Wir kriegen die Stimmen zusammen

Von Anja Trappe

Soltau. Den Schuh, dass sie möglicherweise daran Schuld sein könnten, dass das neue Krankenhaus für den Heidekreis aufgrund eines Bürgerbegehrens überhaupt nicht gebaut wird, den werde man sich nicht anziehen. Das hatten die Initiatoren bei der Vorstellung des Vorhabens in dieser Woche ausdrücklich betont. Ihrer Meinung nach sei vielmehr von Kreisverwaltung und Politik versäumt worden, die Bevölkerung mitzunehmen und den richtigen, den zentralen und von allen gut erreichbaren Standort Dorfmark zu wählen: „So kann man nicht mit uns umgehen, die Politik muss aufwachen“, hieß es. Inzwischen liegt nun auch die Frage vor, die Grundlage dafür sein wird, den Bürgerentscheid durchführen zu können. Laut Kreisverwaltung müssen genau 8620 Unterschriften darunter gesammelt werden:

„Sind Sie dafür, die Vertreterinnen und Vertreter in der Gesellschafterversammlung der Heidekreis-Klinikum GmbH (HKK) anzuweisen, einen Beschluss dahingehend zu fassen, dass in Abänderung des Beschlusses der Gesellschafterversammlung vom 26. Juni 2020 als Standort für die Planung eines Krankenhaus-Neubaus ein Suchbereich bei Dorfmark vorzusehen ist?“ Drei Monate bleiben Zeit zu unterschreiben, Anfang Oktober müssen die Unterschriften vorliegen, der Kreisausschuss darüber beschließen. Danach sind weitere drei Monate Zeit, den Bürgerentscheid ähnlich wie eine Kommunalwahl durchzuführen.

Das grüne Licht vom Kreisausschuss fehlt noch

Allerdings gibt es noch planungsrechtliche Fragen, die zu klären sind. Damit befasst sich laut Landrat Manfred Ostermann zurzeit die Kommunalaufsicht in Hannover. Deshalb wartet die Initiative noch mit dem Auslegen von Unterschriftenlisten, zudem fehle das grüne Licht für das Verfahren vom Kreisausschuss. „Die Sicherheit ist noch nicht da“, sagt Otto Elbers als einer der für das Bürgerbegehren Engagierten aus Soltau. Aber sie seien frohen Mutes, sagt er für sich und die weiteren Mitstreiter, darunter Adolf Köthe aus Munster und Werner Salomon aus Schneverdingen. Denn die Resonanz auf die Ankündigung sei bereits enorm, man erfahre viel Zuspruch. „Klein kriegen sie uns nicht, wir kriegen die Stimmen zusammen“, ist er sich sicher.

Für Landrat Ostermann kommt es allerdings viel mehr darauf an, die Bürger des gesamten Heidekreises davon zu überzeugen, dass es enorm wichtig sei, ein topmodernes, zentrales Krankenhaus zu haben, das für die nächsten Jahrzehnte die allerbeste Gesundheitsversorgung biete. Dies, so erklärt er gegenüber der Böhme-Zeitung, lasse sich nur noch in der Kreisstadt realisieren „oder aber gar nicht“. Und Letzteres bringt er durchaus in Verbindung mit dem Bürger- entscheid, dessen Ergebnis bei günstigem Verlauf frühestens im Dezember vorliege.

„Das wäre ein fataler Fehler“ – Dr. Hans-Peter Ludewig, Grünen-Fraktionschef

Falls es erfolgreich sei, dann könnte mit den Planungen für Dorfmark erst danach, also frühestens Anfang 2021 begonnen werden. Die Unterlagen aber müssen beim Krankenhausplanungsausschuss in Hannover spätestens am 30. September 2021 vorliegen, um eine Chance auf die 130 Millionen Euro avisierten Fördermittel zu erhalten. Die vorausgehenden Untersuchungen dürften nicht eins zu eins vom jetzt begutachteten Standort F4 auf Dorfmark übertragen werden. Dafür müsste man ganz neu beginnen mit der Ausschreibung, dem Architektenwettbewerb und der Kostenschätzung. „Da der Heidekreis ein neues zentrales Krankenhaus, das rund 200 Millionen Euro kostet, nicht zu 100 Prozent selbst finanzieren kann und unbedingt die 130 Millionen Euro Zuschuss vom Land benötigt, würde es bei erfolgreichem Bürgerentscheid für den Standort Dorfmark kein neues Krankenhaus geben können.“

Ähnlich unterstreichen das politische Vertreter des Kreistags. Direkte Demokratie fände er gut, um die Bürger mehr einzubeziehen, sagt SPD-Fraktionschef Sebastian Zinke. Er warnt aber vor den Konsequenzen: „Wenn wir es selbstfinanzieren müssen, weil der Zeitplan nicht einzuhalten ist, dann ist das Projekt gestorben.“ Er setzt vielmehr darauf, jetzt weiter für das Projekt beim Bürger zu werben. Ähnlich bewertet Dr. Hans-Peter Ludewig als Grünen-Fraktionschef im Kreistag das Verfahren: Wer dem Bürgerbegehren folge, müsse sich eingestehen, dass damit der Neubau komplett verhindert werde: „Das wäre ein fataler Fehler“, sagt er, spreche aber nicht für die gesamte Meinung der Fraktion. Als legitimes Mittel wertet CDU-Fraktionschef Torsten Söder das Verfahren. Auch er schätzt, dass es am Ende mit einem Ergebnis Dorfmark kein Krankenhaus geben wird, aufgrund des zeitlichen Verzugs. „Jeder der unterschreibt, muss sich darüber im Klaren sein.“

Auch Dietrich Wiedemann hält das Bürgerbegehren für „fatal“, es drohe ein „destruktives Endergebnis ohne die Chance eines konstruktiven Ansatzes“, glaubt der Soltauer Grünen-Kreistagsabgeordnete. „Eine saubere Lösung wäre hingegen eine Gebietsreform, in der der Landkreis nach Maßgabe der Pendler-Ströme aufzuteilen und den Metropol-Regionen zuzuordnen wäre. Für diese Zukunftsvision ist die Politik aber zurzeit noch nicht reif.“ Die Fraktion von FDP und Bürgerunion, die Tanja Kühne vertritt, sieht das Bürgerbegehren durchaus differenzierter. Kühne bewertet die Initiative als Ergebnis einer mangelnden öffentlichen Beteiligung. Die Fraktion werbe seit drei Jahren für mehr Transparenz in Sachen Krankenhauspolitik, insbesondere zu den Kosten. Bedauerlicherweise gebe es da keine Unterstützung, und die HKK-Verantwortlichen hätten mit dem Wissen und dem Stillschweigen ihrer Fraktionskollegen agiert. Das bedeute: „Verengung des Informationsflusses auf die, die für die jeweiligen gewünschten Entscheidungen erforderlich waren.“ Das Anstreben eines Bürgerentscheides sei zu akzeptieren.

Kühne: Keine Sternstunde für die gesamte Kreispolitik

Aus persönlicher Sicht wird Kühne allerdings noch deutlicher und bezeichnet die Entscheidung für F4, obwohl gesagt worden sei, dass Dorfmark Frieden bringen würde, nicht als Sternstunde für die gesamte Kreispolitik der Zukunft und damit für eine Befriedung, sondern es sei eine Kampfansage, die die Initiatoren des Bürgerbegehrens jetzt angenommen hätten. Sie könne gut mit beiden Standorten leben, da der Bau nicht von der Örtlichkeit, sondern von der optimalen medizinischen Versorgung abhängig sei. „Hätten wir die Kraft des gesamten Kreises an Bord, das neue Krankenhaus zu stemmen, dann wäre die Chance für den Erfolg in Dorfmark genauso hoch wie in der Kernstadt Bad Fallingbostel.“ Jetzt, so Kühne, sei das Image des potenziellen Krankenhauses ruiniert, bevor Architekten überhaupt den ersten Stein planen könnten.

Die AfD im Kreistag verweist darauf, dass der große Einsatz für einen anderen Standort zu spät komme. Bei Erfolg des Bürgerbegehrens, so Bernhard Schielke, sei der Klinikneubau sehr gefährdet. Und ohne Neubau würde möglicherweise der Standort Soltau geschlossen werden, denn zwei Standorte könne man sich auf Dauer nicht leisten. Den Standortnachteil durch F4 sollten sich die Nordkreiskommunen bei Zahlung der Kreisumlage an den Landkreis vergüten lassen, schlägt die AfD vor.

Infobox: Architektenwettbewerb gestartet

Das Bürgerbegehren hat keine aufschiebende Wirkung, die Planungen gehen weiter wie geplant. Am Donnerstag wurde der Architektenwettbewerb für den HKK-Neubau südlich von Bad Fallingbostel gestartet. Dafür sind Ausgaben von 800 000 bis 1,2 Millionen Euro eingeplant, um die Vorschläge entsprechend zu honorieren. Die Summe ist ebenfalls förderfähig und könnte Teil der Fördersumme von 130 Millionen, wie Landrat Ostermann betont, seien es brutto 155 Millionen Euro, sein. Federführend bei der Planung ist weiter das Heidekreis-Klinikum selbst. At

BU: Die gelben Hinweiszettel auf das Bürgerbegehren, das Otto Elbers mitinitiiert, sind bereits gedruckt. Die Unterschriftenlisten fehlen aber noch.

Die gelben Hinweiszettel auf das Bürgerbegehren, das Otto Albers mitinitiiert, sind bereits gedruckt. Die Unterschriftenlisten fehlen aber noch. Foto: at

Die gelben Hinweiszettel auf das Bürgerbegehren, das Otto Albers mitinitiiert, sind bereits gedruckt. Die Unterschriftenlisten fehlen aber noch. Foto: at

Anja Trappe