Parteienkolumne: Landrat nicht zu halten

Die Auseinandersetzung um den Standort des Heidekreis-Klinikums (HKK) geht in eine neue Runde. Die Initiatoren des Bürgerbegehrens ziehen vor das Verwaltungsgericht, um auf diesem Wege den Bürgerentscheid zu erreichen, weil ein vom Kreisausschuss in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten den Bürgerentscheid voraussichtlich als unzulässig einstufen wird. Doch wenn der Gutachter eine Abstimmung mit dem Ziel, einen HKK-Standort in der Mitte des Kreisgebiets bei Dorfmark durchzusetzen, wie von der Initiative angestrebt, als nicht rechtmäßig verwirft – wie geschehen und am Montag vom Kreisausschuss mehrheitlich umgesetzt –, stößt man damit den über 12 0000 Unterzeichnern des durchgeführten Bürgerbegehrens vor den Kopf. Das könnte zu einem Riss quer durch das Kreisgebiet führen und das Vertrauen in Politik und Verwaltung tief erschüttern. Wie sehen Sie das, wie kann eine derartige Entwicklung vermieden, wieder Vertrauen geschaffen werden?

Gerd Engel (CDU): Die CDU Heidekreis und die CDU-Kreistagsfraktion betonen weiterhin, dass wir uns für eine optimale Gesundheitsversorgung im Heidekreis einsetzen werden. Dazu gehört auch ein neues, ein modernes, nach Möglichkeit zentrales Heidekreis-Klinikum. Dieses ist ein wichtiger Teil eines medizinischen Gesamtkonzeptes. Es gibt nun seit dem 26. Juni 2020 den mit gut Zweidrittelmehrheit gefassten Kreistagsbeschluss. Leider ist es auch in diesem Fall wie in vielen Fällen, es kann nicht allen Recht gemacht werden. Dass es für solche Situationen die Möglichkeit eines Bürgerbegehrens gibt, ist sicher eine richtige Möglichkeit. Aber für jeden Sachverhalt muss auch die rechtliche Grundlage gegeben sein. Sind dann die juristischen Beurteilungen so, dass es zu Verstößen gekommen ist, muss das bereinigt werden. Dieses scheint in dem jetzigen Fall gegeben zu sein.

Das Gutachten ist Grundlage für den Kreisausschuss (KA), über die Zulässigkeit dieses Bürgerbegehrens zu entscheiden, was so im Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetz geregelt ist. Unabhängig von der Entscheidung auf Grund dieses Gutachtens, das jetzt am Montag, 16. November, im KA vorgestellt und begründet worden ist, muss vielleicht sogar noch intensiver die sachliche Information der Bevölkerung offen und ehrlich fortgesetzt werden. Auf den verschiedenen Ebenen wurde in der bisherigen Kommunikation vieles unterlassen. Die Menschen müssen mitgenommen werden. Denn es geht nicht um eine Banalität, es geht um einen Teil für die Zukunft unserer Kinder. Diese Chance dürfen wir nicht verspielen, daher muss dieses Hickhack endlich ein Ende haben. Aber leider wird dieses wohl erst vor Gericht geschehen.

Aynur Colpan (SPD): Demokratie ist nie bequem. Dennoch sollten wir uns darauf besinnen, was uns, was unseren Heidekreis ausmacht: Stärke, persönliches Engagement, Offenheit, Toleranz, Respekt, Hilfsbereitschaft. Dass 12 000 Bürgerinnen und Bürger ihre Unterschrift geleistet haben, ist ein starkes Signal, denn 12 000 Bürgerinnen und Bürger haben gezeigt: Wir wollen beteiligt werden, wir interessieren uns für unseren Landkreis. Aber Demokratie braucht auch klare, von vornherein vereinbarte und verlässliche Entscheidungsprozesse. Deshalb gibt sich jede Demokratie eine Rechtsordnung. Diese dient dem fairen Ausgleich aller widerstreitenden Interessen einer Gemeinschaft.

Und um einen solchen, fairen Interessenausgleich geht es auch bei der Festlegung des neuen Standorts für ein Heidekreis-Klinikum. Wenn die Bürgerinnen und Bürger einen rechtlich verbürgten Anspruch auf direkte Teilhabe an dem Entscheidungsprozess haben, dann ist die Entscheidung nur mit der direkten Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger zu treffen. Ich habe volles Vertrauen in unsere Rechtsordnung, dass alle rechtlich verbürgten Interessen unserer Bürgerinnen und Bürger uneingeschränkte Achtung erfahren. Nur so, durch unser gemeinsames Vertrauen in die von uns allen geschaffenen Institutionen, wird es uns gelingen, auch künftig voller Vertrauen aufeinander zuzugehen und als Einheit miteinander zu leben. Auch dann, wenn die eine oder andere Entscheidung der Gemeinschaft nicht mit unseren individuellen Wünschen übereinstimmt.

Ellen Gause (Grüne): In der letzten Kolumne der BZ haben wir Grünen das Bürgerbegehren als legitimes politisches Instrument bezeichnet. Mehr als 12 000 Menschen haben mit ihrer Unterschrift für einen Standort in Dorfmark votiert und die Voraussetzung für die Einleitung eines Bürgerentscheids geschaffen. Nach der Änderung der Bauleitplanung in Bad Fallingbostel (einstimmige Entscheidung des Rats) hat der Kreisausschuss durch ein Rechtsgutachten prüfen lassen, ob der Bürgerentscheid unter diesen Bedingungen überhaupt durchgeführt werden kann. Inzwischen wurde der Bürgerentscheid abgesagt, die Prüfung ergab die Unrechtmäßigkeit der Fragestellung. Diese Entscheidung wird für die Initiatoren schwer nachvollziehbar sein, andererseits wäre es höchst problematisch und ebenfalls rechtlich anfechtbar, wenn der Kreisausschuss trotz des Gutachtens einen Bürgerentscheid ansetzt und erst nach der Entscheidung der Bürger und Bürgerinnen die Unzulässigkeit erklärt.

Wir hätten uns eine frühere Prüfung der Inhalte des Bürgerbegehrens gewünscht und zwar bevor die Initiatoren mit der Unterschriftensammlung begonnen haben. Insofern sind die Verantwortlichen in der Pflicht, darzulegen, weshalb sie erst jetzt diesen Weg gewählt haben. Der Verweis auf die Entscheidung in Bad Fallingbostel reicht nicht aus. Trotz der Differenzen um den Standort scheint die Mehrheit der Bürger im Kreis die Chancen zu sehen, die ein gemeinsames Klinikum für die zukünftige gesundheitliche Versorgung bietet. Dieser grundsätzliche Konsens bietet die Möglichkeit, wieder aufeinander zuzugehen. Schließlich tragen alle Beteiligten Verantwortung – die Kreispolitik wie auch die Bürgerinnen und Bürger.

Bernhard Schielke (AfD): Schon wieder ein Gutachten. Zuerst zum HKK-Standort mit SPD-Einheitsentscheidung, jetzt zur Prüfung der Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens. Als Soltauer wunderte mich die Unterstützung der hiesigen SPD-Ratsmitglieder, die ohne wenn oder aber ihrem Häuptling (Sebastian Zinke, Vorsitzender Stadtrat Walsrode) gefolgt sind. Hoffentlich bleibt dieser Aspekt in den Köpfen der Soltauer Wähler nächstes Jahr haften. Die Ablehnung des Bürgerbegehrens im Kreisausschuss wird die Stimmung kontra F4 im Nordkreis noch verstärken. Was auch sonst, wenn erst einem Bürgerbegehren stattgegeben wird, um dieses dann wieder mit einem Gutachten zu kippen. Hinzu kommt noch der einstimmige Beschluss zugunsten F4 mit Ausschluss von Dorfmark Anfang des Monats (Stadtrat Bad Fallingbostel). Besser kann man die Stimmung nicht aufheizen.

Die Möglichkeit von Bürgerbegehren bei Krankenhäusern will die Landespolitik zukünftig ja generell ausschließen. Und das jetzt, wo die Diskussionen im Heidekreis um das Krankenhaus gerade hochkochen. Da kommt ein Rückbau von demokratischen Bürgerrechten zur Unzeit. Dies wollen wir nicht, deshalb haben wir dem Einholen eines Gutachtens zur Zulässigkeit des Bürgerbegehrens HKK nicht zugestimmt. Jetzt aber, nachdem sich das Gutachten gegen die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens ausspricht, wurde dieses gemäß Mehrheitsbeschluss des Kreisausschusses kassiert. Grundsätzlich hätte das Reklamieren zugunsten unseres Standorts früher einsetzen müssen. Dies hatten wir ja mit einem Antrag letztes Jahr im Soltauer Stadtrat gefordert, der aber leider abgelehnt wurde, da die Altparteien allzu sehr an Konsensentscheidungen geglaubt haben.

Tanja Kühne (FDP): Im Zweifel für einen Bürger-entscheid und damit für eine Bürgerbeteiligung. Dieser Anspruch konnte im Sommer seitens der Verwaltung und des Landrats kommunalrechtlich auch mit Hilfe des Landwirtschaftsministeriums nicht ausreichend widerlegt werden. Und somit haben wir im Kreisausschuss für den Start des Bürgerbegehrens entschieden. Ausschlaggebend für die Entscheidung in diese Richtung war mit Sicherheit ebenso, dass der Nordkreis in der F4-Entscheidung nicht ausreichend einbezogen war und bei der Mehrheit der Entscheider im Kreisausschuss die Frage im Raum stand, ob man den Einwohnern im Nordkreis nun auch noch die direkte Beteiligung an dieser Entscheidungen nehmen will oder kann. Die Einholung des Rechtsgutachtens mit dem Ergebnis, dass ein Bürgerentscheid rechtlich nicht haltbar sei, weil der Kreis nicht in das Planungsrecht einer Kommune so entscheidend eingreifen könnte, kam spät, aber letztendlich doch noch.

Jetzt müssen wir alle nach vorn schauen. Ein Bekenntnis für den Neubau eines Krankenhauses, egal an welchem Standort, muss in den Fokus rücken. Denn nur mit dieser Chance auf ein modernes Kernstück unserer medizinischen Gesamtversorgung im Kreis, stellen wir die Gesundheitsinfrastruktur wegweisend auf. Deshalb: alle Kraft voraus, um ein neues zentrales Krankenhaus in unserem Kreis zu ermöglichen. Egal, an welchem Standort. Einen Aufschub von ein bis zwei Jahren, bis eventuell eine Gerichtsentscheidung gefällt wird, können wir uns nicht leisten. Am Ende gibt es dann nur Verlierer: nämlich alle Kreisbewohner und die uns nachfolgende Generation, denen wir die Chance auf ein zukünftiges Haus nehmen.

Thorsten Schröder (BU): Das Bürgerbegehren wurde, nach Rückfrage beim zuständigen Ministerium durch den Beschluss des Kreisausschusses für zulässig erklärt. Die Initiatoren haben statt der erforderlichen circa 8600 mehr als 12 000 Stimmen erhalten. Nach dem sehr deutlichen Bürgervotum wird nun von den Befürwortern des Standortes Bad Fallingbostel (F4) ganz offensichtlich versucht, den Bürgerentscheid mit allen politischen und juristischen Mitteln zu verhindern. Ein Bürgerentscheid ist ein legitimes Mittel der Demokratie. Es ist absolut unverständlich und inakzeptabel dieses Bürgervotum einfach zu ignorieren. Den Beschluss einer Veränderungssperre durch den Rat der Stadt Bad Fallingbostel halten wir für nicht zielführend, zumal die Flächen bei Dorfmark zunächst in der engeren Auswahl waren.

Auch das Verhalten des HKK-Geschäftsführers Dr. Achim Rogge halten wir für unglücklich. Insbesondere sehen wir jedoch die Rolle des Landrats Manfred Ostermann sehr kritisch. Er ist verpflichtet, die Initiatoren zum Bürgerbegehren zu beraten. Diesen Auftrag hat er nicht in der gebotenen Art und Weise erfüllt. Aus diesem Grund ist dieser Landrat nicht mehr zu halten, geschweige denn wiederwählbar. Damit erweisen die verantwortlichen Personen der Demokratie einen Bärendienst und sorgen für nachvollziehbare Politikverdrossenheit. Zudem kann diese Entscheidung zu einer (weiteren) Spaltung des Heidekreises führen. Man kann nur hoffen, dass die Bürger die Verhaltensweisen der handelnden Personen genau beobachten und bis zur nächsten Wahl nicht vergessen. Die Bürgerunion steht nach wie vor voll hinter dem Bürgerbegehren und unterstützt das Ziel eines Bürgerentscheids.

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Reinhard Vorwerk