Contra Recht auf Homeoffice
Unser Gastautor Thomas Prinz ist Rechtsanwalt und Experte für Arbeitsrecht bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) in Berlin.
Die Praxis in der aktuellen Gesundheitskrise – und zwar bereits vor der Schaffung von gesetzlichen Pflichten für Arbeitgeber und/oder Beschäftigte – hat deutlich gezeigt, dass überall dort, wo es möglich ist, Beschäftigte im Homeoffice arbeiten und auch zur Vermeidung von Infektionsrisiken höchst verantwortungsvoll mit diesem Instrument umgehen. Und genau dort, wo sich gezeigt hat, dass es gut funktioniert, werden Unternehmen und Beschäftigte auch nach der Krise davon flexibel Gebrauch machen. Ein Rechtsanspruch ebenso wie ein Erörterungsanspruch ist daher überflüssig und gefährdet die Akzeptanz sozialpartnerschaftlichen Vorgehens.
Ein gesetzlicher Anspruch auf Homeoffice wäre außerdem ein schwerwiegender Eingriff in die Unternehmensfreiheit und verfassungsrechtlich höchst fragwürdig. Arbeitsort und Arbeitszeit werden vom Arbeitgeber bestimmt und richten sich grundsätzlich nach den Wünschen und Anforderungen der Kunden.
Es droht die Spaltung ganzer Belegschaften
Offen bleibt auch die Frage, welchen Einfluss ein unkonditionierter Rechtsanspruch auf mobiles Arbeiten auf die gesamte Belegschaft eines Unternehmens hätte. Beschäftigte, die ihre Tätigkeit nicht mobil ausführen können, werden sich benachteiligt fühlen, wenn ihre Kollegen sich aussuchen dürfen, wo sie ihre Tätigkeit ausüben. Eine solche subjektive Benachteiligung könnte zu einer Spaltung ganzer Belegschaften führen. Darunter würde der Betriebsfrieden erheblich leiden. Viele der sogenannten systemrelevanten Berufsgruppen, vom Krankenhauspersonal bis zum Beschäftigten an der Supermarktkasse, von einem solchen Anspruch erst recht nicht profitieren würden und sich zusätzlich zurückgesetzt fühlen würden.
Zudem müssen Nachteile vermieden werden, die entstehen, wenn mobile Arbeitskonzepte unzureichend umgesetzt werden. Das soziale Miteinander und die Kommunikation im Betrieb dürfen nicht beeinträchtigt werden. Führungskräfte müssen sich auch im Bereich der virtuellen Führung behaupten und den Zusammenhalt des Teams fördern. Das notwendige gegenseitige Vertrauen von Arbeitgebern und Beschäftigten muss von einem hohen Maß an Eigenverantwortung seitens der Beschäftigten flankiert werden. Wichtig ist es daher insbesondere, dass mobile Arbeitskonzepte auf freiwilliger Basis in erster Linie alternierend mit Präsenzarbeit stattfinden.
Ein Blick in die Zeit vor der Pandemie zeigt sehr deutlich, dass wir beim Einsatz mobiler Arbeit schon viel weiter sind, als es in der aktuellen Diskussion oft dargestellt wird: Rund zwei Drittel der Unternehmen in Deutschland bieten ihren Mitarbeitern die Option zum mobilen Arbeiten an, bei den großen Unternehmen beträgt der Anteil sogar 94 Prozent.
Mobile Arbeit wird fester Bestandteil des Arbeitslebens bleiben, dazu bedarf es keiner bürokratischen Anspruchsregelungen. In Zeiten des aktuellen Fachkräftemangels gehört – dort, wo dies möglich ist - das Angebot mobiler Arbeit zum Gesamtpaket, das attraktive Arbeitgeber ihren Beschäftigten anbieten, um diese zu gewinnen und zu halten. Will man mobiles Arbeiten zusätzlich fördern, so muss man den Breitbandausbau vorantreiben. Man muss das Arbeitszeitrecht im Einklang mit den europäischen Vorgaben flexibilisieren: durch eine Umstellung der täglichen auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit und durch eine Flexibilisierung der Ruhezeiten. Zudem muss der Arbeitgeber die Arbeitszeitaufzeichnungspflichten vollständig an die Beschäftigen delegieren können. Im Bereich des Arbeitsschutzes muss die Eigenverantwortung der Beschäftigten gestärkt werden.