Ein Novum in der Bundesrepublik
Soltau. Angesichts der sich immer stärker verhärtenden Fronten rund um das Bürgerbegehren im Heidekreis fordert der Landesverband des Vereins Mehr Demokratie dazu auf, zum Austausch der Argumente in der Sache zurückzukehren. Der Verein setzt sich auf Länder- und Bundesebene für Volksabstimmungen und ein besseres Wahlrecht ein. Dennoch ist Sprecher Dirk Schumacher deutlich irritiert über Anzeige und Ermittlungen gegen die Initiatoren: Im Heidekreis gelten laut Bürgerbegehren 7 von 12 000 Unterschriften als zweifelhaft – das sei weniger als ein Promille. Es sei Aufgabe der Behörde, die Zulässigkeit der Unterschriften zu überprüfen. So wolle es das Gesetz, so sei es sinnvoll. Bei gesammelten 12 000 Unterschriften sei aber auch völlig klar, dass die drei Initiatoren nur einen Bruchteil der Unterschriften selbst gesammelt haben. „Sie können auch nicht jede Unterschrift auf Unstimmigkeiten überprüfen. Sie verfügen ja auch gar nicht über die notwendigen Mittel, können beispielsweise nicht auf das Melderegister zurückgreifen. Das kann nur die Behörde“, so Schumacher.
Der Anteil liege regelmäßig zwischen 10 und 20 Prozent
Nach der Erfahrung des Vereins fielen ungültige Unterschriften bei jedem Bürgerbegehren an, diese würden dann behördlicherseits aussortiert. Ihr Anteil liege regelmäßig zwischen 10 und 20 Prozent. Menschen schrieben unleserlich, unterschreiben nur mit ihrem Nachnamen oder mit Scherznamen, gäben eine falsche Adresse an, sie wohnen im Nachbarort und seien deswegen nicht stimmberechtigt – all das führe dazu, dass ihre Unterschriften nicht zählten. Immer wieder würden auch Unterschriften fingiert, gibt Schumacher zu. Wenn ein Bürger einmal für sich selbst und dann noch für seine Frau unterschreibe, dann sei die Folge banal: Seine Unterschrift sei gültig, die seiner Frau nicht. Die Frau müsste zumindest die Unterschrift eigenhändig leisten. „Wer kommt dabei zu Schaden? Allenfalls die Initiatoren des Bürgerbegehrens, denen eine Unterschrift abhanden kommt. Ihnen Urkundenfälschung vorzuwerfen, ist meines Wissens nach ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik.“ Es gebe Fälle, in denen Ermittlungen wegen Urkundenfälschung angemessen seien. In Brackwede etwa soll ein Apotheker Daten aus seiner Kundendatei genutzt haben, um Unterschriften zu fälschen. Eine Stichprobe habe ergeben, das gut jede dritte von über 2000 Unterschriften gefälscht war. Das habe der aufwendige Vergleich der Unterschriften mit denen im Melderegister ergeben. In solch einem Fall seien Ermittlungen selbstverständlich angemessen.
An anderer Stelle habe sich ge- zeigt, dass es auch bei der Anerkennung von Unterschriften gro- ßen Interpretationsspielraum gebe. Schumacher verweist auf die Abwahl des Duisburger Oberbür- germeisters Adolf Sauerland in Folge des Love-Parade-Unglücks. Es habe knapp 80 000 Unterstützerunterschriften für seine Abwahl gegeben, davon habe die Verwaltung in einem ersten Schritt gut 12 500 ausgesiebt, knapp 16 Prozent. Während der folgenden politische Debatte habe die Verwaltung detailliert berichtet und schlussendlich seien per Ratsbeschluss 6000 weitere Stimmen anerkannt worden, nur acht Prozent blieben ungültig. Bei Zweifeln an der Echtheit von Unterschriften rät Schumacher folgendes Vorgehen: Die Unterschriften werden für ungültig erklärt. Das ist im Heidekreis offenbar passiert. Dass diese Fälle bekannt geworden sind, zeuge von einer gründlichen Prüfung der Listen. „Das bewerten wir positiv. Denn Unterschriften sind eine wesentliche Legitimation für ein Bürgerbegehren. Über deren korrektes Zustandekommen sollten keine Zweifel bestehen.“
Die Öffentlichkeit wird informiert und aufgeklärt, dass bei einem Bürgerbegehren immer die eigenhändige Unterschrift zu leisten ist. Das ist nicht immer jedem Menschen klar, der ein Bürgerbegehren unterschreibt. Denn oft sei das Bürgerbegehren, für das Unterschriften gesammelt werden, das erste Bürgerbegehren in der betreffenden Kommune. at