Zukunft der Arbeit: Die Kandidaten beziehen Stellung

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Fragen an Lars Klingbeil (SPD)

Brauchen wir ein Recht auf Homeoffice?

In vielen Berufen ist Homeoffice nicht möglich, da müssen wir aufpassen, wie wir die Debatte führen. Die Pflegekraft und die Erzieherin können nicht zu Hause bleiben. Die Pandemie hat trotzdem gezeigt, dass es in knapp 35 Prozent der Berufen möglich ist, stärker mobil zu arbeiten. Für uns im ländlichen Raum bietet sich hier eine enorme Chance. Viele in unserer Region pendeln. Wenn wir das mobile Arbeiten stärken, ist das eine Chance, weniger im Stau zu stehen und mehr vor Ort in der Heimat zu sein. Das ist gut für die Ver- einbarkeit von Familie und Beruf, das stärkt den lokalen Handel und auch das Zusammenleben vor Ort.

Beim Anspruch auf mobiles Arbeiten bleibt die SPD mit 24 Tagen per anno hinter den durch Corona gewonnenen Möglichkeiten und praktischen Erfahrungswerten. Woran liegt das?

Viele Arbeitgeber haben Bedenken gegen das Homeoffice. Ich gebe zu, ich hatte das anfangs auch. Ich bin als Generalsekretär mittlerweile verantwortlich für über 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbei- ter in unserer Parteizentrale, dem Willy-Brandt-Haus. Aber es hat in den letzten Monaten sehr gut funktioniert. Man muss gemeinsam Wege beginnen und dabei auch Vertrauen aufbauen. Gesetzlich festgelegte 24 Tage im Jahr sind dafür ein guter Einstieg.

Welche Ziele streben Sie über welchen konkreten Maßnahmen zu diesem Themenkomplex in den kommenden vier Jahren an?

Die Grundlage für mobiles Arbeiten ist der Ausbau der digitalen Infrastruktur. Ein schneller, sicherer und bezahlbarer Internetzugang ist unverzichtbar und Voraussetzung dafür, dass unsere Heimat für junge Familien attraktiv bleibt, für wirtschaftlichen Erfolg und neue Arbeits- plätze. Mein Ziel ist klar: Wir brauchen das Gigabit-Internet bis in jedes Haus und das 5G-Handynetz bis 2025. Durch konkrete, gesetzlich festgelegte Ausbau- und Versorgungsverpflichtungen und entsprechende Zwischenziele. Hier ste- hen auch die Netzbetreiber in der Verantwortung.

Welche Ziele streben Sie über welchen konkreten Maßnahmen zu diesem Themenkomplex in den kommenden zehn Jahren an?

Das wichtigste Thema wird meines Erachtens der rasante Wandel der Arbeits- welt durch die Digitalisierung. Hier brauchen wir mehr Weiterbildung und Qualifizierung. Berufe werden sich verändern, neues Wissen muss aufgenommen werden. Da spielt die Möglichkeit, sich im Erwerbsleben weiterzubilden, eine immer wichtigere Rolle. Das muss auch über den Sozialstaat abgesichert werden. Wir brauchen in den kommenden Jahren auch mehr Co-Working-Spaces bei uns in der Region. ich habe mir gerade dazu ein spannendes Modellprojekt der Landfrauen in Schneverdingen angesehen. Durch deren Ansiedlung hier bei uns können wir auch Menschen aus den Metropolen zu uns in die Region locken und einen kreativen Rückzugsraum bieten.

Die Einführung des Mindestlohns hat den Niedriglohnsektor nicht verändert, er ist nach wie vor europaweit mit an der Spitze. Er hat aber zahlreiche kleine Betriebe zur Aufgabe genötigt. Nehmen Sie die Kritik des deutschen Handwerks, die Anhebung auf 12 Euro werde viele Betriebe überfordern und Arbeitsplätze gefährden, gelassen?

Der Mindestlohn ist eine Erfolgsgeschichte. Darauf bin ich als Sozialdemokrat stolz. Gute Löhne sind wichtig. Der Mindestlohn hat in der Summe keine Arbeitsplätze gekostet, und wir haben die Strukturen unterbunden, die es wenigen Unternehmen möglich gemacht haben, auf dem Rücken der Beschäftigten den Wettbewerb auszutragen. Die meisten Handwerksbetriebe, die ich kenne, bezahlen Tariflöhne, die über dem Mindestlohn liegen. Die Anhebung des Mindestlohns ist richtig, er wird das Leben von zehn Millionen Menschen verbessern. Wir müssen uns doch immer wieder vergegenwärtigen, worum es eigentlich geht: Menschen sollen von ihrer harten Arbeit auch existenzsichernd leben können.

Welche Ziele streben Sie über welche konkreten Maßnahmen zu diesem Themenkomplex langfristig an?

Mit der klimaneutralen Transformation unserer Wirtschaft stehen wir vor einer Jahrhundertaufgabe. Ich will, dass wir diesen Weg gehen und sehe darin eine große Chance, neuen Wohlstand zu schaffen. Wenn wir Wirtschafts- und Klimapolitik miteinander verbinden, sichern wir langfristig gut bezahlte und hochqualifizierte Jobs der Zukunft hier bei uns. Unsere Region hat dafür ein großes Potenzial. Im Heidekreis haben wir einen starken Logistiksektor und sollten auch den Bereich der Energiepolitik vorantreiben, etwa den Wasserstoffsektor. Hier müssen wir die Voraussetzung für neue Arbeitsplätze und eine zukunftsfähige wirtschaftliche Entwicklung schaffen. Das unterstützt der Bund schon jetzt mit Fördergeldern und ich will, dass diese Förderungen weitergehen.

Es gibt noch immer Ausbildungsgänge, in denen Azubis Geld mitbringen müssen und Betriebe, denen ihre Fürsorge- und aktiven Ausbildungspflichten nicht recht bewusst sind. Weshalb ist das in Ihrem Azubi-Pakt kein Thema? Scheuen Sie die Konfrontation mit den Handwerkskammern und Innungen?

Alle Ausbildungsgänge müssen jetzt sehr schnell kostenfrei werden. Das ist so vereinbart in der Regierung. Angesichts des steigenden Bedarfs an Fachkräften werden gute Auszubildende für Unternehmen immer wichtiger. Das merke ich hier in der Region immer mehr, wenn ich mit Unternehmern im Gespräch bin. Betriebe werden sich eine schlechte Behandlung von Auszubildenden gar nicht mehr leisten können, ich muss zugeben, ich kenne auch wenig Fälle, wo das bei uns passiert ist. Wir brauchen eine gute Ausbildung mit guter Bezahlung. Deshalb haben wir als unterste Grenze die Mindestausbildungsvergütung durchgesetzt. Das ist quasi ein Mindestlohn für Azubis. Mit dem Pflegeberufsgesetz haben wir endlich auch bundeseinheitliche Inhalte und die Qualität der Ausbildung geregelt. Interview: bk

Fragen an Carsten Büttinghaus (CDU)

Brauchen wir ein Recht auf Homeoffice?

Mein Eindruck aus Gesprächen mit Unternehmern ist, dass viele Homeoffce als echte Alternative sehen. Einen Anspruch lehne ich aber ab. Nicht jeder Arbeitsplatz und Mitarbeiter ist geeignet. Unternehmer haben mir vermittelt, dass die Unterschiedlichkeit von Persönlichkeiten zu beachten ist. Meint ein Arbeitgeber, dass ein Angestellter in der Firma bessere Leistung liefert, so sollte er nicht verpflichtet sein, Homeoffice anzubieten.

Sie sprachen mit Unternehmern. Arbeitnehmer sehen das vermutlich anders.

Ich bin in der Gewerkschaft der Polizei und im Personalrat, daher auf der Arbeitnehmerseite gut orientiert. Dort gibt es nach meinem Empfinden gar nicht einen so vordringlichen Wunsch nach Homeoffice. Viele arbeiten lieber in der Firma. Da haben sie ein Büro und Ruhe.

Gerade stieg der deutsche Mindestlohn um 10 Cent auf 9,60 Euro. Sind so homöopathischen Mini-Anhebungen nicht beschämend für eine reiche Industrienation?

Der Mindestlohn wird sukzessive weiter steigen, bis Juli 2022 auf 10,45 Euro. Ich verstehe Ihre Frage, kann sie aber nicht eindeutig beantworten. Es gibt im ländlichen Raum Bereiche, da wäre ein höherer Mindestlohn schädlich. Etwa bei Sonderkulturen in der Landwirtschaft wie Heidelbeeren oder Spargel. Da arbeiten Rumänen und Bulgaren zu Löhnen, die sie daheim nicht bekämen. Bei einem Mindestlohn von 12 Euro für Saisonkräfte wäre das bei Heidelbeeren nicht mehr möglich.

Dann müssten die Beeren eben teurer werden.

Wir sind im EU-Binnenmarkt. Im Geschäft liegen dann deutsche Heidelbeeren zum Kilopreis von 5,99 Euro neben denen aus Polen für 2,99 Euro. Ich bin nicht bereit, regionale Wertschöpfung zu opfern. Da geht es um Betriebe, die vor Ort Steuern zahlen. Wir dürfen nicht alles ins Ausland verlagern. In der Pandemie haben wir gesehen, wie wichtig Versorgungssicherheit im Inland ist.

Es gibt Nachbarländer mit höheren Mindestlöhnen: Frankreich, Luxemburg, Holland.

Dienstleistungen und Konsumgüter sind deshalb für Verbraucher dort teurer. Wir haben konkreten Wettbewerb mit Osteuropa. In Polen hat ein Heidelbeerschlag mal eben 500 oder 1000 Hektar. Das sind enorme Flächen.

Die CDU will Arbeitszeiten weiter flexibilisieren. Das richtige Signal in Zeiten, in denen viele über Stress und Burnout klagen?

Vor uns liegt eine der größten Transformationen. Wir sind noch industriell sozialisiert. Ich glaube, dass große Teile der Gesellschaft nicht wissen, was durch Künstliche Intelligenz, Digitalisierung und Quantentechnologie auf uns zukommt. Da geht eine digitale Welt auf, die wir uns noch nicht vorstellen können. Auf dem Weg in die digitale Gesellschaft halte ich höhere Flexibilität, bei Vereinbarkeit mit dem Familienleben, für zeitgemäß. Die EU erlaubt maximal 12 Stunden Arbeit pro Tag. Als Polizist kenne ich noch Dienste, da war ich 36 Stunden durchgehend im Einsatz…

...das sollte kein Vorbild sein.

Aber auch in anderen Bereichen, etwa bei Ärzten, gibt es das. Oder bei Handwerksbetrieben in manchen saisonalen Situationen. Ich sprach mit Handwerkern, deren Chef hatte Arbeitsangebote von drei Baustellen. Er wollte wissen, ob sie die alle machen wollen. Die Angestellten wollten und haben dann, um fertig zu werden, nicht alle Stunden aufgeschrieben. Später wurde das ausgeglichen. So behelfen sich Handwerker, auch am EU-Arbeitszeitenrecht vorbei. Weil es eben Tage gibt, da wird 14 Stunden gearbeitet. Arbeitszeitregeln sollten das abbilden. Ich bin für jede flexible Gestaltung zu haben, unter Beachtung wöchentlicher Höchstgrenzen. Das steigert Wettbewerbsfähigkeit und die Motivation der Mitarbeiter – auch mit Blick darauf, Berufs- und Privatleben unter einen Hut zu bringen.

Ist das Arbeitsverbot an Sonn- und Feiertagen noch zeitgemäß?

Ich glaube nicht. Ich arbeite seit 18 Jahren im Wechselschichtdienst, habe schon lange kein reguläres Wochenende mehr. Dafür wochentags frei. Wichtig ist für mich, dass es geregelte Ruhetage gibt. Der arbeitsfreie Sonntag hat rein kulturhistorische und religiöse Gründe.

Ihre Partei trägt das C im Namen...

Ich schätze christliche Werte. Aber das hat nichts mit dem Sonntag in der heutigen Arbeitswelt zu tun. Viele Menschen müssen am Sonntag ganz selbstverständlich arbeiten. Und es hat auch Vorteile, in der Woche frei zu haben. Man kann Behördengänge und Einkäufe erledigen. Allerdings muss es für Sonn- und Feiertagsarbeit und übrigens auch für Nachtdienste vernünftige Zuschläge geben. Die Nachtentlohnung im öffentlichen Dienst ist gruselig. Ich möchte dort wochentags wenigstens 100 Prozent Nachtzuschlag, an Wochenendnächten 150. Das ist in vielen Industriejobs üblich.

Welche Veränderungen der Arbeitswelt wollen Sie für die kommenden vier, fünf Jahre?

Ich will Lehrberufe stärken. Ein europaweit anerkannter Bachelor ist zwar gut. Aber auch Menschen, die mit einem Hauptschulabschluss in die Lehre gehen, sollten wieder mehr wertgeschätzt werden. Es muss selbstverständlich sein, aus einer Lehre heraus Karriere zu machen, ohne ständig nach einem Studium gefragt zu werden.

Was folgt daraus?

Wir dürfen Berufe nicht weiter überakademisieren. Einen Bachelor für Krankenschwestern würde ich nicht mittragen.

Was muss innerhalb von 10 Jahren passieren?

Der Arbeitsmarkt muss dynamischer werden. Robotik macht viele einfache Jobs überflüssig.

Was sollte nach 25 Jahren erreicht sein?

Das ist seriös kaum zu beantworten. Schauen Sie sich allein die Veränderungen der vergangenen 15 Jahre an. Interview: ari

Fragen an Dr. Michael Kopatz (GRÜNE)

Brauchen wir ein Recht auf Homeoffice?

Ja, wir Grünen treten für ein Recht auf mobiles Arbeiten ein. Das stärkt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, trägt zur Stärkung des ländlichen Raums bei und natürlich auch zur Verkehrsvermeidung. Nur mit einem grundsätzlichen Rechtsanspruch sind Arbeitgeber in der Pflicht zu begründen, warum mobiles Arbeiten im Einzelfall nicht möglich ist. Was wir jedoch nicht wollen, ist eine Pflicht zum mobilen Arbeiten. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen auch das Recht haben, nach einer Zeit des mobilen Arbeitens wieder an den Arbeitsplatz im Unternehmen zurückkehren zu können.

Und nun kurz auf den Punkt: Welche Ziele und konkreten Maßnahmen streben Sie auf dem Sektor Arbeit in den ersten vier Jahren an?

Wir wollen die Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro pro Stunde, die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen, die Einführung eines Rechtsanspruchs auf Weiterbildung mit einer sich am bisherigen Erwerbseinkommen orientierenden Alimentierung von Zeiten der Weiterbildung und die Abschaffung des Gender-Pay-Gaps, also die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern für gleichwertige Arbeit, erreichen.

Wie stehen Sie zur Kritik des deutschen Handwerks, die Anhebung des Mindestlohns werde viele Betriebe überfordern und Arbeitsplätze gefährden?

Diese Kritik gab es bereits 2015, als der Mindestlohn von 8,50 Euro eingeführt wurde und war damals nachweislich falsch, weil in der Folge mehr Arbeitsplätze entstanden sind, und sie ist auch heute noch falsch. Wirtschaftspolitisch haben wir ein Nachfrageproblem, und mit höheren Einkommen in den unteren Einkommensgruppen steigern wir die Nachfrage.

Wie wollen Sie den Niedriglohnsektor austrocknen, wenn bereits die Einführung des Mindestlohns zu keiner Veränderung im Niedriglohnsektor geführt hat?

Der Niedriglohnsektor kann nur dann ausgetrocknet werden, wenn der Mindestlohn ausreichend hoch ist und gleichzeitig sowohl Umgehungsmöglichkeiten wie zum Beispiel Werkverträge in der Fleischindustrie oder im Reinigungsgewerbe abgeschafft werden, als auch die Einhaltung des Mindestlohns wirksam kontrolliert wird.

Welche Ziele und Maßnahmen streben Sie in den kommenden zehn Jahren auf dem Sektor Arbeit an?

Wir stehen vor erheblichen Umbauprozessen unserer Wirtschaft und damit auch unserer Arbeitswelt. Als Stichworte seien die Herausforderungen der Digitalisierung und der klimagerechte Umbau unserer Wirtschaft genannt. Dadurch entsteht erheblicher Qualifizierungsbedarf, und es entstehen neue Herausforderungen im Bereich der Berufsausbildung, da sehr schnell neue Inhalte und Qualifikationen in der beruflichen Bildung vermittelt werden müssen. Deshalb brauchen wir ein Recht auf Weiterbildung und eine den bisherigen sozialen Standard sichernde Alimentierung von Phasen der Weiter- bildung. Sowohl im Bereich der Berufsausbildung wie auch der beruflichen Weiterbildung müssen die Berufsbildenden Schulen eine stärkere Rolle übernehmen.

Welche langfristigen Ziele und Maßnahmen sind in den nächsten 25 Jahren für Ihr Ideal von Arbeit wichtig?

Menschen müssen für gute Arbeit angemessen entlohnt werden. Außerdem sollte die Balance zwischen Arbeit und Freizeit stimmen. In der Tendenz sollten die Regelarbeitszeiten gekürzt werden.

Vollbeschäftigung in einer 35-Stunden-Woche bei Beseitigung des Niedriglohnsektors ist ein hehres Ziel, das noch keiner Regierung gelingen konnte. Können Sie nachvollziehen, dass solche Versprechungen für überheblich oder populistisch erachtet werden?

Absolut nein, denn es gibt dazu keine vernünftige Alternative. Technologische Innovationen, um den Herausforderungen des Klimaschutzes zu begegnen, werden weltweit nachgefragt. Als führende Industrienation mit gut ausgebildeten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern können wir uns den Herausforderungen stellen, und wir ha- ben auf den internationalen Märkten nur dann eine Chance, wenn wir hier mutig vorangehen.

Sie riskieren aber mit der Mobilitäts- und Energiewende die großen Industrien und Mittelständler etwa in der Auto- und Autozulieferindustrie.

Selbst wenn die deutsche Autoindustrie auf die Idee käme, weiterhin Verbrenner bauen zu wollen, sie hätte damit schon auf mittlere Sicht keine Chance mehr. Gleichzeitig muss es uns gelingen, die soziale Spaltung zu überwinden. Nur so ist politische Stabilität, die nicht zuletzt auch Grundlage von Wohlstand ist, dauerhaft zu sichern. Welcher politische Sprengstoff in wachsender sozialer Ungleichheit liegt, konnten wir 2017 bis 2020 in den USA beobachten.

Laut Wahlprogramm setzen Sie für eine gerechte Arbeitspolitik auf Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Ausbildung. Streben Sie einen Sozialismus an, der Spitzenforscher, Topmanager und zuletzt ganze Branchen abwandern lässt?

Nein, absolut nicht. Aber wir müssen bestehende Ungerechtigkeiten angehen: Seit 2010 haben die zehn Prozent der Beschäftigten mit den niedrigsten Einkommen real sogar Verluste erlitten, und die höchsten realen Einkommenszuwächse lagen bei den zehn Prozent mit den höchsten Einkommen. Wenn wir dafür sorgen, dass die Schere nicht immer weiter auseinandergeht, hat das mit Gleichmacherei nichts zu tun. Außerdem: Zurzeit ist ein Masterstudium kostenfrei, die Ausbildung zum Handwerksmeister kostspielig. Gleichwertigkeit beruflicher und akademischer Ausbildung heißt unter anderem, dass auch die Ausbildung zum Handwerksmeister kostenlos sein muss. Interview: bk

Fragen an Alexander Künzle (FDP)

Brauchen wir ein Recht auf Homeoffice?

Davon halten die FDP und auch ich persönlich nichts. Das wäre ein massiver Eingriff in die Betriebe, verbunden mit zusätzlicher Bürokratie. Irgendjemand müsste das ja kontrollieren und durchsetzen. Es würde sich immer die Frage stellen, ob Homeoffice überhaupt umsetzbar ist. Ein Dachdecker kann kein Homeoffice machen, aber nicht alle Fälle sind so eindeutig. Oft wäre es eine schwierige Entscheidung. Ein Rechtsanspruch ist da keine gute Idee. Wir setzen auf Freiwilligkeit, aber mit gewissem Druck dahinter. Arbeitnehmer sollen das Recht bekommen, Homeoffice zu beantragen und Arbeitgeber sollen verpflichtet werden, sich ernsthaft mit dem Anliegen zu beschäftigen. Eine Erörterungspflicht. Ablehnung muss begründet werden. Im Idealfall bewegen sich beide Seiten aufeinander zu. Vielleicht wird der Arbeitgeber auf eine neue Idee gebracht, die ihn zu einer Neubewertung bringt.

Und wenn man sich nicht einigt?

Dann entscheidet letztlich der Arbeitgeber.

Auch den gesetzlichen Mindestlohn hat die FDP immer bekämpft. Die negativen Folgen, vor denen Ihre Partei gewarnt hat, traten nie ein. Haben Sie inzwischen Ihren Frieden mit dem Instrument gemacht?

Richtig ist, dass der Mindestlohn nicht die befürchteten negativen Folgen hatte. Deshalb sagen wir ganz klar: Der bleibt bestehen, auch wenn die FDP der kommenden Bundesregierung angehören sollte. Eine problematische Sache, die vorhergesagt wurde, ist aber doch eingetreten: ein Überbietungswettbewerb. Nachdem die SPD die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro fordert, reagiert die Linke und verlangt 13 Euro. Ich kann nur davor warnen, die Politik allein über die Höhe des Mindestlohns entscheiden zu lassen. Der würde damit zum Spielball der Parteien. Das bestehende Verfahren, in dem eine Kommission anhand der allgemeinen Kostenentwicklung über die Höhe des Mindestlohns entscheidet, sollte beibehalten werden.

Die FDP möchte Arbeitszeiten weiter flexibilisieren. Schon heute gibt es rund um die Uhr geöffnete Supermärkte und überall Ganztagsschulen, gleichzeitig steigen Krankschreibungen wegen psychischer Leiden wie Burn-out auf Rekordstände. Müssten wir nicht eher einen Gang zurückschalten, statt immer noch flexibler sein zu wollen?

Vielleicht. Aber wenn ich sehe, welche Herausforderungen auf uns zukommen, dann komme ich doch eher dazu, dass wir mehr Flexibilität brauchen. Es ist ja nicht so, dass die FDP gesetzliche Arbeitszeitbegrenzungen abschaffen will. Nehmen wir das Beispiel Bau: Dort darf man maximal zehn Stunden am Tag arbeiten. Besser wäre es meiner Meinung nach, man würde die maximale Wochenarbeitszeit festlegen. Es sollte möglich sein, zum Beispiel an zwei Tagen in der Woche zwölf Stunden zu arbeiten und dafür an einem anderen Tag entsprechend weniger. Wir wollen es ermöglichen, so etwas innerbetrieblich auszuhandeln. Pausenzeiten und Abstandsregeln zwischen den Dienstzeiten müssen dabei natürlich gewahrt bleiben.

Das mag für Singles seinen Reiz haben. Familienfreundlich ist es aber nicht.

Das sehe ich anders. Gerade für Familien kann es ein Riesenvorteil sein, wenn Arbeitszeit flexibel aufgeteilt wird. Einer kann dann vielleicht drei Tage die Woche arbeiten und sich an den anderen Tagen ums Kind kümmern. Und der Partner oder die Partnerin macht es ebenso, man stimmt sich ab. Das passt zu der Entwicklung, die wir sehen. Es ist ja nicht mehr wie früher, in der klassischen Familie mit einem immer arbeitenden Vater und einer Mutter, die zu Hause bleibt. Heute gibt es variierende Lebensmodelle. Das erfordert Flexibilität. Dem wollen wir entgegen kommen, ohne dass der Arbeitnehmerschutz darunter leidet.

Was ist mit dem Arbeitsverbot an Sonn- und Feiertagen?

Auch an diesen Tagen sollte gearbeitet werden können. Dass Supermärkte nicht öffnen dürfen, ist nicht mehr zeitgemäß. Ich kenne die Situation in Rostock-Warnemünde, dort dürfen Supermärkten während der Touristensaison an allen Tagen öffnen. Das kann man der Konkurrenz in der Innenstadt, die dieses Privileg nicht hat, schwer vermitteln. Diese Ungleichbehandlung macht keinen Sinn. Wenn man sich im Ausland umguckt wird klar, dass es sich um einen sehr deutschen Sonderweg handelt.

Sonntags- und Feiertagszuschläge wollen Sie aber beibehalten?

Ja, denn ein gewisser Sonderstatus von Sonn- und Feiertagen sollte bestehen bleiben. Aktuell ist das Arbeiten an diesen Tagen aber grundsätzlich verboten und es gibt nur sachlich begründete Ausnahmen davon. Ich will weg von dieser Begründungsnotwendigkeit.

Die Arbeitswelt wandelt sich. Für welche Veränderungen würden Sie sich im Bundestag in den kommenden vier, fünf Jahren einsetzen?

Mit 16 in die Ausbildung und dann bis zur Rente im gleichen Job und Unternehmen, so etwas gibt es nicht mehr. Daher müssen wir mehr für Fort- und Weiterbildung tun. Jedem Bürger muss ein Midlife-Bafög für Fortbildung zur Verfügung stehen. Dafür muss ein Fonds eingerichtet werden, in den Arbeitnehmer und -geber sowie der Staat einzahlen.

Was sollte innerhalb von zehn Jahren geschehen?

Der Anteil hoch qualifizierter Arbeit wird weiter steigen und damit die Anforderungen. Das heißt, dass wir bei der Erwachsenenbildung noch mehr tun müssen, ganz neue Strukturen brauchen, auch an den Universitäten.

Was wäre Ihr Langzeitziel nach 25 Jahren?

Was wir heute als „gebrochene Karrieren“ bezeichnen, wird völlig normal sein. Wenn wir die skizzierte Politik umsetzen, sind wir dafür gerüstet und werden Vollbeschäftigung haben. Beim Lohnniveau müssen wir in der Weltspitze zu bleiben. Interview: ari

Fragen an Volker Körlin (AfD)

Brauchen wir einen Rechtsanspruch auf Homeoffice?

In der Pandemie wurde aus der Not heraus mobiles Arbeiten von zu Hause angeordnet. Wohnzimmer und Küchen dienten als Büro-Ersatz. Das ging halbwegs, ist aber kein echtes Homeoffice. Im Homeoffice gelten arbeitsrechtliche Schutzvorschriften. Arbeitnehmer benötigen einen eingerichteten Arbeitsplatz. Das geht nicht am Küchentisch. Der Arbeitgeber muss für die angemessene Ausstattung sorgen. Daher sollte er nicht zur Homeoffice-Gewährung verpflichtet sein. Oft ist Homeoffice auch gar nicht umsetzbar.

Einen Anspruch soll nur genießen, wer grundsätzlich im Homeoffice arbeiten kann.

Ob das gegeben ist, bewerten Arbeitgeber und -nehmer aber oft unterschiedlich. Arbeitgeber haben jedoch ein Weisungsrecht, so steht es seit über 100 Jahren im BGB. Das sollte man anerkennen.

Die AfD möchte den gesetzlichen Mindestlohn „beibehalten“. Die Debatte dreht sich aber vor allem um die Anhebung des Stundenlohns. Wie stehen Sie dazu?

Der Mindestlohn wird regelmäßig in kleinen Schritten angehoben, zuletzt am 1. Juli 2021 auf 9,60 Euro. Er sollte weiterhin langsam steigen. Was nicht geht, sind sprunghafte Erhöhungen. Das brächte manche Unternehmen in betriebswirtschaftliche Schwierigkeiten. Je schneller der Mindestlohn steigt, desto unsicherer werden die Arbeitsplätze.

Im AfD-Programm geht es viel um Re-Nationaliserung, sogar die Rückkehr zu nationalen Währungen wird gefordert. Wie passen derart rückwärtsgewandte Vorstellungen zu einer modernen, internationalisierten Arbeitswelt?

Vor dem Euro nutzten Länder wie ItaliendieMöglichkeit,ihre Währung abzuwerten, um Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Der Fiat war nicht unbedingt besser als der Golf, aber er war günstiger. Heute steht Italien wegen der gemeinsamen Währung stark unter Druck. Das Land ist nicht mehr so konkurrenzfähig wie früher.

Sie wollen nationale Währungen, um Italien zu helfen?

Wenn wir einen homogenen EU-Wirtschaftsraum hätten, sähe alles anders aus. Wir haben aber strukturelle Unterschiede, und das innerhalb einer Währungen auszugleichen, ist schwer. Eine Transferunion mit Deutschland als Hauptzahler lehnen wir ab. Deutschland trägt bereits heute enorme Haftungsrisiken. Die sogenannten Target-2-Salden belaufen sich auf mehr als eine Billion Euro. Das Geld sehen wir niemals wieder.

Wie stehen Sie zur EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit?

Wenn Sozialstandards eingehalten werden, habe ich nichts dagegen. Die Standards sind aber innerhalb der EU unterschiedlich, das ist ein Problem. Re-Nationalisierung böte die Chance, Regierungen wieder stärker in die Pflicht zu nehmen, statt alles auf die EU-Kommission zu schieben.

Wie sehen Sie die Globalisierung: Chance oder Risiko?

Segen und Fluch zugleich. Viele wettern gegen die Globalisierung und fliegen im Sommerurlaub nach Thailand. Wenn Auto-Ersatzteile billiger werden, weil sie aus China kommen, beschwert sich niemand. Wenn als Folge Arbeitsplätze abwandern, aber schon. Ich würde die Globalisierung zumindest dort einschränken, wo sie besonders problematisch ist. Zum Beispiel waren wir in der Corona-Krise bei der Beschaffung von Mund-Nase-Masken auf das Ausland angewiesen, in Deutschland werden die nicht mehr hergestellt. Bei Medikamenten und medizinischen Test-Sets ist es ähnlich. Es darf nicht sein, dass wir unsere Bevölkerung nicht aus eigener Kraft medizinisch versorgen können, weil die pharmazeutische Industrie ihre Produktion nach Asien verlagert.

Sie waren lange FDP-Mitglied. Ihre alte Partei fordert die Auflo- ckerung des Arbeitsverbots an Sonn- und Feiertagen. Sie auch?

Wo kämen wir da hin? Südländer arbeiten, um zu leben, Deutsche leben, um zu arbeiten. Da brauchen wir einen Ausgleich. Die Coronazeit hat gelehrt, wie wichtig gemeinsame Freizeit ist. Rücksichtslose Flexibilisierung ist außerdem mittelstandsfeindlich. Profitieren würden nur Großkonzerne. Wenn Läden rund um die Uhr öffnen, verteilen sich Umsätze auf eine längere Zeitspanne, ohne unbedingt größer zu werden. Da können kleine Betriebe nicht mithalten.

Wo liegt die Zukunft der Arbeit? Für welche Veränderungen wollen Sie sich bis 2026 einsetzen?

Das erste wäre wohl die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags.

Das nutzt nur dem reichsten Teil der Bevölkerung, alle anderen sind doch bereits befreit.

Auf Kapitalerträge muss der Soli noch gezahlt werden, das trifft auch Kleinsparer. In Deutschland wird gern jeder Aktionär zum Kapitalisten gestempelt, aber das ist falsch. In den USA ist die Aktienanlage verbreiteter, und die leben gut damit.

Welche Entwicklung wollen Sie in den kommenden zehn Jahren un- terstützen?

Wir müssen mehr Betriebe dazu bringen, sich in Europa anzusiedeln. Produkte für Europa sollten in erster Linie in Europa produziert werden.

Klingt nach Donald Trump...

Trump hat Teile der Stahlindustrie zurückgeholt und dadurch Arbeitsplätze im Rust-Belt der USA geschaffen. Dafür sind ihm die Wähler dort dankbar. So was vermisse ich in Deutschland.

Wohin sollte sich der deutsche Arbeitsmarkt in 25 Jahren entwi- ckeln?

Wir können unsere Staatsgläubigkeit nicht ablegen, da sind die USA im Vorteil. Dort bekommen Kleinbetriebe viel direkter und unkomplizierter Kredite als bei uns, wo Geschäftsbanken bürokratisch aufwendig staatliche KfW-Fördermittel auszahlen.

Europa sollte sich am Arbeitsmarkt der USA orientieren?

In den USA gibt es kein Sozialsystem, insoweit sind sie für mich kein Vorbild. Ich bin auch erklärter Gegner des Transatlantischen Freihandelsabkommens TTIP. Interview: ari

Fragen an Kathrin Otte (DIE LINKE)

Brauchen wir ein Recht auf Homeoffice?

Viele Arbeitgeber verließen sich schon vor Corona auf Scheinselbständige und Werkvertragspartner, die von zu Hause oder unterwegs aus ihre Dienste verrichten. Das Problem der ständigen Erreichbarkeit ist weit verbreitet. Offensichtlich haben Arbeitgeber kein Problem damit, ihre Mitarbeiter auch zu kontaktieren und einzuspannen, wenn diese nicht im Unternehmen präsent sind. Wir vertreten unsere Forderung in jedem Fall im Interesse der Beschäftigten.

Sie fordern eine Höchstarbeitszeit von maximal 40 Stunden pro Woche. Wie wollen Sie verhindern, damit Pflege, Medizin und Unternehmen mit saisonalen oder marktbedingten Stoßproduktionsphasen zu gefährden?

Die Beschäftigten in Deutschland leisten jährlich zwischen 1,6 bis 2 Milliarden Überstunden, meist unbezahlt. Die deutsche Wirtschaft ist also strukturell gekennzeichnet von Überbeschäftigung auf der einen, Erwerbslosigkeit oder Unterbeschäftigung auf der anderen Seite. Es bestehen reichlich Möglichkeiten, den Personalstand in Produktionsspitzen zu erhöhen. Grundsätzlich bleiben Saisonschwankungen ein Problem bei der Produktionsplanung unabhängig von der Wochenarbeitszeit. Auch vor der Einführung des Acht-Stunden-Tages wurde der Untergang des Abendlandes vorausgesagt – die damals durchgesetzte Reduzierung der regulären Arbeitszeit belief sich im 19. Jahrhundert auf bis zu 50 Prozent und war machbar.

Und nun kurz auf den Punkt: Welche Ziele und Maßnahmen streben Sie auf dem Sektor ArbeitindenerstenvierJahrenan?

Wir wollen das Betriebsverfassungsgesetz erweitern um ein Mitbestimmungsrecht von Belegschaften und Öffentlichkeit in wirtschaftlichen Fragen. Unternehmen, die öffentliche Hilfen in Anspruch nehmen, dürfen nicht gleichzeitig Dividenden an ihre Anteilseigner oder Boni an Vorstände auszahlen. Der gesetzliche Mindestlohn wird auf 13 Euro erhöht.

Das treibt auch die Preise in die Höhe.

Wenn jemand erst Null Euro in der Tasche hat und dann zehn, hat sich seine Kaufkraft um zehn Euro erhöht. Selbst bei einer Inflation von zehn Prozent wären die zehn Euro nach einem Jahr noch neun Euro wert. Ein entsprechender Mechanismus kommt auch zur Wirkung, wenn zum Beispiel Einkommenssteuersätze gesenkt werden. Dann bleibt Menschen mehr Netto vom Brutto und ihre Kaufkraft steigt. Auch Konjunkturaufschwünge, Investitionsschübe und schrumpfende Arbeitslosigkeit gehen in der Regel mit steigender Nachfrage, steigenden Löhnen und steigender Inflation einher. Niemand käme deshalb auf die Idee, diese Entwicklungen zu unterbinden, weil steigende Inflation die Einkommenszugewinne auffressen könnte.

Was noch?

Zuschläge und Sonderzahlungen dürfen nicht mit dem Mindestlohn verrechnet werden. Sämtliche Ausnahmen vom Mindestlohn werden gestrichen. Die Einhaltung des Mindestlohns muss einer strengen Kontrolle unterzogen werden über eine Pflicht zur elektronischen Arbeitszeiterfassung, häufigere Kontrollen und eine Verdoppelung der Zoll-Kontrolleure und eine offizielles Meldeportal gegen Betrug. Tarifbindung muss für alle Unternehmen und Branchen gelten. Dafür muss die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften gestärkt und Tarifverträge leichter für allgemeinverbindlich erklärt werden können. Letzteres muss auf Antrag einer Tarifvertragspartei möglich sein. Das Vetorecht der Arbeitgeberseite im Tarifausschuss gehört abgeschafft. Alle für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge müssen zwingend auch für temporär nach Deutschland entsandte Beschäftigte gelten. Wir wollen Leiharbeit verbieten. Es muss ein Ende haben, dass Arbeitsagenturen und Jobcenter Erwerbslose in solch unwürdige Arbeitsverhältnisse zwingen. Um gleiche Entgelte für Frauen und Männer durchzusetzen, brauchen wir ein Verbandsklagerecht. Ob Minijob oder Soloselbstständige: Wir wollen sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse ab dem ersten Euro. Den Mindesturlaubsanspruch wollen wir schrittweise auf 36 Werktage anheben. Wir brauchen eine Verordnung zum Schutz vor Gefährdung durch psychische Belastung bei der Arbeit, ein Recht auf Weiterqualifizierung mit sozialer Absicherung, für Letzteres einen Weiterbildungsfonds, in den alle Unternehmen einer Branche einzahlen. Das sind nur einige Forderungen unseres Programms.

Welche Ziele und Maßnahmen streben Sie in den kommenden zehn Jahren auf dem Sektor Arbeit an?

Da wir voraussichtlich bei der Wahl keine absolute Mehrheit erreichen werden, ist auch nicht abzusehen, dass wir sämtliche Vorhaben aus unserem aktuellen Wahlprogramm in der nächsten Wahlperiode werden umsetzen können. Was wir in den kommenden vier Jahren nicht umsetzen können, bleibt als zu ergänzende oder an veränderte Umstände anzupassende Anregung übrig für die nächsten Jahre, die vorhersehbare, bestimmt aber auch überraschende Ereignisse und Entwicklungen mit sich bringen werden.

Welche langfristigen Ziele und Maßnahmen sind für Ihr sozialistisches Ideal von Arbeit wichtig?

Mit Prognosen wollen wir vorsichtig sein, zumal wenn sie die Zukunft betreffen. Dies vorausgeschickt, soll unserer Ansicht nach die Wirtschaft den Menschen dienen, nicht umgekehrt. Menschen sollen arbeiten, um zu leben, nicht leben, um zu arbeiten. Wir treten ein für eine Humanisierung und Demokratisierung der Arbeit, also für würdige, gesunde Arbeitsverhältnisse und starke Mitbestimmungsrechte der Beschäftigten bei der Ein- und Ausrichtung ihrer Unternehmen. Für diese Ziele werden wir uns auch in Zukunft einsetzen und alle Arbeitskämpfe und gesetzlichen Vorstöße unterstützen, die helfen, sie zu erreichen. Interview: bk

ArbeitsweltBöhme-Zeitung