Auf Augenhöhe: Söders verfehlte Presseschelte
Von Jörg Jung
Torsten Söder attestiert der Böhme-Zeitung eine fehlende Neutralität. Die sieht der Vorsitzende der CDU-Kreistagsfraktion im Einleitungstext zum HKK-Dossier der BZ verletzt. Darin heißt es: „Wie das Soltauer Krankenhaus kaputt strukturiert wurde, die Bevölkerung des Nordkreises ihr Krankenhaus schließlich ganz verlieren soll und mit einem geplanten zentralen Neubau des Heidekreis-Klinikums in der Nähe von Walsrode die Daseinsvorsorge der Menschen im Nordkreis eklatant vernachlässigt wird.“ Der Einleitungstext fasst damit die Recherchen und Berichte der Böhme-Zeitung der vergangenen gut zehn Jahre zusammen – und ja, der Text ist wertend formuliert. Ist er damit aber auch gleich falsch oder unangebracht? Dieser Ansicht könnte man sein, wenn man wie Söder von der Presse im Allgemeinen und der BZ im Besonderen Neutralität erwartet. Nur: Wie kommt er darauf, dass Presse neutral zu sein hat?
In Paragraf 3 des niedersächsischen Landespressegesetzes heißt es unter der Überschrift „Öffentliche Aufgabe der Presse“: „Die Presse erfüllt eine öffentliche Aufgabe, wenn sie in Angelegenheiten von öffentlichem Interesse Nachrichten beschafft und verbreitet, Stellung nimmt, Kritik übt oder auf andere Weise an der Meinungsbildung mitwirkt.“ Der Landesgesetzgeber erwartet also von der Presse gar keine Neutralität. Vielmehr soll sie unter anderem Kritik üben und auch an der gesellschaftlichen Meinungsbildung mitwirken. Das kann sie zum Beispiel in Form von kommentierenden Beiträgen wie dem Einleitungstext. Für die Wertungen in dem Einleitungstext lassen sich zudem gute Argumente finden – und zwar genau in dem HKK-Dossier, um das es dort geht. Sie sind auch nicht neu, sondern waren das in vielen Kommentaren der BZ veröffentlichte wertende Ergebnis einer vorhergegangenen Analyse der politischen Prozesse, Entscheidungen und Konsequenzen im Heidekreis.
Das alles steht in Übereinstimmung mit dem niedersächsischen Landespressegesetz. Wer damit nicht einverstanden ist, will die Presse offensichtlich mundtot machen und ihre Rolle darauf beschränken, die Standpunkte von Parteien und Interessengruppen wiederzugeben, sich einer eigenen Meinung aber zu enthalten. Diese Absicht werden die Kritiker der BZ sicherlich weit von sich weisen. Doch dann sollten sie zuvor genau darüber nachdenken, was sie so von sich geben wollen. Übrigens: Neutralität verlangt Söder ausschließlich von der Böhme-Zeitung, nicht von der Walsroder Zeitung, was nicht verwundern dürfte, kommentiert diese doch ganz in seinem Sinne (was den geschätzten Kolleginnen und Kollegen in Walsrode selbstverständlich unbenommen ist). Neutral ist eine Zeitung in Söders Augen offensichtlich dann, wenn sie seine eigene Meinung bestätigt. So biegt man sich eben seine Welt zurecht – und findet sich unvermittelt im Nord-Südkreis-Denken wieder, das einem doch zum Nutzen aller Heidekreisbewohner angeblich vollkommen fremd ist.
Um eines ganz deutlich zu betonen: Selbstverständlich ist es die Aufgabe der Presse, Pro- und Contra-Argumente der beteiligten Personen und Gruppierungen zu veröffentlichen. Im Fall des HKK-Neubaus – und in allen anderen Fällen auch – kann aber niemand der BZ ernsthaft vorwerfen, dies vernachlässigt zu haben. So sind sowohl die Befürworter eines Standorts in Dorfmark als auch die eines Standorts in Bad Fallingbostel ausführlich zu Wort gekommen, und auch letztere nicht erst in der heutigen Ausgabe. In der Hochphase der Auseinandersetzung waren fast täglich entsprechende Beiträge in der Böhme-Zeitung zu lesen.
Ein Höhepunkt war sicherlich das Streitgespräch zwischen dem Vorsitzenden der SPD-Kreistagsfraktion, Sebastian Zinke, und dem HKK-Aufsichtsratsmitglied Dr. Ronald Begemann, das wir am 26. Juni auf zwei Seiten gedruckt haben. Festzustellen ist, dass die kritischen Punkte, die Begemann in dem Streitgespräch vorgebracht hat, noch immer nicht stichhaltig widerlegt worden sind, obwohl die Qualität des Gutachtens von ihm nachvollziehbar in Zweifel gezogen worden ist. Davon wollen die Befürworter eines Neubaustandorts in Bad Fallingbostel aber nichts wissen. Ihr Motto lautet stattdessen: Augen zu und durch. Es reiht sich damit nahtlos ein in die desaströse Informationspolitik der Verantwortlichen in Sachen HKK-Neubau. Diese mit Argumenten aus erster Hand untermauerte Kontroverse zwischen Zinke und Begemann ist nach wie vor hochinteressant, in dieser Form im Heidekreis allerdings ausschließlich in unserer Zeitung zu lesen. Aber darüber schweigen die BZ-Kritiker, würde dies doch ihr fragiles Argumentationsgebäude einer verfehlten Presseschelte, für die speziell CDU-Kreispolitiker aus dem Süden eine besondere Affinität entwickelt haben, ganz rasch zusammenbrechen lassen.