für den Heidekreis bilden eine auskömmliche Finanzausstattung sowie die weiteren genannten Schritte ganz konkrete Maßnahmen, um Veränderungen einzuleiten.

Welche Ziele und Maßnahmen streben Sie mittelfristig an?

Diese Frage lässt sich beantworten, wenn die Maßnahmen für die ersten vier Jahre umgesetzt und deren Wirkung evaluiert wurden.

Wie wollen Sie langfristig den Anschluss des ländlichen Raums sichern?

Der Heidekreis ist historisch zweigeteilt: der Süden nach Hannover orientiert, der Norden hin zur Metropolregion Hamburg. Langfristig wird der Klimawandel zum beschleunigten Umbau hin zur regionalen Kreislaufwirtschaft und zum Ausbau regionaler Strukturen und Arbeitsplätze beitragen, mit Förderung von Genossenschaften, Handwerks- und Reparaturbetrieben. Insofern wäre eine „Modellregion regionale Kreislaufwirtschaft“ mit entsprechender Förderung auch für eine finanziell lohnende Konversion in eine ökologische Land- und Forstwirtschaft denkbar. Interview: bk

MobilitätBöhme-Zeitung