Contra Agrarwende
Unser Gastautor Prof. Dr. Gerhard Breitschuh war bis 2007 Präsident der Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft und bis 2008 Vizepräsident des Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft.
Deutschland verfügt gegenwärtig pro Kopf über so viel (oder so wenig) Agrarfläche, wie künftig jedem Erdenbürger nur noch zur Verfügung stehen wird. Deshalb ist jede in Deutschland nachhaltig erzeugte Tonne Biomasse ein unverzichtbarer Beitrag zur Deckung des global wachsenden Bedarfs an Agrarprodukten.
Eine zukunftsfähige, nachhaltige Landwirtschaft muss gleichermaßen definierte Ansprüche an Wirtschafts-, Umwelt-, Sozial- und Tierverträglichkeit erfüllen. Landwirtschaft und Agrarforschung sind deshalb gefordert, die Wirtschaftlichkeit und die Umweltverträglichkeit ständig zu verbessern. Dies betrifft vor allem die Nutzungseffizienz für Nährstoffe, Wasser und organische Dünger in jedem einzelnen Betrieb sowie den Erhalt einer anspruchsgerechten Kulturartenvielfalt.
Viele Agrarbetriebe beweisen seit Jahren, dass sie diese Anforderungen erfüllen. Stickstoff-Flächen-Salden unter 50 kg/ha, ausgeglichene Salden bei Phosphor, Kali und Humus, die Einhaltung der regionalen Richtwerte für den Pflanzenschutzmitteleinsatz, die Minimierung der Bodendruckbelastungen und eine zunehmende Ausnutzung der Sonnenergie kennzeichnen ebenso wie eine flächenbezogene und tiergerechte Tierhaltung diese Zukunftsfähigkeit. Diese Betriebe bedürfen der öffentlichen Wertschätzung als Gegenpol zu Betrieben, die bezüglich Umweltverträglichkeit und Tierwohl kritikwürdig wirtschaften.
„Konventionelle Landwirtschaft ist global unverzichtbar“
Deutschland soll und kann sich quantitativ selbstversorgen. Die Importe von Südfrüchten, Kakao, Kaffee, Soja, Wein, Honig und so weiter sind durch Exporte von Käse, Fleisch, Milch, Getreide und so weiter auszugleichen. Deutschland – mit seinen privilegierten Standort- und Klimabedingungen – darf zur nationalen Bedürfnisbefriedigung weder Umweltbelastungen noch Treibhausgasemissionen ins Ausland verlagern.
Die effiziente wie umweltverträgliche Landwirtschaft entzieht mit den erzeugten Agrarprodukten der Atmosphäre mehr Kohlendioxid als vom landwirtschaftlichen Produktionsprozess Treibhausgase emittiert werden. Die deutsche Landwirtschaft im Status quo ist klimaentlastend. Die oben genannte Optimierung der landwirtschaftlichen Produktion trägt dazu bei, dass der Carbon Footprint gesenkt und der Treibhausgashaushalt weiter entlastet wird.
Die Extensivierung hingegen bedeutet Verringerung der in Deutschland erzeugten Biomasse, der nationalen Versorgungssicherheit und der Klimaentlastung. Extensivierungsmaßnahmen sind deshalb auf das für den Natur- und Artenschutz erforderliche Maß zu beschränken. Die dazu erforderlichen, vielfältigen Agrar-Umwelt-Maßnahmen sind den Landwirten als gesellschaftliche Leistung zu vergüten.
Effiziente und umweltverträgliche Landnutzung sichert die Deckung des nationalen Biomassebedarfs an Nahrungsmitteln, Energie- und Industrierohstoffen. Sie optimiert die Stoffströme zwischen Boden, Pflanze und Tier, um die Gratisfaktoren, wie Fruchtwechsel, Sonnenenergie und Kohlendioxid optimal zu nutzen. Sie ermöglicht trotz des gegenüber dem Ökolandbau geringeren Subventionsbedarfs eine sozial verträgliche Preisentwicklung für qualitativ hochwertige Agrarprodukte.
Die sogenannte „konventionelle“ Landwirtschaft ist mit einer definiert nachhaltigen hohen Intensität in Deutschland, Europa und global unverzichtbar, solange die Weltbevölkerung wächst und fast eine Milliarde Menschen Hunger leiden.