Kommentar: Überdeutliches Votum

Von Jörg Jung

Das deutliche Abstimmungsergebnis ist für den Nordkreis eine herbe Enttäuschung. Dass Dorfmark nicht die Mehrheit der Stimmen als Standort des neuen Heidekreis-Klinikums (HKK) bekommen wird, war bereits vor der Sitzung sehr wahrscheinlich. In dieser Klarheit aber war das Votum für Bad Fallingbostel nicht zu erwarten. Dafür war das Zustandekommen der Gutachterempfehlung für Bad Fallingbostel mit zu vielen Makeln behaftet, die unter anderem das Aufsichtsratsmitglied des HKK, Dr. Ronald Begemann, im Streitgespräch mit SPD-Fraktionschef Sebastian Zinke in der Redaktion der Böhme-Zeitung herausgearbeitet hat.

Die Kreistagsdebatte über die Standortfrage war der Bedeutung des Themas angemessen. Die Befürworter von Bad Fallingbostel und Dorfmark haben ihre Argumente engagiert vorgetragen. Nicht angemessen war daher der Versuch von Bernd Ingendahl aus der SPD-Fraktion, die Debatte per Geschäftsordnungsantrag abzuwürgen, da nach den ersten Rednern bereits alles gesagt worden sei. Das war anmaßend und zeigte ein mangelndes Verständnis, wie eine demokratische Auseinandersetzung funktioniert. Zu Recht hat sich Lutz Winkelmann (CDU) darüber aufgeregt. Glücklicherweise ist Kreistagsvorsitzender Friedrich-Otto Ripke Ingendahls Antrag nicht gefolgt – eine seiner seltenen souveränen Entscheidungen an diesem Abend, wirkte seine Sitzungsleitung in weiten Teilen doch eher fahrig. Zu dieser Einschätzung trägt auch bei, dass er es sich trotz Corona nicht nehmen ließ, fleißig Hände zu schütteln.

In der Debatte selbst haben unter anderem Heidi Schörken, Dr. Karl-Ludwig von Danwitz und Winkelmann (alle CDU) ihre Gründe überzeugend dargelegt, warum Dorfmark Bad Fallingbostel vorzuziehen sei. Dass sie sich ihren Wählern vor Ort verpflichtet fühlen, ist eine Selbstverständlichkeit, wurde aber von der SPD-Fraktion mit Unverständnis quittiert – eine merkwürdige Reaktion angesichts der Tatsache, dass es sich bei dem Standort Dorfmark ja nicht um einen absurden, sondern wohlbegründeten Vorschlag handelt. In eine ähnlich bedenkliche Richtung ging der Debattenbeitrag von Dr. Hans-Peter Ludewig von den Grünen, der auf sein internationales Netzwerk verwies und berichtete, dass seine Gesprächspartner überhaupt nicht nachvollziehen könnten, dass der Heidekreis um Standorte streite, die nur wenige Kilometer auseinander lägen. Da stellt sich die Frage, warum sich Ludewig in einen Kreistag hat wählen lassen, in dem es von dessen Selbstverständnis her um solche Punkte gehen muss.

Fritz-Ulrich Kasch (FDP) hat auf den Schwachpunkt der Befürworter von Bad Fallingbostel hingewiesen, dass es für den Kreistag keinen Automatismus bedeuten könne, einer Gutachterempfehlung blind zu folgen. Seine Fraktionskollegin Tanja Kühne kritisierte, dass eine Informationspolitik im Vorfeld der Standortentscheidung kaum stattgefunden habe und die Coronakrise dafür als Ausrede nicht trage. Dem ist zuzustimmen, liegen doch Online-Lösungen auf der Hand. Offensichtlich war der Landkreis zu träge oder nicht willens, die Bevölkerung ausreichend zu informieren. Zwei Redebeiträge stachen gegenüber den anderen heraus. Timo Albeshausen (CDU) hielt seinen ersten und dazu souverän vorgetragenen Debattenbeitrag, in dem er zugab, dass es ihm als Südkreisler leichter falle für Bad Fallingbostel zu stimmen als seinen Nordkreiskollegen. Er bewies damit ein Maß an Empathie, das vielen anderen Rednern abging.

Den niveauvollsten und nachdenklichsten Beitrag lieferte Zinke. Der SPD-Fraktionschef und Landtagsabgeordnete ließ zwar keinen Zweifel daran, dass er Bad Fallingbostel für den besten Standort hält. Doch hat er betont, dass die vom Nordkreis in diesem Fall gefühlte Benachteiligung eine Tatsache sei. Und der müsse man Rechnung tragen. Auch ließ er keinen Zweifel daran, wessen Aufgabe es sei, die Gräben zwischen Nord und Süd zu überwinden: die vom Landrat. Und schon hatte Manfred Ostermann den „schwarzen Peter“. Allerdings ist es auch Aufgabe des Kreistags insgesamt, den immensen Standortvorteil des Südkreises durch den Bau des zentralen Krankenhauses im Raum Walsrode/Bad Fallingbostel auszugleichen durch eine bevorzugte Berücksichtigung des Nordens bei der Ansiedlung künftiger Kreiseinrichtungen oder auch bestehender. Man darf gespannt sein, ob sich die Südkreisabgeordneten dieser Verantwortung bewusst sein werden.

Zinkes Rede und sein Wirken als SPD-Fraktionschef, der es geschafft hat, seine Abgeordneten auf ein einheitliches Abstimmungsverhalten einzuschwören, macht eins deutlich: Er ist auf dem Weg zu einem politischen Schwergewicht, möglicherweise auch in Hannover. Da wird es für die CDU schwer, bei der nächsten Landtagswahl einen aussichtsreichen Gegenkandidaten beziehungsweise eine aussichtsreiche Gegenkandidatin zu präsentieren.

Jörg Jung