Thema Pflichtdienst

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Laut Statistischen Bundesamt sind aktuell mehr als vier Millionen Bundesbürger auf Pflege angewiesen. Und die Zahl wird angesichts der Alterung der Gesellschaft weiter steigen. Prognosen gehen von mehr als sechs Millionen Pflegebedürftige bis zum Jahr 2050 aus. Eine gewaltige Herausforderung, wenn man bedenkt, dass die Pflegebranche bereits heute größte Probleme hat, ihren Fachkräftebedarf zu decken.

Zur Bewältigung der zweiten Welle der Coronakrise hat Niedersachsen schon einmal zeitlich befristet die Höchstarbeitszeit in Kliniken und Pflegeheimen angehoben, auf maximal 60 Stunden. Aber allein durch die immer höhere Belastung des vorhandenen Personals lässt sich der Pfle- genotstand nicht beheben. Kritiker befürchten das Gegenteil: Das Image der Pflegeberufe werde sich weiter verfinstern.

Burn-out-Erkrankungen sind in Pflegeberufen weit verbreitet

Schon heute werden sie oft vor allem als schlecht bezahlt und körperlich wie seelisch fordernd wahrgenommen. Altenpfleger und Krankenschwestern rangieren zwar bei Befragungen zu den angesehensten Berufen regelmäßig, zusammen mit Feuerwehrleuten, Polizisten und Erziehern, mit an der Spitze – ganz weit vor den Berufspolitikern, die oft auf dem letzten Rang landen. Aber da schwingt eben, neben der Anerkennung für die Wichtigkeit der Aufgabe, immer auch mit: Das sind so harte Berufe, Hut ab vor denen, die das übernehmen. Eine ambivalente Sicht, geprägt von Respekt ebenso wie Abneigung. In der Pflege sind Dienste in der Nacht, an Wochenenden und Feiertagen, völlig selbstverständlich. Im Berufsalltag mit schweren Themen wie Tod und Leiden konfrontiert zu sein, kann erfüllend und sinnstiftend, aber auch psychisch und emotional belastend sein. Pflegeberufe weisen unter allen Berufen mit die meisten Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund von Burn-out-Erkrankungen auf.

Bundesweit gibt es dabei erhebliche regionale Unterschiede. Der Pflegenotstand verteilt sich ungleich – in der Summe lässt er sich nicht wegdiskutieren. Es ist nicht ganz klar, wie viele Fachkräfte in der Pflege tatsächlich fehlen. Verschiedene Schätzungen kursieren. Arbeitgeberverbände nennen tendenziell niedrigere Zahlen als Gewerkschaften. Einigkeit herrscht allerdings darin, dass sich das Problem allein schon aufgrund der demographischen Entwicklung weiter ver- schärfen wird. Selbst das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln prognostiziert, dass bis 2035 rund 307.000 Pflegekräfte fehlen könnten.

Wenn nicht massiv gegengesteuert wird. Nur wie? Eine Maßnahme, die wohl auf einen Schlag eine große Zahl von, allerdings nicht ausgebildeten, Mitarbeitern in die Pflegebranche spülen würde, wäre ein sozialer Pflichtdienst. Für ihn wirbt der Philosoph Richard David Precht. Ihm widerspricht Pflegewissenschaftler Ph.D. Martin Dichter.

PflegeAndre Ricci