Kommentar: Der Norden ist einfach zu schwach
Von Jörg Jung
Die heute im Kreistag voraussichtlich anstehende Entscheidung, das neue Heidekreis-Klinikum bei Bad Fallingbostel zu bauen, bietet einen Vorgeschmack auf das, was dem Nordkreis in den kommenden Jahren und Jahrzehnten bevorsteht: Er wird abgehängt vom Südkreis. Der Zusammenschluss Walsrodes mit Bomlitz Anfang dieses Jahres hat die Lönsstadt bereits zur eindeutigen Nummer eins im Landkreis mit mehr als 30 000 Einwohnern gemacht, während Soltau mit gut 21 000 Einwohnern klar das Nachsehen hat. Tatsächlich muss man zu Walsrode aber auch noch Bad Fallingbostel zählen, liegen die beiden Städte doch lediglich neun Kilometer auseinander. Dann hat man es mit einem Raum zu tun, der mehr als 42 000 Einwohner zählt – also das Doppelte von Soltau. Einen ähnlichen Raum weist der Norden nicht auf: Soltau, Schneverdingen und Munster liegen viel zu weit auseinander und haben kaum gemeinsame Ziele.
Dies spiegelt sich auch bei der Durchsetzung von politischen Interessen wider. Während sich die Südkreisler um die Machtzentrale Walsrode/Bad Fallingbostel sammeln, gibt es im Norden kein derartiges politisches Zentrum. Auch die Kreitagsabgeordneten aus dem Norden verbindet wenig. Sie stellen zwar die Mehrheit im Kreistag, doch der Wille, daraus einen Machtanspruch abzuleiten, ist schlicht nicht vorhanden. Dabei wäre die anstehende Krankenhausentscheidung der beste Anlass für einen Schulterschluss der Nordkreisabgeordneten, um den Standort durchzusetzen, der im 30-Minuten-Einzugsbereich der meisten Kreisbewohner liegt: Dorfmark. Damit hätten sie auch keine Partikular-interessen vertreten, sondern im Sinne der bestmöglichen Daseinsvorsorge für die meisten Heidekreisbewohner gehandelt.
Doch es zeichnet sich eine andere Entscheidung ab, und in die Röhre gucken dann die Bewohner des Nordkreises – besonders die in Schneverdingen und Munster. Sie haben zwar das defizitäre Krankenhaus an den Standorten Soltau und Walsrode mitfinanziert, müssen jetzt aber feststellen, dass sie von einem zentralen Neubau, der alle Abteilungen vereinen wird, nichts haben. Enttäuscht werden noch mehr Menschen die Krankenhäuser in Rotenburg, Buchholz und Uelzen ansteuern. Der Südkreis hat mit dem neuen Krankenhaus und zwei in unmittelbarer Nachbarschaft liegenden Städten einen unschätzbaren Standortvorteil gegenüber dem Altkreis Soltau, um Unternehmen anzusiedeln und Fachkräfte anzulocken. Der Norden muss hoffen, dass er mit dem, was für ihn übrig bleibt, langfristig überleben kann. Damit ist auch schon die Frage beantwortet, wer der Nutznießer der Kreisreform von 1977 ist – die cleveren Südkreispolitiker können sich auf die Schulter klopfen.
Das Gerede vom Zusammenwachsen der Altkreise hat nun hoffentlich ein Ende, denn wer wollte das dem Kreistag noch abnehmen? Das Zusammengehörigkeitsgefühl von Nord und Süd hat es nie gegeben und wird es auch in Zukunft nicht geben. Auch das haben die Südkreispolitiker erreicht. Vielleicht vergießen sie darüber eine Krokodilsträne – mehr aber nicht. Und selbst die würde bei dem Gedanken an das neue Südkreiskrankenhaus schnell trocknen.