Südkreis-Politiker zur Vernunft bringen
Von Dr. Wolfram Franz
Soltau. Zur Erinnerung: Bis zur „Neustrukturierung“ des Heidekreis-Klinikums (HKK) in den Jahren 2009 bis 2012 hat das wirtschaftlich gesunde Haus in Soltau das wirtschaftlich verlustreiche Haus in Walsrode mittragen können und für eine ausgeglichene Gesamtbilanz gesorgt. Die Südkreis-Politiker haben damals beschlossen, den Soltauern die tragenden Abteilungen wegzunehmen und den Hauptstandort des HKK nach Walsrode zu verlegen. Das nannten sie Neustrukturierung. Nach zahlreichen Unregelmäßigkeiten hat der Kreistag mit einer Stimme Mehrheit im Januar 2011 die vom Südkreis gewünschte Entscheidung beschlossen. Das brachte das HKK in Existenznot. Die Abteilungsverlagerungen haben zu hohen Patientenverlusten aus dem Nordkreis und damit unmittelbar zu unerträglichen und bis heute anhaltenden finanziellen Dauerverlusten des HKK geführt.
Viele Patienten aus dem Nordkreis waren gezwungen, in besser erreichbare Krankenhäuser der Nachbarkreise auszuweichen. Für den Heidekreis entstanden immense finanzielle Belastungen. Nur durch jährliches Sponsoring in Millionenhöhe konnte er sein Klinikum vor der Insolvenz bewahren. Offiziell wird die Sponsoringsumme von 2014 bis 2018 mit 43 Millionen Euro angegeben, zum Jahresende 2020 werden es deutlich über 60 Millionen sein. Die Neustrukturierungsstrippenzieher wurden für das angerichtete Desaster nie zur Rechenschaft gezogen und bestimmen unbehelligt weiter die Kreispolitik. Kein Wunder, dass sie sich jetzt trauen, einen Standort vorzuschlagen, der das Dilemma fortschreiben würde. Wem es einmal gelungen ist, der versucht es immer wieder.
Die Landesregierung in Hannover hat den Neubau eines einzigen, zusammenhängenden Krankenhauses an einem Standort angeregt und will diesen mit Fördergeldern unterstützen. Die Standortsuche läuft einfach nochmal nach dem alten Muster: Walsrode first! Erneut wollen Südkreis-Politiker egoistisch ohne Rücksicht auf Verluste ihre Partikularinteressen durchsetzen: Die Steuerzahler des gesamten Heidekreises mögen mit ihrem Geld oder ihren Schulden für den Südkreis ein neues Krankenhaus bauen. Die dann wegen des Südkreis-Standorts weiterhin zu erwartenden wirtschaftlichen Verluste des neuen Hauses soll der Heidekreis-Steuerzahler als Dauerbelastung weiter tragen.
"Strippenzieher verstecken sich hinter Gutachtern" – Dr. Wolfram Franz, Ehemaliger ärztlicher Direktor
Achtung: Die 163 Millionen aus Hannover reichen ja nur, wenn überhaupt, gerade für den nackten Baukörper, der Heidekreis wird für die Ausstattung und die Infrastruktur noch kräftig, voraussichtlich mindestens die gleiche Summe oder mehr, draufzahlen müssen. Woher soll dieses Geld kommen? Die Strippenzieher verstecken sich auch diesmal hinter Gutachtern, die die jetzige Standortwahl angeblich befürworten. Auch 2012 gab es eine Gutachterempfehlung. Die war klug und vernünftig, aber nicht nach den Wünschen der Südkreis-Politiker ausgefallen, deshalb haben die Strippenzieher diese einfach heimlich in einer Klausurtagung um 180 Grad gedreht und dann gewaltsam durchgeboxt.
Haben die Gutachter diesmal gleich geschrieben, was sie schreiben sollten? Wer ist es eigentlich, der die Gutachter beauftragt hat, auf das Zurückgewinnen der verlorenen Bewohner des Nordkreises zu verzichten? Der möge sich doch mal zu erkennen geben. Die jetzigen Gutachter verzichten in ihren Berechnungen von vornherein weiter auf die in den vergangenen Jahren verlorenen Patienten aus dem Nordkreis. Ihr vorgeschlagener Standort ist nach eigenen Angaben nur für 72,2 Prozent der Heidekreisbewohner ausreichend gut erreichbar. Das heißt: Die Versorgung von fast 30 Prozent, das heißt 40 000 Heidekreisbewohnern aus dem Nordkreis, wird im Gutachten für verzichtbar gehalten. Diesen Mangel würde man aber wirtschaftlich durch Gewinne zusätzlicher Patienten aus den Nachbarkreisen ausgleichen. Kommt uns dieses Argument irgendwie bekannt vor?
"Wehrt sich der Nordkreis wieder nur schwach?" – Dr. Wolfram Franz, Ehemaliger ärztlicher Direktor
2011 versprach der Südkreis, den erwarteten Verlust der Nordkreispatienten wirtschaftlich durch Gewinnen neuer Patienten für den Südkreisstandort in Walsrode auszugleichen: Die englischen Soldatenfamilien wollte man als neue Patienten fürs Klinikum gewinnen. Der bevorstehender Abzug aller Briten-Soldaten aus Deutschland wurde einfach geleugnet. Und man wollte die Menschen aus den Nachbarlandkreisen zukünftig für Walsrode gewinnen. Warum man letztere nicht schon längst vorher für unser Klinikum in Walsrode begeistert hatte, konnte niemand erklären. Die Nachbarkreise sind damals wie heute selbst gut mit eigenen Krankenhäusern versorgt und warten nicht auf unser Klinikum.
Aber die Beobachter der Krankenhausszene wissen ja: Zahlreiche bisherige Gutachten wurden vom Aufsichtsratsvorsitzenden als Rettung des HKK gefeiert, aber alle versprochenen Ziele wurden nicht erreicht und die Akteure mit teuren Abfindungen verbannt. Das neue Haus am falschen Standort wird wieder keine ausreichende Akzeptanz bei der Bevölkerung finden und weiter dauerhaft nicht wirtschaftlich eigenständig bestehen können. Das ist mit der jetzigen Standortwahl programmiert und wird erneut von den strippenziehenden Befürwortern bewusst in Kauf genommen. Heute wie damals wird ein plötzlicher hoher Zeitdruck für die Entscheidungsfindung konstruiert und dabei natürlich auf die Landesregierung in Hannover verwiesen. Da darf man wieder nicht mehr nachdenken und diskutieren. Auch das kennen wir schon aus 2011.
Kein vernünftiger Krankenhausträger würde derart leichtfertig, dilettantisch und ignorant ein neues Krankenhaus planen. Zu unserem Unglück besteht unser Krankenhausträger aus Freizeitpolitikern, die über den nötigen betriebswirtschaftlichen und medizinischen Sachverstand nicht verfügen können. Wieder wollen Strippenzieher ihre egoistischen Partikularinteressen durchsetzen. Nur mit einem zentralen, von allen Bewohnern des Heidekreises ausreichend gut und zeitnah erreichbaren Klinikstandort in der Landkreismitte kann das HKK auch für die Menschen aus dem Nordkreis wieder attraktiv werden, kann der Großteil der Bewohner des Heidekreises erfasst und versorgt werden. Das ist die Voraussetzung, ohne die nichts geht für die wirtschaftliche Tragfähigkeit des neuen Krankenhauses. Der Standort-Vorschlag südlich von Soltau würde gut die Kreismitte treffen, Dorfmark wäre noch eben akzeptabel. Die Bevölkerung hat das alles längst verstanden.
Wird der Nordkreis sich wieder nur schwach wehren und klein beigeben? Haben unsere Politiker aus der verhängnisvollen Krankenhausgeschichte gelernt? Wird diesmal unser Kreistag besser aufpassen und die Südkreis-Hasardeure noch zur Vernunft bringen? 1014956 Dr. Wolfram Franz war von 1997 bis 2012 Chefarzt der Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe und von 2006 bis 2012 ärztlicher Direktor in Soltau, anschließend unter anderem Chefarzt der Helios Klinik Herzberg/Osterode.