Pro Tiefengeothermie

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Unsere Gastautorin Prof. Dr. Inga Moeck ist Professorin für Angewandte Geothermie und Geohydraulik an der Georg-August-Universität Göttingen.

Seit ihrem Bestehen, also seit über vier Milliarden Jahren, erzeugt die Erde Wärme, und zwar in der Erdkruste durch den fortwährenden Zerfall von Gesteinselementen. Physikalisch strömt Wärme immer vom heißen zum kalten Punkt, also vom Erdinneren hin in den Weltraum. Statt diese natürliche Erdwärme an den Weltraum zu verlieren besser energetisch zu nutzen, ist sehr sinnvoll. Und so ist das Alleinstellungsmerkmal der Geothermie klar: erneuerbare Wärme, die grundlastfähig und planungssicher ist.

Über die Hälfte des Primärenergiebedarfs liegt im Wärmebedarf. Eine Energiewende ohne Wärmewende kann also gar nicht gelingen. Auf die Geothermie zu setzen für die Wärmewende ist intelligent, weil sie sehr effizient und ideal koppelbar mit anderen erneuerbaren Energien ist. Bereits jetzt steht eine ganze Bandbreite geothermischer Technologien bereit, die nur noch eingesetzt werden müssen.

Bis zu fünf Kilometer wird gebohrt

Die Wärmewende im städtischen Bereich ist mit der Frage nach er- neuerbarer Fernwärme verbunden. Hier wird die Tiefengeothermie interessant. Die Tiefengeothermie beginnt laut VDI-Richtlinie 4640 ab 400 Meter Tiefe. Bis zu fünf Kilometer wird gebohrt, um 25 Megawatt thermisch zu erzeugen.

Das Beispiel Schwerin zeigt: es muss nicht so tiefgebohrt werden. Schwerin hat Sandsteine in einer Tiefe von gut 1200 Meter angeschlossen und fördert 56 Grad. Diese Temperatur wird durch Wärmepumpen auf etwa 70 Grad, der Vorlauftemperatur des Fernwärmenetzes, gebracht. Die Geothermie ist für Schwerin eine wichtige Etappe auf dem Weg zur CO2-neutralen Kommune. Die mitteltiefe Geothermie nach dem Vorbild Schwerin ist allerdings erst mit dem Technologiefortschritt auf dem Wärmepumpenmarkt möglich, sie muss in unsere Betrachtungen für die zukünftige Energieversorgung neu aufgenommen werden.

Für die mitteltiefe Geothermie Niedersachsens haben wir beispielsweise die Unterkreide, eine sandige Reservoirformation, untersucht. Über acht Megawatt kann eine geothermische Dublette aus der Unterkreide thermisch leisten. So kann die Stadt Emlichheim, die auf Unterkreidevorkommen sitzt, bereits mit zwei Bohrungsdubletten ihren gesamten Wärmebedarf decken. Insgesamt bis zu eine Gigawattstunde Wärme stehen Niedersachsen aus der Unterkreide zur Verfügung, und das als nutzbare Geowärme und unter Einhaltung der Reservoirintegrität, also ohne die Speicherformation zu schädigen.

Manchmal wird Geothermie mit Erdbeben in Verbindung gebracht. Erdbeben an Geothermieanlagen sind untypisch und die Ausnahme. So läuft die älteste Geothermieanlage Deutschlands in Waren/Müritz seit 1984 erdbebenfrei. Erst an neuen Anlagen ist es zu Erdbeben gekommen, insbesondere, wenn sehr hohe Fließraten für die Stromerzeugung im Umlauf sind. Die junge Geothermiebranche, die sich mit dem EEG entwickelt hat, ist hier eine steile Lernkurve gegangen. Heute weiß man, welche geologischen Strukturen als Bohrziel besser gemieden werden sollten, und es ist ein Überwachungs- und Frühwarnsystem entwickelt worden, durch das Erdbeben vermieden werden und ein sicherer Betrieb gewährleistet werden soll. Die vielen Geothermieanlagen in und um München laufen genauso sicher wie die im Oberrheingraben oder in Norddeutschland.

Bei allem, was wir tun und wie wir uns entscheiden, müssen wir immer eine Risikobetrachtung machen. Die Risiken der Geothermie, besonders der mitteltiefen Geothermie für die Wärmeversorgung, sind deutlich geringer als ihre Möglichkeiten. Für Deutschland geht es darum, die Möglichkeiten zu nutzen, vor allem, wenn sie bereits zur Verfügung stehen.

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