HKK: Festlegung auf F4 war notwendig
Von Dr. Achim Rogge
Mit Verwunderung habe ich am 30. Oktober den Namensartikel von Jürgen Röders „Unfaire Standortentscheidung“ zur Kenntnis genommen. Da dort einige Behauptungen nicht den Tatsachen entsprachen, möchte ich im Sinne größtmöglicher Transparenz folgende Aspekte richtigstellen:
- Deshalb wurde die Firma Trinovis mit der Erstellung des Gutachtens beauftragt:
Trinovis beschäftigt erfahrene Experten, die IT-Lösungen und Analysen für das Gesundheitswesen anbieten. Das Unternehmen aus Hannover greift dafür auf Erfahrungen aus über 20 Jahren in der Datenverarbeitung für den Gesundheitsmarkt, 12 Jahre standardisierte Marktanalysen für Krankenhäuser und 7 Jahre Versorgungsanalysen und Krankenhausstrukturplanungen zurück. Zum Kundenkreis gehören unter anderem Universitätskliniken, Kranken¿hausgesellschaften, Ärztekammern und Bundesverbände.
- Deshalb wurde bei den Fahrtzeiten nicht mit Google-Maps gearbeitet:
Google Maps ist für die Berechnung großer und komplexer Verkehrsströme nicht geeignet. Dafür gibt es folgende Gründe:
– Google-Maps-Fahrzeitenmodell: Tageszeiten- und saisonabhängig. Je nach Verkehrslage ändern sich die Fahrzeiten kurzfristig. Temporäre Umleitungen beeinflussen Fahrzeit und Route deutlich.
– Startpunkt der Routenberechnung bei Google Maps: Der Startpunkt wird bei einer Region beliebig ins Zentrum gesetzt. Sowohl bei PLZ5-Regionen als auch bei Gemeinden besteht das Problem, dass sie eine große Region umfassen, mit teilweise deutlich voneinander unterschiedlichen Fahrzeiten je nach Startpunkt.
– Berücksichtigung der Bevölkerungsverteilung bei Google Maps: Es wird keine Einwohnergewichtung vorgenommen, wodurch die Bedeutung der Fahrzeit in Abhängigkeit der Einwohner, die davon betroffen sind, nicht berücksichtigt wird.
Trinovis hat die Fahrtzeiten anhand eines verlässlichen Fahrzeitenmodells mit festen Referenzprofilen je Straßentyp berechnet: von schnell, mittel und langsam, Tageszeiten- und saisonunabhängig und jährlich aktualisiert. Es wird immer die schnellste Route zum Klinikstandort gewählt. Darüber hinaus fließen die aktuellen Einwohnerzahlen innerhalb der festgelegten Grenzen von 30 Minuten in das Modell mit ein. Eine ausführliche Erklärung ist auf dem Neubau-Blog des Heidekreis-Klinikums zu finden unter: https://bit.ly/359rjRf.
- Deshalb ist Standort F4 (Bad Fallingbostel) besser als D4 (Dorfmark):
F4 ist für die gesamte Bevölkerung des Heidekreises mit einer gewichteten Fahrzeit von 22,6 Minuten am schnellsten erreichbar. Die Analyse der Fahrzeit im Zusammenhang mit der Notfallversorgung zeigt, dass F4 bei acht der zwölf Top-Notfallindikationen (zum Beispiel Herzinfarkt, Schlaganfall) die schnellste Erreichbarkeit für die Bevölkerung im Heidekreis aufweist. Bezogen auf die Anzahl der Einwohner des Landkreises Heidekreis, die im Notfall innerhalb von 15 Minuten ein Krankenhaus mit einer Notfallversorgung erreichen müssen, ist Standort F4 ebenfalls am besten geeignet. Mit insgesamt 185 223 Einwohnern umfasst das 30-Minuten-Fahrzeitgebiet von F4 den größten Bevölkerungsanteil der Region – davon 100 464 Einwohner aus dem Heidekreis (= 72,2 Prozent der Gesamtbevölkerung im Heidekreis).
Ein Klinikneubau auf F4 kann sowohl über eine Bundes- als auch eine Kreisstraße angebunden werden. Nach Aussage des Landes Niedersachsens ist für die Ansiedlung einer mittelzentralen Einrichtung, wie zum Beispiel einem Krankenhaus, aus Gründen der Bündelung von Angeboten und Einrichtungen der Daseinsvorsorge und den dadurch bewirkten Synergie- und Stabilisierungseffekt raumordnerisch stets ein Mittel- oder Oberzentrum zu präferieren. Dorfmark (D4) ist nicht einmal Grundzentrum. Bad Fallingbostel (F4) nimmt hingegen zentrale Funktionen wahr. Wird diese raumordnerische Präferierung nicht berücksichtigt, ist das Projekt angreifbar und damit erfolgreich beklagbar. Der Standort F4 ist 16 Hektar groß, bietet Entwicklungspotenzial; es gebe die Möglichkeit, weiteres Land zu erwerben. Der Rat der Stadt Bad Fallingbostel hat dem Aufstellungsbeschluss zur 26. Änderung des Flächennutzungsplans (VL/2020/080) sowie dem Aufstellungsbeschluss zum Bebauungsplan Nr. 79 „Klinikum auf dem Helmskamp“ (VL/2020/081) zugestimmt.
- Deshalb werden im neuen Gesamtklinikum höhere Patientenzahlen erwartet:
– Alle Fachabteilungen unter einem Dach
– Eine zentrale Notaufnahme für alle Notfälle
– Die Sicherheit bei Risikogeburten/Notkaiserschnitt wird erhöht: Die Geburtshilfe wird in direkt am OP-Bereich angesiedelt.
– Das Leistungsspektrum kann ausgebaut werden: Kompetenzen für Lungenheilkunde und Gefäßmedizin sind geplant sowie die Erweiterung der Frauenheilkunde durch Ausbau der gynäkologischen Onkologie.
– Höhere Attraktivität eines neuen, modernen Klinikums in puncto Komfort (unter anderem keine Drei- oder Vierbettzimmer mehr).
– Aufbau großer Zentren (Darmzentrum, Traumazentrum, Brustkrebszentrum)
– Große Anzahl von Einzelzimmerbetten bieten flexiblere Isolierungsmöglichkeiten
– Kontaktlose Tür- und Sanitäranlagen erzeugen höhere Hygienestandards
– Geriatrie, Palliativstation und Kinderklinik können eigene Außenbereiche bekommen
– Die Psychiatrie kann einen eigenständigen Bereich bekommen.
– Keine Irrwege für Patienten bei der Suche nach der „richtigen“ Klinik (zum Beispiel Kardiologie nur in Soltau, Viszeralchirurgie nur in Walsrode), keine Verlegungen von Patienten zwischen den Standorten, kein Pendeln für Mitarbeitende
– Qualifiziertes Ärzte- und Pflegepersonal kann für ein modernes Klinikum leichter gewonnen werden.
- Deshalb ist der Standort F4 auch für Firmen im Nordkreis attraktiv:
Landrat Manfred Ostermann, Dietmar Schulz (Archimeda), Georg von Luckwald (Landschaftsarchitekturbüro Georg von Luckwald), Hermann Norden (Aufsichtsratsvorsitzender) und Dr. med. Achim Rogge (Geschäftsführer HKK) haben am 3. September den Unternehmern aus Soltau unter anderem berichtet, dass es in den Städten Soltau und Walsrode sogenannte Family-Center geben soll, also eine Art Gemeinschaftspraxen, die sich aus Ärzten der Inneren Medizin/Allgemeinmedizin, Gynäkologie und Kinderheilkunde zusammensetzen. Es wurde auch ausgeführt, dass die Alt-Standorte zu Pflegeeinrichtungen umgebaut werden. Ebenfalls wird es keinerlei Veränderung der wohnortnahen Versorgung durch die sieben dezentral organisierten Rettungswachen des Landkreises geben. Dafür ist es sprichwörtlich überlebenswichtig, bei einem Notfall immer die 112 anzurufen, damit die medizinische Betreuung dort beginnt, wo der Notfallpatient sich befindet.
- Deshalb sind Einbettzimmer nicht nur in Zeiten von Corona besonders sicher:
Durch Einbettzimmer wird die Infektionsübertragung tatsächlich deutlich reduziert. Das Konzept sieht vor, viele Einbettzimmer im neuen Klinikum vorzuhalten, die neben dem verbesserten Infektionsschutz im Pandemiefall auch andere Vorteile bieten: Anders als im Zweibettzimmer können dort unter Einhaltung der Privatsphäre und des Datenschutzes Arztgespräche und Untersuchungen durchgeführt werden. Das heißt im Umkehrschluss: Es müssen weniger Untersuchungsräume gebaut und weniger Patienten innerhalb der Klinik dorthin transportiert werden. Das grundsätzliche Konzept eines Krankenhauses mit einem hohen Anteil an Einbettzimmern wurde im Vorfeld mit dem Ministerium und anderen zuständigen Behörden diskutiert und abgestimmt. Die Idee eines „pandemiesicheren Krankenhauses“ wird sehr gut aufgenommen.
Jedes Einbettzimmer verfügt über eine eigene Nasszelle mit Toilette und Waschbecken; eine Infektionsübertragung über die gemeinsame Nutzung wird so ausgeschlossen. Im Patientenzimmerkonzept war ursprünglich eine gemeinsame Dusche für zwei Einbettzimmer vorgesehen. Obwohl Duschbereiche einfacher gereinigt und desinfiziert werden können als gesamte Nasszelle – und bei Bedarf auch für infektiöse Patienten gesperrt werden können –, wird dieses Konzept im Rahmen der Planung erneut geprüft. Die Einbettzimmer im Normalpflegebereich können ohne Zuzahlung genutzt werden. Für die Patienten, die Wahlleistungen in Anspruch nehmen möchten, wird es Einbettzimmer mit geänderter Ausstattung geben.
- Deshalb erfolgt die Krankenhausplanung nicht grundstücksunabhängig:
Hierauf hat die Geschäftsführung des HKK keinen Einfluss, sondern folgt klaren Anforderungen: Es ist Vorgabe des Sozialministeriums des Landes Niedersachsens, sich vor Beginn des Architektenwettbewerbs auf ein konkretes, verbindliches Baugrundstück festzulegen. Statement der Niedersächsisches Landesamt für Bau und Liegenschaften (NLBL): „Die Frage, ob die Auslobung eines Planungswettbewerbs auch ohne Festlegung auf einen Standort funktionieren kann, hängt davon ab, ob die alternativ denkbaren Standorte soweit universell sind, dass die im Wettbewerb vorgelegten und prämierten Lösungen ohne Weiteres auf verschiedenen Grundstücken funktionieren können. Bei kleineren Planungsaufgaben wie etwa im Wohnungsbau sind solche Wettbewerbe denkbar, wenn es z.B. um die Findung typologischer Konzepte geht, die dann universell an verschiedenen Standorten realisiert werden können. Bei der komplexen Aufgabenstellung für ein komplettes Klinikum ist dies nicht denkbar, weil es hier nicht darum geht, den universellen Idealtypus eines Klinikums zu entwickeln, sondern eine maßgeschneiderte Lösung, die sich mit den verschiedenen Grundstücksbedingungen und -anforderungen wie Erschließung, Himmelsrichtung, Emissionen etc. konkret auseinandersetzt.“
Fazit:
Es liegen viele Dinge anders, als sie in der aufgeheizten Standort-Diskussion erscheinen oder für diese instrumentalisiert werden. Ein letztes Beispiel: Im Namensartikel von Jürgen Röders wird behauptet: ( ) „dass derzeit circa 85 Prozent der Patienten per Notaufnahme in das Klinikum kommen und nur circa 15 Prozent bewusst das Heidekreis-Klinikum (HKK) für eine Behandlung anwählen.“ Das stimmt so nicht: In 2019 kamen insgesamt 56 883 Menschen zu uns ins Heidekreis-Klinikum, davon 39 564 Patienten (70 Prozent) zur ambulanten Versorgung. 17 319 Patienten (30 Prozent) wurden stationär bei uns im HKK aufgenommen. Wie viele Patienten sich „bewusst“ für eine Behandlung im HKK entschieden haben, lässt sich nur schwer ermitteln. Dies liegt vor allem daran, dass im Krankenhaus primär die stationäre Behandlung im Fokus steht und sich im Abrechnungssystem, dem DRG-System, widerspiegelt.
Im Übrigen kann sich auch im Notfall ein Patient bewusst zu uns in die Notfallbehandlung begeben und nicht zu einem anderen Krankenhaus. Zudem beinhaltet eine ambulante Versorgung nicht nur die Notfallversorgung. Wir bieten verschiedene ambulante Versorgungen an, hinter denen sich weder vor oder nach dem Eingriff eine Nacht bei uns im Krankenhaus verbirgt. Für mich als Geschäftsführer des Heidekreis-Klinikums steht nicht die politische Historie im Heidekreis im Vordergrund meines Handelns, sondern die bestmögliche Versorgung der Menschen, die hier leben. Deshalb setze ich mich aus voller Überzeugung für den Standort F4 – Bad Fallingbostel – ein. Ich glaube, wir sind alle gut beraten, zum Sachdialog zurückzukehren, hierfür stehen sowohl ich und mein Team als auch der gesamte Aufsichtsrat jederzeit gern zur Verfügung.
Dr. med. Achim Rogge ist Geschäftsführer des Heidekreis-Klinikums.