Lesermeinungen: Entscheidung mit Zweidrittelmehrheit

Zum Standort für ein neues Heidekreis-Klinikum (HKK), BZ vom 27. Juni 2020

Nun hat der Kreistag also entschieden, und die Emotionen schlagen, erwartungsgemäß, hoch. Zugegeben, als Bewohner des Südkreises wäre ich über einen Standort im Nordkreis auch nicht erfreut gewesen, auch bei mir hätten sich Ressentiments wie „jetzt haben sie neben dem DOS und den ganzen Freizeitangeboten in Bispingen auch noch das HKK bekommen“ gebildet. Aber, ich hätte die Entscheidung akzeptiert. Akzeptiert deshalb, weil ich glaube, dass sich kein Kreistagsabgeordneter die Entscheidung leicht gemacht hat, weil es neutrale und sachliche Gutachten dazu gibt und ich mich mit meinem Sachverstand nicht über Fachleute hinwegsetze.

Reflexhaft wird jetzt wieder mehr „Bürgerbeteilung“ gefordert. Die gewählten Abgeordneten sind die Bürgerbeteiligung. Ich erwarte von ihnen, dass sie auch mal unbequeme und sie Wählerstimmen kostende Entscheidungen treffen. Was soll denn bei einer Bürgerabstimmung (wie auch immer auf die Beine gestellt) herauskommen? Ein eindeutiges Ergebnis pro/kontra HKK und dessen Standort? Wohl kaum. Ein „weiter so“ mit zwei Krankenhausstandorten kann und wird es nicht geben. Die Patienten stimmen ja bereits heute mit den Füßen ab. Bleibt also nur die Wahl zwischen Neubau oder mittelfristig gar keiner stationären Behandlung mehr im Heidekreis. Beim Neubau haben wir die Chance, aber nicht die Gewissheit, dass sich ambitionierte Ärzte engagieren und kommen, das Patienten das neue, moderne Krankenhaus annehmen. Bei Schließung beider Häuser hätten wir nur Gewissheiten. Die Kosten wären klar und niedrig, die Patienten würden in Nachbarkreise fahren, sicher wäre aber auch, für den/die eine oder andere wäre der Weg im akuten Fall zu weit, und es würde Leben kosten.

Bei einem flächenmäßig so großen Kreis kann es gar nicht allen recht gemacht werden. Wintermoor und Lindwedel liegen einfach so weit abseits, dass sie nicht jeden Standort annehmen würden. Aber jetzt jede Fahrminute aufzurechnen ist auch ziemlicher Blödsinn. Bereits jetzt fahren doch viele nach ROW, in die MHH, ins UKE, nach Celle, etc. und dies größtenteils, weil sie dort eine besser Behandlung vermuten. Mit einem neuen HKK kann das hoffentlich geändert/gebremst werden. Das Thema eignet sich nicht dazu, alte Gräben wieder zu öffnen und einen Standort nur deshalb abzulehnen, weil er Fallingbostel heißt.

Torsten Niemeyer, Bad Fallingbostel

Der Kreistag hat entschieden. Ich denke, das ist gut so, insbesondere, weil mit einer klaren Zweidrittelmehrheit entschieden wurde. Der Kreistag hätte anders entscheiden können. Hat er aber nicht. Gute Gründe für eine andere Entscheidung hätte es sehr wohl gegeben. Die Böhme-Zeitung hat nach meiner Einschätzung alle Meinungen ausreichend wiedergegeben und zusätzlich die Emotionen für Dorfmark angeheizt. Das Erste war ihre Aufgabe. Das Zweite hat in der Sache am Ende nicht geholfen, hat aber einen emotionalen Scherbenhaufen produziert.

In Zeiten von Corona, Klimawandel und massiven Einbrüchen im Wirtschaftsleben mit dem Verlust von vielen Tausend Arbeitsplätzen, dürfte es in den nächsten Jahren schwierig bleiben, für die Befindlichkeiten aus dem Altkreis Soltau außerhalb vom Heidekreis Verständnis zu finden. Ob es gelingt, die Entscheidung vom Kreistag umzusetzen und ob unser neues Heidekreisklinikum dann erfolgreich betrieben werden kann, weiß jetzt niemand. Garantien dafür hätte es auch am Standort Dorfmark nicht gegeben. Es spricht aber viel dafür, dass die Chancen für eine erfolgreiche Klinik größer sind, wenn der Heidekreis jetzt nach dieser Entscheidung nach außen geschlossen auftritt.

In der Tat finanzieren Bürgerinnen und Bürger über die Kreisumlage gegebenenfalls eine neue Klinik mit, obwohl ihre Belange einer möglichst nahen Klinik nicht als maßgebliche Entscheidungsgrundlage berücksichtigt wurden. So wie sie Schulen und Kreisstraßen mitfinanzieren, die sie oder ihre Kinder nicht nutzen (wollen oder können). Gleichzeitig können sie Kliniken in anderen Landkreisen aufsuchen, zu deren Finanzierung sie mit ihrem Anteil an der Kreisumlage nicht beigetragen haben. Im Herbst 2021 werden wir bei den Kommunalwahlen sehen, ob der Anteil der Kreistagsmitglieder, die den Altkreisgedanken höher bewerten als das Wir im Heidekreis, im neuen Kreistag mehr oder weniger werden. Die Initiative zur Wiedereinführung der alten Kfz-Kennzeichen ist vor geraumer Zeit ziemlich krachend gescheitert. Ob bei stetig sinkenden Abozahlen der Landkreis groß genug für zwei Tageszeitungen ist, wird dann wohl auch die Zukunft zeigen. Noch sind da die alten Kreisgrenzen fest zementiert. Für mich ein wichtiger Grund, warum es jetzt so schwer fällt, das Misstrauen beiseite zu legen und miteinander Kompromisse zu finden, die von möglichst allen mitgetragen werden können.

Detlef Dwenger, Soltau

Als die Südkreispolitiker vor 10 Jahren unter der Flagge der CDU zusammen mit ausreichend Stimmen von SPD und Grünen die Verlagerung der Hauptabteilungen des HKK nach Walsrode durchgesetzt haben, hielten sie die Versorgung der nördlichen Bevölkerung für verzichtbar. Wirtschaftlich arbeiten könnte das HKK, indem es aus den Nachbarstädten Verden, Nienburg, Celle, Großburgwedel, neue Patienten gewinnen würde, auch die (gerade im Abzug begriffenen) Briten. Das Gegenteil war der Fall. Der Eigenversorgungsgrad des HKK ist auf 46,3 Prozent gesunken, das heißt, 53,7 Prozent der Bevölkerung unseres Kreises suchen heute Kliniken anderer Landkreise auf, sind für das HKK verloren. Die Kliniken der Nachbarkreise können einen Eigenversorgungsgrad ihrer Bevölkerung von durchschnittlich 70 Prozent aufweisen und versorgen die 53,7 Prozent Heidjer mit. Auch engagiertes medizinisches Personal konnte die falsche Standortentscheidung nicht ausgleichen.

Um die Insolvenz abzuwehren, hat der Landkreis seitdem über 62 Millionen Euro Subventionen aufgebracht. Die Strippenzieher von damals haben den bekannten Pyrrhussieg errungen. Mit ihrer jetzigen Standort-Entscheidung wollen die Feierabendpolitiker, diesmal unter der SPD-Flagge, den gleichen Fehler noch mal machen. Wieder haben die Abgeordneten vermutlich nicht alle das Gutachten gelesen. Sonst hätten sie doch bemerken müssen, dass die für F4 behauptete Wirtschaftlichkeit – unter Verzicht auf Rückgewinnung von 30 Prozent der eigenen Heidekreis-Bevölkerung – nicht auf Zahlen, Daten und Fakten beruht, sondern wieder auf den alten Wünschen und Träumen der Patientengewinnung aus Nachbarkreisen.

Die Träume haben sich über zehn Jahre als Luftschlösser erwiesen. Trotzdem hat die Mehrheit der Abgeordneten so abgestimmt wie es sich die Strippenzieher mit Partikularinteressen und Kirchturmdenken gewünscht haben. Auch ein neues Haus am falschen Standort wird nicht florieren können. Es wird bisher nicht absehbare Erstellungskosten um 300 Millionen Euro oder mehr verursachen und wieder erhebliche Dauer-Subventionen benötigen. Ein Desaster für die medizinische Versorgung des Heidekreises! Und wird der Landkreis die gewaltigen finanziellen Belastungen tragen können? Wieder ein Pyrrhussieg. Vielleicht bemerkt ja das Land Niedersachsen die Widersprüche und vergibt die Fördersumme an andere Antragsteller sinnvoller. Oder es findet sich ein Kläger, der versucht, das Dilemma juristisch abzuwenden?

Dr. Wolfram Franz, Soltau

Die in der Böhme-Zeitung immer wieder hochemotional geführte Debatte um den Standort des zukünftigen Heidekreis-Klinikums finde ich einigermaßen befremdlich. Wir fahren zum Möbelkauf nach Buchholz, Großburgwedel oder Posthausen. Wir sparen den Einzelhandel vor Ort kaputt, indem wir für ein paar Euro weniger lieber im Internet bestellen statt vor Ort zu kaufen. Zum Shoppen regelmäßig in das Outlet an der A 7, nach Hamburg, Hannover, Bremen oder Lüneburg zu fahren, ist für die meisten von uns selbstverständlich. Die Schwächung der Infrastruktur vor Ort wird billigend in Kauf genommen.

Dass die Wahl der Klinik, in die wir uns zur Behandlung begeben, davon abhängen soll, ob diese ein paar Kilometer näher am Wohnort ist (es sind von Schneverdingen, Munster und Bispingen aus deutlich weniger als 10 Kilometer Unterschied zum Standort Dorfmark), ist durch die Abwanderung von Patient*innen in entferntere Häuser aufgrund des Vertrauensverlustes in die beiden HKK-Kliniken längst widerlegt. Es geht um ein paar Minuten mehr oder weniger Anfahrtszeit. Die Notärztliche Versorgung ist davon nicht betroffen, weil die Rettungswachen dezentral stationiert sind.

Ob ein neues Heidekreisklinikum von den Bürgerinnen und Bürgern des Heidekreises gut angenommen wird, hängt m. E. nicht davon ab, ob es in Fallingbostel oder Dorfmark gebaut wird. Es wird sich daran entscheiden, ob durch ein leistungsstarkes und qualitativ hochwertiges Angebot zur Gesundheitsversorgung das verloren gegangene Vertrauen wieder gewonnen werden kann. Mit dem Erhalt der beiden bisherigen Standorte scheint das nicht zu gelingen, das haben die vergangenen Jahre gezeigt. Daher sollten wir jetzt das gemeinsame Ziel im Auge behalten: eine leistungsstarke und zukunftsfähige Klinik. Wenn dem Heidekreis durch langwierige Klageverfahren die Fördermittel des Landes Niedersachsen flöten gehen, ist eine Chance voraussichtlich auf Jahrzehnte hin vertan.

Sabine Dwenger, Soltau

Es ist entschieden, und das ist ein deutliches Zeichen. Der Nordkreis soll zahlen, aber eine entsprechende Gegenleistung durch Nutzung des neuen Süd-HKK schließt sich fast aus. Andererseits hat z.B. Schneverdingen mit dem Südkreis wenig gemeinsam, aber um so mehr mit den nördlich gelegenen Kommunen. Insofern bietet sich an, nun endlich mal wieder die Frage aufzuwerfen, soll Schneverdingen im Heidekreis bleiben? Ein Krankenhaus ist sicherlich nicht der einzige Kreisbezug, die Orientierung zueinander aber schon, der Südkreis hat mit dem Nordkreis genauso wenig Verbindendes wie umgekehrt. Also sollte man sich als Konsequenz eine Trennung gönnen. Schneverdingen kann sich dem Norden angliedern, da gehören wir gefühlt schon immer zu. Sicherlich hat der Heidekreis seinen Namen aufgrund des Bezugs zur Heide. Ein neu geschnittener Landkreis mit Ex-Schneverdingen könnte sich „Walsrode-Fallingbostel“ nennen. Oder wie auch immer …, der Südkreis wird es für sich schon „richten“.

Jörg Briesemeister, Schneverdingen

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