Pro Agrarwende

Unser Gastautor Prof. Dr. Friedhelm Taube lehrt und forscht an Universität Kiel und ist Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats Agrarpolitik beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft.

Die aktuelle Debatte um die zukünftige Ausrichtung und Intensität der Landwirtschaft in Nordwesteuropa wird geprägt durch zwei Schulen. Auf der einen Seite stehen die Vertreter der nachhaltigen Intensivierung der konventionellen Landwirtschaft für Ertragssteigerungen. Dies folgt dem Paradigma aus den 80er- und 90er-Jahren, wonach Westeuropa einen steigenden Beitrag zur Sicherung der Welternährung einbringen muss.

Tatsächlich verkennt diese Position jedoch, dass seit den 1960er-Jahren die wesentlichen Ertragssteigerungen in den Entwicklungsländern (grüne Revolution) stattgefunden haben. Das gilt bis heute, denn die Ertragslücke zwischen den Ist- und den möglichen Erträgen auf den Feldern bei Verfügbarkeit innovativer Technologien ist insbesondere in Subsahara-Afrika (aber auch in Russland) immer noch riesig, während in Deutschland die Erträge trotz Verfügbarkeit aller Technologien bei bester Ausbildung und Beratung seit 20 Jahren stagnieren. Nur bei Zuckerrüben gelingt es noch, den Zuchtfortschritt bei uns noch auf die Felder zu bringen. Das ist ein Offenbarungseid.

„Landwirten sollten Anreize zum Umstieg gegeben werden"

Der Ursachenkomplex umfasst neben Klimawandeleffekten auch zu spezialisierte Anbausysteme mit zu wenig Kulturarten. Das wäre unproblematisch, wenn wir nicht spätestens seit den 1990er-Jahren über Nitrat im Grundwasser, massive Biodiversitätsverluste und die Herausforderungen durch den Klimawandel diskutierten. Kurz gefasst: Daraus ist die zweite Schule, der ökologische Landbau als Alternative zu hochintensiven Systemen entstanden. Dieser kann zwar bei Biodiversität und Wasserschutz überzeugen, weist aber eine erhebliche Ertragslücke zu konventionellen Intensitäten auf, in Norddeutschland durchaus bis zu 50 Prozent. Die Vertreter dieser Schule fordern dennoch eine Ausweitung des ökologischen Landbaus über das bereits gesetzte Ziel von 20 Prozent der Agrarflächen hinaus.

Wir konzentrieren uns in meiner Kieler Forschergruppe derzeit darauf, ein Konzept „Hybrid-Landwirtschaft – das Beste aus zwei Welten“ zu entwickeln, hin zu einer Umsetzung des europäischen Green Deal, um den Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel zu halbieren und den Mineraldüngereinsatz und die Nitratbelastungen der Gewässer drastisch zu reduzieren. Konkret bedeutet das, dass sich konventionelle Landwirte verpflichten, eine mindestens sechsgliedrige Fruchtfolge zu etablieren und davon 50 Prozent der Kulturen nach Ökolandbaustandards zu bewirtschaften. Eine zentrale Rolle kommt in dieser dreijährigen Öko-Sequenz der Fruchtfolge dem zweijährigen Kleegras als Viehfutter zu, gefolgt zum Beispiel von Hafer nach Ökostandards. Nach diesen drei Jahren Bewirtschaftung nach Ökolandbaustandards folgen drei Jahre nach konventionellen Standards, zum Beispiel mit den Kulturen Raps, Weizen oder Zuckerrüben. Die konventionellen Kulturarten pro- fitieren vom guten Vorfruchtwert der Ökokulturen, sparen so Dünger und Pflanzenschutz. Die Landwirte erhalten für die jeweils dreijäh- rige Bewirtschaftung des Ackers nach Ökostandards ähnliche Beihilfen vom Staat wie mit der Umstellungsprämie zum Ökolandbau.

Der Hybrid-Effekt auf die Erträge wäre im Vergleich zur Ist-Situation marginal negativ, für die Umwelt jedoch extrem positiv, weil es zu einer massiven Verdünnung der Belastungen in der Landschaft käme. Landwirten sollten Anreize zum Umstieg auf Hybridsysteme gegeben werden, für unsere Umwelt und um solche Hybridsysteme mit einem Mehrerlös für die Produkte am Markt zu etablieren. Man kann einen solchen Ansatz als ökologische Intensivierung bezeichnen oder als eine Konkretisierung der Vorschläge der Zukunftskommission zur Weiterentwicklung der Landwirtschaft lesen.

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