Rogge: Eine ZDF-Entscheidung
Von Anja Trappe
Soltau. Von alten Wunden der vergangenen zehn Jahre hat Dr. Achim Rogge zwar gehört, vielleicht könne er den Nord-Süd-Konflikt sogar verstehen, nachvollziehen könne er ihn aber nur bedingt. Für ihn als Geschäftsführer zählten heutzutage nur Daten, Zahlen und Fakten, ZDF abgekürzt. Auf Grundlage dieser ZDF-Zusammenstellungen sei es nun sein Job, die Politik zu beraten, betonte Rogge am gestrigen Mittwoch bei der Vorstellung des Versorgungs- und Entwicklungskonzeptes des Klinikums für den Heidekreis, in dessen Mittelpunkt der Neubau steht. Denn die Politik muss letztlich entscheiden, wo ein neues Krankenhaus für den Heidekreis gebaut werden soll. Rogge ist es zwar seit seinem Amtsantritt gelungen, das Defizit von jährlich 13 Millionen um rund drei Millionen Euro zu senken: Ein Rückgang auf die schwarze Null ist jedoch nicht erreichbar“, erklärte er zu den Faktoren rund um die Situation mit zwei Standorten in Soltau und Walsrode.
Daher müsse ein neues, ein umfassendes Konzept gestrickt werden, das ein Gesamtklinikum an einem für die Mehrheit der Heidekreisbewohner gut erreichbaren Ort ermögliche. Dabei spiele die Ökonomie bei der Standortwahl eine wesentliche Rolle. Die war letztlich auch ausschlaggebend, den Standort südwestlich von Bad Fallingbostel, kurz F4, zu präferieren. Das sei vom Standort Dorfmark, dem errechneten Mittelpunkt des Heidekreises, nur acht Kilometer entfernt. Rogge will nicht erst mit dem Neubau des Klinikums, sondern schon in den nächsten Jahren die sogenannte Eigenversorgungsquote nach den Verlusten der letzten Jahre wieder erhöhen: Mindestens die Hälfte der Einwohner, besser bis zu 60 Prozent sollen im Klinikum behandelt werden. Aber er denkt auch über die Landkreisgrenzen hinaus, will dort Patienten gewinnen.
Die Altstandorte sollen weiterentwickelt werden
Nach der Zusammenlegung an einem Klinikstandort, geplant ist das für 2026, sollen die Altstandorte Soltau und Walsrode nicht leer stehen, sondern weiterentwickelt werden. Family-Center ist dafür das Stichwort. An den Standorten sollen die Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) ausgebaut werden mit Internisten, Allgemeinmedizinern, Gynäkologen und Kinderärzten. Außerdem will Rogge dort Einrichtungen der Dauer und Kurzzeitpflege angliedern. Da haben wir einen großen Zuwachs. Schon jetzt gibt es keine Heimplätze.“ Die Rettungswachen sollen weiterhin dezentral organisiert bleiben. Den Fahrplan bis zur möglichen Fertigstellung eines neuen Klinikums mit 376 Betten präsentierte Dietmar Schulz, Geschäftsführer von Archimeda, ein auf Krankenhausbauten spezialisiertes Beratungsunternehmen. 163 Millionen Euro netto soll der reine Baukörper kosten. Eine genauere Kostenschätzung könne erst auf der Grundlage eines Architektenwettbewerbes von Juli bis Januar 2021 erfolgen. Nach der Planungsphase sei die Realisierung des Bauvorhabens für 2023 bis 2026 vorgesehen.
Getrieben werde die Planung durch den engen Zeitplan des Sozialministeriums in Hannover, das die Fördermittel aus dem Strukturfonds II für den Krankenhausbau vergebe. Vier Konkurrenten habe der Heidekreis für das begrenzte Budget“. Daher müsse Ende des dritten Quartals 2021 die Entwurfsplanung mit konkreten Bau- und Kostenparametern vorgelegt werden, auch das Grundstück müsse bis dahin gesichert sein. Als Projektsteuerer fasste Schulz zudem die bisherigen Untersuchungsergebnisse zu den Standorten zusammen. Beteiligt daran war zunächst das Büro von Luckwald, das unter anderem die Rahmenbedingungen analysierte und schon da die Fläche bei Bad Fallingbostel präferierte. Das Unternehmen Trinovis bewertete schließlich die Standort aufgrund medizinische Daten, der Einwohnerentwicklung und des Versorgungsbedarfs – aber auch aufgrund der Fahrzeitenanalyse. Danach habe Bad Fallingbostel die besten Werte, er sei am schnellsten erreichbar und habe das höchste Fallpotenzial, so Trinovis-Projektleiterin Amelie Zoch.
Ostermann: Kreis kann sich Zuschusspolitik nicht leisten
Der Kreistag muss nun entscheiden, ob der Heidekreis den jetzt vorgelegten Zahlen, Daten und Fakten folgt: Es ist eine der schwierigsten Entscheidungen, aber eine Riesenchance“, so Sebastian Zinke, der auch Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion ist. Dabei, so Landrat Manfred Ostermann, komme der größte Kraftakt erst noch, den Zeitplan auch einzuhalten und damit die Chance auf die Fördermittel zu sichern. Das Geld ist nicht da für die Stärkung eines Hauses“, so Ostermann. Die Zuschusspolitik könne sich der Heidekreis jedenfalls auf lange Sicht nicht leisten: Wenn man jetzt die Standortentscheidung scheitern lässt, dann hat man für die medizinische Gesundheitsversorgung wirklich etwas verspielt.“
Ludewig: Die Sache darf nicht zerredet werden
In diese Richtung appellierte auch Kreistags- und Aufsichtsratsmitglied Hans-Peter Ludewig (Grüne): Alles liege auf dem Tisch, die Sache sei entscheidungsreif, dürfe nicht zerredet werden. Ärztlicher Direktor Professor Dr. Frank Schmitz fasste die Chance des Neubaus mit einer mathematisch nicht ganz richtigen Rechnung zusammen: eins plus eins machte bei ihm drei: „Es wird ein dreimal so guter Standort“, prophezeite er zur Zusammenlegung von Soltau und Walsrode.
Infobox: Umstrukturiert und Patienten verloren
Die beiden Häuser in Soltau und Walsrode haben laut Klinikum nach der Umstrukturierung viele Patienten verloren: Gab es 2014 noch etwas mehr als 19 000 Fälle, waren es 2018 nur noch knapp 17 300. Im vergangenen Jahr habe es erstmals wieder eine Steigerung geben. Der Heidekreis schoss zwischen 2014 und 2018 knapp 43 Millionen Euro für den Betriebdazu. 2019 werden es rund 9,9 Millionen Euro sein. Zudem gibt es an beiden Standorten einen hohen Investitionsbedarf in den Patientenzimmern, in den Isolierungsbereichen, den Sanitär- und den Aufzugsanlagen. Hinzu kämen die alte Baustruktur, die hohe Personaldichte aufgrund der Standortteilung und das Vorhalten von Doppelstrukturen. at