Geschlechterrollen im Wandel: Die Kandidaten nehmen Stellung
Fragen an Lars Klingbeil (SPD)
Muss die Frauenquote ausgeweitet werden?
Frauen sind 50 Prozent unserer Gesellschaft. An der Spitze von Unternehmen und in den Führungsebe- nen darunter müssen genauso viele Frauen wie Männer vertreten sein. Das wollen wir auf alle börsennotierten oder mitbestimmten Unternehmen ausweiten. Wir haben schon eine Quote für Aufsichts- räte eingeführt. Mehr Frauen in den Führungsetagen der Unternehmen sind wirtschaftlich sinnvoll und helfen bei einer besseren Unternehmenskultur, in der jede und jeder faire Chancen hat.
Welche Ziele streben Sie über welchen konkreten Maßnahmen zu diesem Themenkomplex in den kommenden vier Jahren an?
Gleichberechtigung ist auch eine Frage der politischen Repräsentation. Politik muss dabei Vorbild sein. Darum setzen wir uns für gesetzliche Regelungen ein, die die Beteiligung von Frauen in den Parlamenten auf Bundes-, Landes und kommunaler Ebene stärken.
Welche Ziele streben Sie über welchen konkreten Maßnahmen zu diesem The- menkomplex in den kommenden zehn Jahren an?
In diesem Jahrzehnt wollen wir die Gleichstellung von Männern und Frauen in allen gesellschaftlichen Bereichen erreichen. Frauen verdienen heute immer noch 18 Prozent weniger als Männer. Das ist ungerecht und muss geändert werden. Wir wollen daher sicherstellen, dass Unternehmen und Verwaltungen gesetzlich verpflichtet sind, Löhne und Gehälter zu überprüfen und Verfahren festzulegen, mit denen Ungleichheiten bei der Entlohnung beseitigt wird, ohne dass sich Betroffene selbst darum kümmern müssen.
Sie wollen Parität auf allen demokratischen Ebenen bis hoch zum Bundestag durchsetzen. Demokratie ist allerdings keine Frage des Geschlechts, sondern eine des Vertrauens. Weshalb ist das Geschlecht für Sie von höherer Bedeutung als Kompetenz, Erfahrung und Akzeptanz der zu wählenden Person?
Frauen können die Jobs genauso gut wie Männer, aber die Strukturen sind über Jahrzehnte anders gewachsen. Da müssen wir ran und dabei helfen auch politische Maßnahmen. Frauen sind 50 Prozent der Bevölkerung. Ich finde, damit stehen ihnen auch die Hälfte der Sitze im Parlament zu. Ich glaube, dass Politik besser wird, wenn mehr Frauen beteiligt sind. Das klappt aber nur, wenn sie eine Chance haben, gewählt zu werden. Deswegen hat die SPD geregelt, dass ihre Gremien mit gleich vielen Frauen und Männern besetzt sind und dass Frauen und Männer auf den Wahllisten abwechselnd stehen.
Das Verfassungsgericht Brandenburg hat das dortige Paritätsgesetz bereits gekippt.
Natürlich muss eine solche Regelung einer Überprüfung durch Gerichte standhalten.
Welche Ziele streben Sie über welchen konkreten Maßnahmen zu diesem Themenkomplex langfristig an?
Für die genannten Grundprinzipien werde ich mich auch künftig stark machen. Wichtig ist mir vor allem, dass wir das Prinzip des gleichen Lohns für die gleiche Arbeit durchsetzen. Das kann über die verpflichtende Überprüfung der Löhne und Gehälter geschehen. Die gesetzliche Grundlage dafür wird eine Weiterentwicklung des Entgelttransparenzgesetzes sein.
Manche Entwicklungen sind auch ohne Gesetz Selbstläufer. Längst studieren mehr Frauen als Männer Medizin, Architektur, Jura, Pädagogik oder Verwaltungswissenschaften. Ist es nicht sinnvoller den Faktor Zeit zu nutzen, statt Frauen das zweifelhafte Label der Quote aufzudrücken?
Ich will, dass wir Gleichstellung verwirklichen und nicht auf sie warten. Und die Frage ist ja: Wenn wir mehr Absolventinnen haben, wo sind die dann in den Chef- etagen? Nur darauf zu hoffen, dass die Zeit die notwendige Veränderung bringt, reicht mir nicht. Ist für Sie auch ein Erzwingen der Gleichbehandlung von Männern in typisch weiblichen Führungspositionen als logische Konsequenz denkbar, zum Beispiel bei der Besetzung der Kita-Leitungsplätze? Der Weg hin zu einer Kita-Leitung ist doch für einen Mann eher erreichbar als für die Frau in die Führungsposition eines großen Konzerns. Ich fände sogar richtig, wenn mehr Männer in die sozialen Be- rufe reingehen. Für deutlich mehr männliche Erzieher brauchen wir auch ein Umdenken bei Berufsbildern. Das ist nur möglich, wenn es auch in typischen Frauenberufen mehr männliche Vorbilder gibt, an denen sich Jungs orientieren können.
Sie wollen die Rente geschlechtergerecht anlegen. Was ist damit gemeint?
Die schwierige, langjährige Pflege von Familienmitgliedern machen oft Frauen. Diese Zeiten dürfen sich nicht mehr negativ auf die Rente auswirken. Altersarmut trifft vor allem Frauen, die sich um ihre Familie gekümmert haben. Unterschiedliche Arbeitszeiten und Familienarbeit bei den Renten werden wir gerechter behandeln. Das ist eine Frage des Respektes vor dieser schweren Aufgabe.
Wäre es da nicht auch konsequent, die selbst erbrachte Pflegedienstleitung am Angehörigen stärker in den Fokus der Entlohnung zu rücken?
Wir haben bereits dafür gesorgt, dass Angehörige mit einem Einkommen unter 100.000 Euro pro Jahr nicht mehr für die Pflegekosten ihrer Eltern herangezogen werden. So müssen sich Eltern nicht mehr sorgen, dass ihre Kinder später für ihre Pflege aufkommen müssen. Wir wollen zudem das Modell der Familienpflegezeit einführen. Wer Angehörige pflegt, soll dabei unterstützt werden, die Pflege mit Erwerbsarbeit zu kombinieren. Das bedeutet: 15 Monate Anspruch auf Unterstützung bei einer Arbeitszeitreduzierung für jeden zu pflegenden nahen Angehörigen. Wichtig ist, dass Unternehmen gezielt auch die Männer ermutigen, dieses Modell zu nutzen. Wir hatten eine ähnliche Debatte übrigens auch bei der Elternzeit. Die Realität hat uns recht gegeben. Interview: bk
Fragen an Carsten Büttinghaus (CDU)
Brauchen wir mehr Frauenquoten?
Mir ist das Thema so richtig erst seit meiner Bundestagskandidatur bewusst. In der Familie und im Bekanntenkreis war Gleichberechtigung immer selbstverständlich. Oft höre ich, dass junge Frauen sich gegen Quoten wenden. Die kämpfen sich hoch und werden respektiert. Ich kenne viele Unternehmerinnen und Frauen in Führungspositionen, hatte oft weibliche Vorgesetzte. Diese Frauen sind selbstbewusst und durchsetzungsfähig. Besonders Frauen unter 50 wollen sich nicht in einer „Opferrolle“ sehen. Klar ist aber auch, dass Frauen vorher für genau diese Gleichstellung gekämpft haben. Wir brauchen Förderkulissen, die verhindern, dass Männer in Betrieben unter sich bleiben. Das funktioniert bei der Polizei seit vielen Jahren erfolgreich.
Die Union ist weniger erfolgreich. Der Anteil weiblicher Mitglieder liegt bei 26,5 Prozent, in der Bundestagsfraktion sit- zen 195 Männer und 51 Frauen.
Klar, dass das jetzt kommt. Aber ich sehe das entspannt. Sie könnten der CDU auch vorhalten, keine Jugendpartei zu sein. Wir sind eine pragmatische Basispartei. Sie kennen den Spruch: Wer unter 30 nicht links ist, hat kein Herz; wer über 30 noch links ist, hat keinen Verstand. Wer Lebenserfahrung hat, wird meist etwas vernünftiger. Daher ist die Volkspartei CDU etwas älter. Insgesamt sind Männer in Sachen Politik etwas offener, über die Gründe lässt sich philosophieren. Viele Frauen legen großen Wert auf Familienleben und wollen nicht parallel in die Politik. Wir haben im Kommunalwahlkampf an viele Türen geklopft und um Frauen geworben.
Parteien mit Quote gelingt das Werben besser.
Tatsächlich? Eine dieser Parteien geriet so stark unter Zugzwang, eine Frau aufzustellen, dass sie einen potenziell fähigeren Kanzlerkandidaten nicht nominiert hat. Das ist kein Vorbild.
Die Nominierung Baerbocks hatte nichts mit der grünen Frauenquote zu tun.
Aber mit der inneren Haltung dieser Partei. Sie musste so entscheiden. Ich bin in Gesprächen mit Frauen aus unseren Reihen zum Entschluss gelangt, keine Quote mitzutragen. Wenn mir Frauen meiner eigenen Basis mehrheitlich sagen, sie wollen das nicht, werde ich das in Berlin nicht unterstützen.
Wie definieren Sie Familie?
Als generationenübergreifendes, partnerschaftliches Gefüge. Das umfasst die Mutter-Vater-Kind-Familie und andere partnerschaftliche Zusammenschlüsse, die auf Vertrauen gründen und sich um ihre Kinder kümmern.
2017 beschloss der Bundestag in offener Abstimmung die Ehe für alle. Von den 245 Unionsabgeordneten votierten nur 75 mit Ja. Wie hätten Sie abgestimmt?
Darüber dachte ich damals intensiv nach. Es gab den Wunsch, den Schutz von Ehe und Familie nicht zu verwäs- sern. Daraus erwuchs bei vielen Unionsabgeordneten der Entschluss zum Nein. Nach langem Abwägen bin ich für mich zu einer anderen Ansicht gelangt. In die kirchliche Ehe sollte sich die Politik nicht einmischen. Es geht allein um die Rechte von Eheleuten, etwa im Krankheitsfall oder im Erb- und Umgangsrecht. Und da sehe ich keine Unterschiede. Hätte ich heute eine Entscheidung zu treffen, fiele sie für die Ehe für alle aus.
Die Hamburger CDU will Behörden das Gendern verbieten. Wie finden Sie das?
Persönlich gendere ich nur in der Anrede. Ich lese ungern durchgegenderte Texte. Es ist bemerkenswert, wie erregt das Thema diskutiert wird. Konzentrieren wir uns auf die richtigen Themen? Daran zweifle ich manchmal. Ich finde: Wenn eine Verwaltung es für richtig hält, soll sie gendern. Ich würde das weder verbieten noch vorschreiben wollen. Wichtig ist, dass sich die Menschen vor Ort angesprochen fühlen. In einer Metropole ist das anders als auf dem Land. Ich sehe das Thema nicht so populistisch, wie es gehandelt wird.
„Lovemobile“ sind vielen ein Dorn im Auge. Schweden und Frankreich haben Prostitution verboten. Der richtige Weg?
Prostitution generell zu verbieten wäre falsch, sie würde nur in den Untergrund verlagert. Ich hatte dienstlich mit dem Rotlichtmilieu zu tun und weiß, was dahinter steht. Strukturierte, gut kontrollierte Prostitution ist in Ordnung. Aber bei Lovemobilen sehe ich das nicht. Da sind die Arbeitsbedingungen miserabel. Hygienevorschriften können meiner Ein- schätzung nach nicht umgesetzt werden. Die Schaufenstersituation, in welcher die Frauen um Freier betteln müssen, finde ich unerträglich. Lovemobile zu verbieten wird schwierig, aber ich würde das unterstützen.
Jeden dritten Tag wird in Deutschland eine Frau von ihrem Partner oder Ex- Partner getötet. Mutmaßlich kam es nun auch im Heidekreis dazu. Was halten Sie von der Forderung, Beziehungstötungen immer als Mord zu bestrafen?
Ich bin sehr dafür, solche Taten hart zu bestrafen. Aber Ermittlungsverfahren sollten offen geführt werden. „Partnerschaftstötung ist immer Mord“ klingt gut, aber die Realität ist komplizierter. Polizei und Staatsanwaltschaften sind gut darin, Sachverhalte aufzuklären und einzuordnen. Wenn auch die Gerichte mitziehen, brauchen wir keine Strafverschärfung.
Welche Maßnahmen streben Sie an, um dem Verfassungsauftrag zur Herstellung echter Gleichberechtigung zu genügen?
Kurzfristig brauchen wir eine Förderkulisse, die Frauen den Zugang ins Top-Management vereinfacht. Es gibt genügend hoch qualifizierte Frauen. Mittelfristig wird ihr Anteil überall steigen. Wir befinden uns in einer hochdynamischen Entwicklung. Mädchen werden heute ganz anders erzogen, wachsen selbstbewusster auf. Wenn diese künftig die Gesellschaft prägen, wird sich vieles von selbst noch weiter verändern. Schon heute lässt sich keine moderne, westlich geprägte Frau ein Rollenbild aufdrängen. Und ich möchte mich für die weitere Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf stark machen. Interview: ari
Fragen an Dr. Michael Kopatz (GRÜNE)
Muss die Frauenquote ausgeweitet werden?
Wir Grünen waren die erste und lange Zeit auch die einzige Partei, die für Parteiämter und Mandate einen mindestens 50-prozentigen Frauenanteil angestrebt und auch umgesetzt hat. Inzwischen wird eine Frauenquote in allen demokratischen Parteien mindestens diskutiert, auch wenn es an der Umsetzung noch hapert. Wir streben einen Frauenanteil von 50 Prozent in allen Führungsebenen der Wirtschaft und der öffentlichen Verwaltung an. Für die rund 3.500 mitbestimmten und börsennotierten Unternehmen streben wir eine verbindliche Frauenquote von 50 Prozent an.
Und nun kurz auf den Punkt: Welche Ziele und konkreten Maßnahmen streben Sie auf dem Themenfeld in den ersten vier Jahren an?
Wir wollen eine deutlich stärkere Repräsentanz von Frauen auf allen Ebenen von Wirtschaft, Politik und Verwaltung, eine deutliche Schließung des Gender-Pay-Gaps, eine deutliche Abnahme von Gewalt gegen Frauen. Eine echte Gleichberechtigung von Frauen und Männern muss immer selbstverständlicher werden.
Rechtlich ist eine rein geschlechtsspezifische Unterentlohnung von Frauen rechtswidrig. Dennoch wollen Sie ein Entgeltgleichheitsgesetz auf den Weg bringen. Was soll das über die bestehende Rechtslage hinaus bewirken?
Der Umstand, dass Frauen im Schnitt 18 Prozent weniger verdienen als Männer, ist schlicht ein Faktum. Diese Differenz wird auch über die Jahre nicht signifikant geringer. Wenn man das für falsch hält – was ich ausdrücklich tue – wird man der Position Ihrer Fragestellung, das sei ja sowieso rechtswidrig und deshalb gäbe es auch keinen Handlungsbedarf, kaum folgen können. Damit Frauen ihre Rechte auch durchsetzen können, brauchen wir ein Verbandsklagerecht. Das Entgeltgleichheitsgesetz muss für alle Unternehmen gelten – nicht nur für die großen. Und Berufe, in denen der Frauenanteil traditionell sehr hoch und die Bezahlung gemessen an den Anforderungen gering ist, müssen grundsätzlich besser bezahlt werden.
Welche Ziele und konkreten Maßnahmen streben Sie mittelfristig und langfristig an?
Noch einmal: Gleichberechtigung von Frauen und Männern muss in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft so selbstverständlich umgesetzt werden, dass gesetzliche Regelungen, die dieses explizit ermöglichen sollen, überflüssig werden, weil gleiche Repräsentanz, gleiche Bezahlung für gleichwertige Arbeit selbstverständlich geworden sind.
Sie wollen Unternehmensgründungen von Frauen über einen Frauen vorbehaltenen Wagniskapitalfonds gezielt fördern. Da die Risikoabsicherung für Frauen und Männer die selben sein dürften, stellt sich die Frage, ob ein solcher Vorschlag nicht reiner Populismus ist?
Da geht es ja nicht um zusätzliches Geld, sondern um die gezielte Vergabe von Mitteln. Frauen werden bei der Vergabe von Wagniskapital vor allem dadurch benachteiligt, dass über dessen Vergabe vielfach Männer entscheiden. Dazu gibt es Untersuchungen, die das bestätigen. Da macht es doch Sinn, die Innovationskraft von Frauen durch gezielte Wagniskapitalfonds zu fördern.
Und dann will die queere Szene auch einen Topf. Sie könnten doch auch schlichtweg bei den für die Vergabe verantwortlichen Mitarbeitern und den Vergabebedingungen für Ausgeglichenheit sorgen, oder?
Bisher ist mir keine Initiative bekannt, die besondere Maßnahmen der Wirtschaftsförderung für queere Menschen fordert.
Sie fordern demokratiebezogene Gleichberechtigung für Frauen überall dort, „wo Entscheidungen getroffen werden, die uns alle betreffen“. Ist den Grünen entgangen, dass Frauen an der Spitze in den Ländern, im Bund und auch in den Kommunen längst zur Normalität gehören?
Stimmt, wir hatten 16 Jahre eine Frau als Bundeskanzlerin, wir haben Ministerpräsidentinnen, Landrätinnen und Bürgermeisterinnen. Aber haben Sie mal nachgezählt? Bei den Ministerpräsidenten stehen zwei Frauen 14 Männern gegenüber. In den Länderparlamenten beträgt der Frauenanteil weniger als ein Drittel und nur knapp zehn Prozent der Landrätinnen sind weiblich. Da ist also noch jede Menge zu tun. Normal wäre überall ein Frauenanteil von 50 Prozent, dann wären Frauen entsprechend ihres Anteils repräsentiert.
Beim Wahlrecht würde eine gesetzliche Parität nach Geschlechtern das Gleichheitsgebot außer Kraft setzen. Das ist verfassungswidrig. Zudem: Im Kreistag des Heidekreises besteht die Grünen-Fraktion nur aus Männern. Denken Sie nicht, dass Menschen Vertrauenswürdigkeit, Persönlichkeit oder Kompetenz wählen wollen, selten aber ein bestimmtes Geschlecht?
Die Vereinbarkeit gesetzlicher Regelungen zur Sicherstellung der Geschlechterparität mit unserer Verfassung ist umstritten. Trotzdem halte ich Regelungen, die das sicherstellen sollen, zumindest für den Bundestag und die Länderparlamente für sinnvoll. Auf kommunaler Ebene sieht das ein bisschen anders aus: Hier haben ja alle Parteien mehr oder weniger das Problem, genügend Menschen zu finden, die sich ehrenamtlich kommunalpolitisch engagieren wollen.
Im Emma-Magazin berichteten Menschen, dass sie ihre Konversionsoperationen bereuen, sich von der Trans-Ideologie getrieben fühlten und warnten vor frühen, unhinterfragten Entscheidungen in der Pubertät. Sollten Minderjährige – mit oder ohne Zustimmung der Eltern – ihr Geschlecht umwandeln lassen dürfen?
Es gibt bei uns seit 40 Jahren genitalverändernde Operationen an Kindern, wenn das Geschlecht nicht eindeutig zuzuordnen ist. Wir Grünen setzen uns dafür ein, dass diese Operationen an intergeschlechtlichen Kindern lückenlos verboten werden, sofern sie medizinisch nicht notwendig sind. Interview: bk
Fragen an Alexander Künzle (FDP)
Brauchen wir mehr Frauenquoten?
Das halten wir in der FDP nicht für zielführend. Auch unter unseren weiblichen Mitgliedern ist die Ablehnung groß. Persönlich lehne ich die Quote zwar nicht komplett ab, aber sie sollte wirklich nur als allerletztes Mittel in Betracht kommen.
Der Frauenanteil in der der FDP liegt bei unter 22 Prozent.
Viel zu niedrig, keine Frage. Aber es ist nicht so, dass die FDP bei diesem Thema stillsteht. Mich und viele andere in der Partei bewegt das Thema seit vielen Jahren. Wir brauchen mehr Angebote für Frauen. Dass eine Quote den Frauenanteil in der FDP erhöhen würde glaube ich aber nicht.
Die Quoten-Parteien Grüne und Linke haben Frauenanteile, von denen die FDP nur träumen kann.
Das stimmt. Der Grund ist aber nicht die Quote. Es liegt an den Angeboten dieser Parteien. Veranstaltungen werden so aufgezogen, dass sie Frauen ansprechen.
Vielleicht deshalb, weil die Veranstaltungen von Frauen mit organisiert werden.
Da gebe ich Ihnen völlig recht. Wir sind als FDP aber auch nicht untätig. Wir haben uns Selbstverpflichtungen auferlegt. Jeder Orts-, Kreis- und Landesverband soll einen bestimmten Anteil an Kandidaturen und Posten weiblich besetzen. In meinem Ortsverband gelingt das ganz gut. Im Heidekreis ist die Vorsitzende eine Frau. Ich glaube, dass es auch in der Wirtschaft so funktionieren könnte. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Es ist leider immer noch so, dass vor allem Frauen sich um Familie und Haushalt kümmern. Gerade Spitzenpositionen bieten aber selten familienfreundliche Bedingungen. Sie können da zurzeit nicht einfach sagen: Mein Kind ist krank, ich muss weg. Sie können nicht einfach in Elternzeit gehen. Da brauchen wir mehr innovative Konzepte. Warum teilen sich nicht zum Beispiel häufiger zwei Personen eine Position?
Solange Sie es nicht einmal in der eigenen Partei schaffen, klingen Ratschläge an die Wirtschaft etwas wohlfeil.
Es wird ja besser bei uns. Wir haben tolle Frauen in der Führung. Agnes Strack-Zimmermann im Bund, Sahra Buss im Landesvorstand.
Gegen Rainer Brüderle und Christian Lindner gab es Sexismus-Vorwürfe. Hat Ihre Partei bei Frauen ein Image-Problem?
Der Fall Brüderle liegt ja nun schon lange zurück ...
... der Fall Lindner ist frischer.
Bei ihm war es eine ungeschickte Äußerung auf einem Parteitag. Das war nicht in Ordnung, da will ich gar nicht drum herum reden. Aber persönlich habe ich ihn niemals frauenfeindlich erlebt. Gäbe es beim Parteivorsitzenden etwas in dieser Richtung, würden Frauen wie Strack-Zimmermann, Linda Teuteberg und Gyde Jensen das gewiss nicht stumm hinnehmen.
Die Ehe für alle kam mit FDP-Unterstützung zustande. Nun will die FDP einen Schritt weiter gehen und die „Verantwortungsgemeinschaft“ einführen. Warum?
Das Familienbild ändert sich rasant. Nicht nur hetero- und homosexuelle Paare mit oder ohne Kinder können Familie sein, sondern zum Beispiel auch Menschen in Dreiecksbeziehungen oder die Senioren einer WG. Familie ist, wo Menschen füreinander Verantwortung übernehmen. Bisher haben aber nur Familienmitglieder im engen Sinn Rechte wie das Besuchsrecht auf der Intensivstation. Diese Lücke wollen wir schließen.
Die CDU hat den Kampf gegen das Gendern für sich entdeckt. Wie halten Sie es mit geschlechtergerechter Sprache?
Ich bin kein Fan davon. Aber wenn andere gendern möchten, finde ich das völlig in Ordnung. Das triggert mich nicht. Gendern sollte weder verboten noch erzwungen werden. Ein entspannterer Umgang damit wäre, glaube ich, auf beiden Seiten angebracht. Soweit ich als – um in der einschlägigen Sprache zu formulieren – heterosexueller, weißer Cis-Mann das beurteilen kann, ist Gendern nicht das größte Problem auf dem Weg zur Gleichstellung.
Würden Sie sich im Bundestag für ein Verbot von Lovemobilen einsetzen?
Es war richtig, Prostitution zu legalisieren und die Frauen aus der Illegalität zu holen. Wichtig sind regelmäßige Kontrollen, zum Beispiel in Bezug auf Menschenhandel. Speziell bei Lovemobilen sehe ich das Problem, dass sie einsam am Waldrand stehen. Wird Frauen Gewalt angetan, dauert es, bis Hilfe kommt. Ich finde daher, dass man diese Art der Prostitution durchaus verbieten kann. Gemeinden müssen dann aber legale Alternativen zur Prostitutionsausübung anbieten. Der Schutz der Frauen muss an oberster Stelle stehen.
In Deutschland wird jeden dritten Tag eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet. Auch im Heidekreis ereignete sich jüngst mutmaßlich ein solcher sogenannter Femizid. Es gibt Bestrebungen, Femizide immer als Mord zu werten. Sie sind Rechtsanwalt. Sehen Sie gesetzgeberischen Handlungsbedarf?
Ich tu mich schwer damit. Politik fordert oft reflexhaft Strafverschärfungen. Die kosten nichts und man zeigt Tatkraft, lö- sen aber das Problem nicht. Mehr Hilfsangebote für gewaltbetroffene Frauen und besser finanzierte Beratungsstellen brächten mehr. Fachlich gesehen sind wir bei Beziehungstötungen auch heute schon ganz schnell bei Mord. Ich würde da auf die Gerichte vertrauen. Über Jahrzehnte hat sich zu diesen Fällen eine differenzierte Rechtsprechung herausgebildet.
Welche kurzfristigen Maßnahmen streben Sie an, um Gleichstellung zu fördern?
Bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, gerade bei höheren Positionen. Zudem müssen Frauen und Mädchen stärker für Mint-Fächer gewonnen werden.
Was sollte innerhalb von zehn Jahren um- gesetzt werden?
Besserstellung von Frauenhäusern und Beratungsstellen. Und mehr Transparenz beim Gender-Pay-Gap. Mittelständische Unternehmen müssen verpflichtet werden, Löhne offenzulegen.
Wo sollten wir in 25 Jahren stehen?
Bis dahin sollte es keine Rolle mehr spielen, ob Posten männlich oder weiblich besetzt werden. Interview: ari
Fragen an Volker Körlin (AfD)
Brauchen wir mehr Frauenquoten, um den Gleichheitsauftrag des Grundgesetzes zu erfüllen?
Der Gleichheitsgrundsatz bemisst sich danach, dass niemand benachteiligt werden darf. Es ist wichtig und richtig, Männern und Frauen die gleichen Chancen einzuräumen. Von Quoten halte ich aber nichts. Man sollte durch Leistung überzeugen. Frauenquoten sind als Ausnahmen begründungspflichtig, überzeugende Begründungen sehe ich nicht.
Mehr als 80 Prozent der AfD-Mitglieder sind Männer, auch Ihre Wähler sind überwiegend männlich. In der AfD-Bundestagsfraktion sitzen 79 Männer und neun Frauen.
Bei uns gibt es weniger Frauen als in anderen Parteien. In der AfD ist das traditionelle Familienbild ausgeprägter. Das verringert die Neigung von Frauen, bei uns mitzumachen.
Gibt es so etwas wie Frauenpolitik in der AfD?
Es gibt den Arbeitsbereich Familie und Soziales, da haben Frauen viel zu sagen.
Frauen machen bei Ihnen nur Familie und Soziales?
Sie können sich selbstverständlich auch in anderen Bereichen engagieren. Alice Weidel zum Beispiel ist Wirtschaftspolitikerin.
Gibt es Bestrebungen, den Frauenanteil in der AfD zu erhöhen?
Wir würden uns über mehr Frauen freuen. Aber wer für die AfD aktiv ist, muss mit negativen Konsequenzen rechnen. Frauen sind dazu seltener bereit. Bei uns wurde einer Frau gekündigt, als sie in einen Kreisvorstand gewählt wurde. Der Arbeitgeber hat zu ihr gesagt: Trete aus der Partei aus, dann stelle ich dich wieder ein. So kam es auch, das ist kein Einzelfall. Ein weiter Punkt ist, dass Frauen aus dem bürgerlichen Lager in ihrem Leben oft andere Schwerpunkte als Politik haben. Politisch aktiv sind eher Frauen, die an ideologischen Weltbildern orientiert sind.
Wollen Sie damit andeuten, dass ausgerechnet die AfD besonders ideologiefrei ist?
Wir lehnen Ideologie ganz klar ab.
Die AfD ist die ideologischste Partei im Bundestag.
Wir hier in Niedersachsen nicht.
Wir reden über Bundespolitik.
Die niedersächsische Landesgruppe in der neuen AfD-Bundestagsfraktion wird komplett ideologiefrei sein. Das kann ich für die Kandidaten der Landesliste wirklich so sagen. Ich weiß, was Sie indirekt sagen wollen. In der AfD gibt es ein Problem mit Ideologie. Aber wir lehnen diese genauso ab wie die Ideologie der anderen Seite. Wir brauchen Sendungsbewusstsein, aber keine Ideologie.
Im AfD-Wahlprogramm wird Gewalt gegen Frauen ausschließlich mit Blick auf Migranten thematisiert, man könnte auch sagen: instrumentalisiert.
„Instrumentalisiert“ finde ich übertrieben. Die spezifischen Probleme von Migrantinnen, die wie Deutsche leben wollen und dafür im schlimmsten Fall ermordet werden, fallen eben besonders ins Auge.
Im Heidekreis wurde in diesem Jahr eine Deutsche ohne Migrationshintergrund mutmaßlich von ihrem ebenfalls deutschen Ex-Partner ermordet.
So etwas gibt es nicht nur unter Muslimen, das ist klar. Beziehungstaten ziehen sich leider durch alle sozialen Schichten. Gewalt und Besitzdenken ist immer abzulehnen.
Dass die AfD das ausschließlich im migrantischen Kontext problematisiert, fällt aber auf. Häusliche Gewalt ohne Bezug zu Migranten wird ignoriert.
Beim Abfassen des Programms haben sich viele Mühe gegeben, etwas zusammenzustricken. Da kann es passieren, dass manche Themen übersehen werden.
Häusliche Gewalt wurde vergessen?
Der Fokus lag wohl stärker auf Dingen, von denen man sich unmittelbar bedroht sieht. Von Islamismus und religiöser Radikalisierung fühlen sich viele bedroht. Aber ich gebe Ihnen recht: Das Programm hat hier ein Defizit, das aufgearbeitet werden muss.
„Das biologische Geschlecht wirkt sich unmittelbar auf viele Verhaltensaspekte von Männern und Frauen aus“, steht im AfD-Programm. Können Sie dafür Beispiele nennen?
Es gibt Berufe, für die Männer eher geeignet sind als Frauen...
...zum Beispiel Politiker? Ihr Parteifreund Albrecht Glaser sagt: „Frauen stehen das, was von uns abverlangt wird, weniger gut durch als Männer“.
Ich interpretiere das so, dass er die Frau als das schwächere Ge- schlecht in Schutz nehmen wollte. Glaser ist schon älter, ich würde das so nicht formulieren. Es gibt aber körperliche Arbeiten, zum Beispiel auf dem Bau, für die Männer biologisch geeigneter sind.
Ihre Partei bekämpft die Ehe für alle. Wovor haben Sie Angst?
Wer sehr konservativ-religiös so- zialisiert wurde, für den gibt es das einfach nicht, dass ein Mann einen Mann heiratet. Nicht alle in der AfD denken so. Aber wir schätzen auch Menschen mit diesem Weltbild und wollen sie als Wähler gewinnen. Ich war 30 Jahre mit Guido Westerwelle politisch befreundet und fand es falsch, als er seinen Partner heiraten wollte. Mag sein, dass ich damals falsch lag. Heute habe ich persönlich nichts gegen die Ehe für alle.
Wenn Nationaltorwart Manuel Neuer eine Mannschaftskapitänsbinde in Regenbogenfarben trägt, nennt Ihr Parteifreund Uwe Junge das eine „Schwuchtelbinde“. Was sagen Sie zu so offener Homophobie in der AfD?
Junge, Junge, kann ich da nur sagen (lacht). Das kann er vielleicht denken oder zu Hause zu seiner Frau sagen. Aber nicht gegenüber der Presse. Ich war aber auch nicht begeistert, als Manuel Neuer die Regenbogenbinde trug. Das war eine Provokation gegenüber Ungarn, so benimmt man sich nicht als Gastgeber.
Sind Sie dafür, Lovemobile zu verbieten?
Prostitution hat es immer gegeben. Würde man sie verbieten, wäre sie nicht weg, sondern bloß wieder illegal. Ich bin für Kontrollen und klare Regeln, um Frauen vor Zwangsprostitution zu schützen, aber gegen ein Verbot. Interview: ari
Fragen an Kathrin Otte (DIE LINKE)
Muss die Frauenquote ausgeweitet werden?
Frauenquoten sind bezogen auf Wirtschaft, Wissenschaft und Politik ein wichtiges und wirksames Instrument, wie Langzeitstudien aus Norwegen bezeugen. Sie sind notwendig, denn Frauen verdienen im Schnitt 19 Prozent weniger als männliche Kollegen im selben Berufsfeld. Das Gesicht des Niedriglohnsektors, der armen Alleinerziehenden und Rentner ist weiblich. Statistiken über häusliche Gewalt belegen zudem die geschlechterspezifische Gewaltstruktur. Ein fortbestehender Mangel an Achtung, Gleichberechtigung und Chancengleichheit ist also noch immer nicht überwunden. Quoten sind Werkzeuge zur Herstellung der im Grundgesetz verbrieften Geschlechtergerechtigkeit.
Sie fordern eine Frauenquote von 50 Prozent in Führungspositionen, haben aber eine rein weibliche Partei-Doppelspitze. Wie erklären Sie diesen Widerspruch?
Bei uns geht es satzungsmäßig um die Mindestquote. Daher gibt es keinen Widerspruch. Eine 50-prozentige Frauenquote in Wirtschaft und Wissenschaft zu fordern, heißt erst mal, die meist völlige Abwesenheit von Frauen in höheren Führungspositionen als Mangel an gleicher gesellschaftlicher Beteiligungsgerechtigkeit sichtbar zu machen und einen Ausgleich zu sichern. Denn alle Appelle an Freiwilligkeit haben ja nicht gefruchtet.
Wie fördern Sie eigentlich Männer im Erzieher-, Lehrer-, Pflege-, Büroassistenz-, Friseur-, ja sogar im Medizinerberuf?
Wir sehen, dass es angeblich typische Berufswahlen von Frauen gibt, die viel mit ihrer sozialen Kompetenz, aber auch mit einer weniger privilegierten Herkunft zu tun haben und auch dadurch bedingt sind, dass Frauen eine Vereinbarkeit von Beruf und familiären Aufgaben suchen und auf ihre eigene berufliche Entwicklung und Rentenabsicherung weniger Rücksicht als Männer nehmen.
Meine Frage zielte auf Förderung von Männern in Frauenberufen ab.
Männer können aus der Debatte um eine 30-Stunden-Woche ebenfalls profitieren, wenn sie die gewonnene Zeit für Familie und Haushalt nutzen. So tragen wir mit einer möglichen Vier-Tage-Woche dazu bei, Gewaltstrukturen aufzuheben und eine Kultur freierer, gleichberechtigter und emanzipierter Menschen zu entwickeln.
Sie treten für eine diskriminierungsfreie Sprache ein. Der Kampf um die Sprache ändert aber nichts an sexualisierter Gewalt und geschlechterungerechter Bezahlung. Weshalb dieses ideologische Handanlegen gegen gewachsene Sprache?
In der Sprache drücken sich immer aktuelle gesellschaftliche Verhältnisse aus und sie ist immer auch einem historischen Wandel unterzogen. Insofern ist ihr Begriff des Handanlegens nahe an den Vorwurf einer Gewalttätigkeit unsererseits zu verorten, dabei haben wir diese Praxis nicht erfunden...
Wie bitte? Das ist doch nicht Ihr Ernst.
Wir verordnen jedenfalls nichts, sondern belegen – wie in vielen Medien – eine Frau nicht mehr mit einem mit Männern assoziierten Begriff und brechen mit der patriarchalischen Praxis, Männer zu den eigentlich Bedeutsamen und Fähigen zu erklären, während Frauen nicht gemeint sind. Sprachgebrauch ändert nicht das Problem, kann aber durchaus das gesellschaftliche Bewusstsein dafür schärfen.
Ihr Wahlprogramm ist mit Sternchen durchgegendert – das lässt sich kaum lesen, aber sicher nicht sprechen.
Die Anpassung der Sprache an tatsächliche gesellschaftliche Verhältnisse ist vielleicht gewöhnungsbedürftig – das wird sich aber verwachsen.
Sie wollen den Frauentag zum gesetzlichen Feiertag machen. Müssten Sie dann aus Gerechtigkeit heraus nicht einen Feiertag der freien Geschlechtlichkeit bevorzugen, um echte Gendergerechtigkeit zu demonstrieren?
Die jahrhundertelange Unterdrückung und Benachteiligung von Frauen fordert von uns nicht dieselben Maßnahmen, wie die bis heute privilegiertere Position von Männern. Wir gehen von einem Gerechtigkeitsgefälle aus und wollen den Zugang zu Mit- und Selbstbestimmung in allen ungerechten gesellschaftlichen Verhältnissen mit den Menschen zusammen herstellen. Der internationale Frauenkampftag am 8. März hat im Übrigen eine über 100-jährige Geschichte, der wir unter anderem das Frauenwahlrecht verdanken.
Welche Ziele und ganz konkreten Maßnahmen streben Sie zur realistischen Erreichung einer sozialistischen Geschlechtergerechtigkeit in den ersten vier Jahren an?
Wir wollen gleichen Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit. Dafür werden wir ein verbindliches Entgeltgleichheitsgesetz samt Verbandsklagerecht einführen. Wir fordern die Abschaffung sachgrundloser Befristung und die Überführung von Minijobs in sozial vollabgesicherte Beschäftigungsverhältnisse. Unfreiwillige Teilzeit wollen wir beenden: Alle Beschäftigten müssen einen Rechtsanspruch auf eine Vollzeitstelle bekommen. Durch die bessere Anrechnung von Kindererziehungs- und Pflegezeiten wird auch unbezahlte Sorgearbeit entsprechend wertgeschätzt. Um die partnerschaftliche Aufteilung von Sorge- und Erwerbsarbeit in den Familien zu fördern, wollen wir den Elterngeldanspruch auf zwölf Monate pro Elternteil verlängern. Zudem braucht es einen zusätzlichen Elternschutz von zehn Tagen bezahlter Freistellung für den zweiten Elternteil nach der Geburt des Kindes. Weitere Punkte sind: Gewaltschutz für Frauen und queere Menschen sowie verbindliche Quoten.
Welche Ziele und konkreten Maßnahmen streben Sie mittelfristig und langfristig an?
Langfristig streben wir eine Gesellschaft an, in der Frauen Männern und nicht binären Menschen gleichgestellt sind. Maßnahmen dazu müssen demokratisch erarbeitet werden. Das bedeutet, die existierenden Bedürfnisse in zehn oder 25 Jahren kontinuierlich abzugleichen. Interview: bk