Pro Recht auf Homeoffice
Unsere Gastautorin Dr. Yvonne Lott leitet das Referat Geschlechterforschung am Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der Hans-Böckler-Stiftung. Ihre Schwerpunkte sind unter anderem Arbeitszeiten, flexibles Arbeiten und Work-Life-Balance
Die wachsende Zahl an Zweiverdienst-Haushalten und die sich wandelnden Anforderungen einer digitalisierten Arbeitswelt erhöhen für die Beschäftigten den Bedarf nach mehr örtlicher und zeitlicher Flexibilität, um Beruf und außerberufliche Tätigkeiten wie Kinderbetreuung, Pflege und Weiterbildungen zu vereinbaren. Zudem hat Homeoffice durch die Corona-Pandemie eine enorme Verbreitung erfahren. Beschäftigte wünschen sich, auch in Zukunft mobil arbeiten zu können. Unternehmen haben ebenfalls gute Erfahrungen mit Homeoffice gemacht und werden voraussichtlich daran festhalten. Ein Recht auf mobiles Arbeiten trägt diesen Entwicklungen Rechnung. Ein rechtlicher Anspruch unterstützt die betriebliche Gestaltung von Homeoffice beziehungsweise mobilem Arbeiten, fördert die Legitimität von Homeoffice und schwächt die Präsenzkultur, die die Nutzung von mobiler Arbeit oft verhindert und Karrierenachteile für Beschäftigte im Homeoffice bedeuten kann. Dies betrifft vor allem Beschäftigte mit Kinder- betreuung- und Pflegeaufgaben.
Verbrieftes Recht aller statt Privileg
Darüber hinaus stärkt ein Recht auf mobiles Arbeiten soziale Gleichheit. Denn Beschäftigte auf mittleren bzw. unteren Positionen und Frauen wird Homeoffice häufig verwehrt, selbst wenn die Tätigkeit zu Hause erledigt werden kann. Diese soziale Ungleichheit bestand vor, aber auch teilweise während der Pandemie. Ein Recht auf mobiles Arbeiten macht aus einem Privileg ein verbrieftes Recht für alle. Das hat einen weiteren Vorteil: In Unternehmen, in denen Homeoffice ein Privileg ist, haben Beschäftigte schnell das Gefühl, mit Homeoffice ein Geschenk zu erhalten und etwas zurück geben zu müssen. Dieser soziale Tausch des Gebens und Nehmens erhöht das Risiko, dass Beschäftigte außerhalb des Betriebs länger arbeiten und auch noch spät abends E-Mails beantworten.
Ist mobile Arbeit ein Recht, das Beschäftigte in Anspruch nehmen, verliert dieser soziale Tausch an Bedeutung. Ein rechtlicher Anspruch kann dabei so gestaltet werden, dass all denjenigen, deren Tätigkeit nicht mobil erledigt werden kann, Alternativen angeboten werden, etwa flexible Arbeitszeiten.
Abschließend noch einige Worte zur Gestaltung von Homeoffice bzw. mobilem Arbeiten: Ortsflexibles Arbeiten muss für die Beschäftigten freiwillig sein. Dies ist entscheidend für die Produktivität und Arbeitszufriedenheit. Haben Beschäftigte das Gefühl, sie müssen zu Hause arbeiten, kann das schnell zu Frust und zu einer geringeren Arbeitsleistung führen. Hinzu kommt, dass nicht alle Personen die Voraussetzungen haben, konzentriert und ungestört von zu Hause arbeiten zu können. Die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten, muss also stets flankiert werden durch die Option, im Betrieb zu arbeiten.
Und auf die Mischung kommt es an. Das ausschließliche Arbeiten zu Hause kann zur professionellen Isolation und Einsamkeit führen. Nicht jeder Austausch im Team kann virtuell geschehen, der persönliche Kontakt ist wenigstens ab und zu wichtig. Wie viele Tage Homeoffice letztlich sinnvoll sind, sollten die Vorgesetzten gemeinsam mit den Mitarbeitenden erproben. Vielleicht kann die Arbeitswoche in Meeting-Tage bzw. Tage für persönlichen Austausch im Team und Tage für individuelle Arbeit aufgeteilt werden. Das hätte auch den Vorteil, dass Beschäftigte bei individueller Arbeit seltener unterbrochen werden, was Stress verringert und die Produktivität erhöht.