„Zwischen Nutzwert und Politik“
Soltau. Die mittleren Fahrzeiten zu einem der jetzt vier geprüften Standorte für das neue Heidekreisklinikum unterscheiden sich nur in Nuancen. Im Durchschnitt, so wurde errechnet, benötigten die Patienten 24,7 Minuten bis zum südwestlich von Soltau gelegenen Standort S7, 23,2 Minuten bis südwestlich von Dorfmark, dem Standort D4. 22,6 Minuten sind es bis zum westlich von Bad Fallingbostel gelegenen Favoritenstandort F4 und 23,4 Minuten zum direkt an diese Fläche anschließenden Standort W1, der auch als westlich von Bad Fallingbostel bezeichnet wird. Wie in dem Bereich schneidet der nun gefundene Favorit in fast allen betrachteten Punkten am besten ab. Allerdings nicht bei der Erreichbarkeit für die Einwohner des Heidekreises innerhalb von 30 Minuten, da rutscht der Standort Bad Fallinbostel auf Platz zwei. 107415 Menschen können Dorfmark innerhalb der 30 Minuten erreichen, Bad Fallingbostel (F4) liegt bei 100464, W1 bei 97700 und S7 bei 96655.
Die Simulation zur Erreichbarkeit und weitere Berechnungen rund um Patientenströme hat das Hannoveraner Unternehmen Trinovis im Auftrag des Heidekreis-Klinikums erarbeitet. Das Unternehmen verweist auf langjährige Erfahrung im Gesundheitsmarkt, bei der standardisierten Marktanalyen für Krankenhäuser, bei der Versorgungsanalyse und Krankenhausstrukturplanung. Nicht alle vorgelegten Unterlagen zum Heidekreis-Klinikum sind in solcher Qualität, dass sie überhaupt zu lesen sind. Und sie wurden auf Nachfrage auch nicht in höherer Auflösung geschickt. Aber auch die Daten in der Ergebnismatrix müssen von den Kreistagspolitiker hinterfragt werden. Da ist beispielsweise der Punkt Einwohneranteile Notfälle, 15-Minuten-Gebiet“: Dorfmark liegt dort mit nur 12 Prozent auf dem letzten Platz. Das ist nicht verwunderlich, schließlich wohnen im Umkreis um den F4-Standort, also Bad Fallingbostel, mit Walsrode, Bad Fallingbostel selbst und Bomlitz viele Menschen. Verwunderlicher ist allerdings, warum diese Zeit- und Entfernungsparameter überhaupt betrachtet wurden.
Es gibt für Notfälle keine zeitlichen Vorgaben in Bezug auf die Erreichbarkeit eines Krankenhauses. Die 15-Minuten-Regelung gilt für die Fahrt der Rettungssanitäter von der Rettungswache zum Patienten. Diese muss innerhalb einer Viertelstunde gewährleistet sein. Was danach passiert, welches Krankenhaus oder welcher Arzt angefahren wird, das entscheiden die Rettungssanitäter und spielt zeitlich keine Rolle. Aber natürlich ist es wichtig, bei einem Herzinfarkt oder Schlaganfall eine Klinik schnell erreichen zu können. Eine weitere Zahl aus der Auflistung ist ebenfalls zu hinterfragen. Dunkelgrün unterlegt ist der Standort Bad Fallingbostel in Bezug auf die innerhalb von 30 Minute zu erreichenden Einwohner insgesamt, also auch außerhalb der Landkreisgrenzen. Mit mehr als 185000 Menschen punktet der Standort, die anderen fallen stark ab. Allerdings: W 1, der weitere Standort westlich Bad Fallingbostels, liegt nur vielleicht 200 Meter vom Favoriten entfernt. Die 200 Meter sind ausschlaggebend dafür, dass diesen fast 30000 Menschen weniger erreichen, 156000 wohnen innerhalb der 30-Minuten-Grenzen. Mal abgesehen davon, dass bei F4 wohl auch das Vorhandensein einer Stichstraße bei der Erreichbarkeit eingerechnet wurde, die es bislang noch gar nicht gibt.
Letztlich soll auf Grundlage dieser Zahlen die Standortentscheidung gefällt werden. Das dürfte schon im Hinblick auf die Bewertung der Rahmenbedingungen durch das Beratungsbüro von Luckwald schwierig sein. Da waren die Parameter Flächen, Verkehr und Umwelt für die vier Standorte bewertet worden: Auch da gewann der Standort F4. Warum allerdings der Abstand zu Frackingstandorten oder auch die Beeinflussung durch den Bergbau eine Rolle spielen, müsste noch erklärt werden. Denn wäre dort Soltau wie auch die anderen Standorte bewertet worden oder hätte man es ganz weggelassen, hätte der Nordkreisstandort bei dieser Ananlyse die Nase vorn. Die Fraktionen des Kreistages befassen sich in der kommenden Woche intensiv mit dem Zahlen und Daten. CDU und SPD bekommen die Gutachten in gesonderten Sitzungen vorgestellt, die restlichen Fraktionen bei einem gemeinsamen Termin. Mit Aussagen zur Standortfindung sind die Kreispolitiker daher aktuell noch zurückhaltend.
Dr. Peter Rebhan, Vorsitzender des Ärztevereins und Kreisstellensprecher der kassenärztlichen Vereinigung (KV), sieht aufgrund der geographischen Struktur es als völlig logisch an, dass nicht alle Patienten versorgt werden könnten. Gewünscht habe er sich allerdings den mittig gelegenen Standort Dorfmark. Zudem schauten jungen Leute bei einer Ansiedlung im Heidekreis schon genau hin, wo sich die medizinische Versorgung befinde, das sei ein Pfund. Die Berechnung, so seine Einschätzung auch nach der Vorstellung im Beirat Neubau, bei der er dabei war, ziele darauf ab, wie das Krankenhaus künftig am besten zu finanzieren ist. Möglicherweise könne aber der Standort in Bad Fallingbostel tatsächlich auch bei den weiter entfernten Einwohnern im Heidekreis mit Einzelzimmern und einer auch menschlich guten Versorgung punkten.
Moog-Steffens erwartet „eine ganz schwere Entscheidung“
Etwa acht Kilometer liegen zwischen dem präferierten Standort F4 südlich von Bad Fallingbostel und einem aus Nordkreissicht günstigeren HKK-Standort bei Dorfmark genau in der Mitte des Landkreises“. Doch in dieser überschaubaren Distanz liegt ein Spannungsfeld zwischen Nutzwert und Politik, sagt die Schneverdinger Bürgermeisterin Meike Moog-Steffens, die nach der Vorstellung im HKK-Beirat aufgrund der Informationsflut nach eigener Aussage das Ganze erstmal sacken lassen musste“. Von den präsentierten Zahlen, Daten und Fakten her weise Bad Fallingbostel die höchste Eignung auf, räumt sie ein, aber dann ist da noch der Faktor Mensch“. Das wird eine ganz schwere Entscheidung für die Politik“, beneidete Moog-Steffens die Kreistagsabgeordneten nicht, die am 26. Juni über den zukünftigen HKK-Standort abstimmen müssen. Um eine Akzeptanz bei der Bevölkerung zu schaffen, müsse es auf jeden Fall ein deutliche Votum geben und keine knappe Entscheidung. Ein neues Krankenhaus müsse dann mit einem sehr guten Angebot punkten, so Moog-Steffens. at/vo