„Dorfmark würde Frieden bringen“
Von Anja Trappe
Bad Fallingbostel. Es gibt vieles, was so eine Kreistagssitzung sein kann: Von einer reinen Abstimmungsrunde bis hin zur Plattform für gute Redner. Am Freitag bot der Kreistag zusätzlich heimatkundlichen Geschichtsunterricht – über weit mehr als eine Schulstunde hinaus. Die Abgeordneten setzten sich erstmals und durchaus heftig mit der Zukunft der medizinischen Versorgung im Heidekreis auseinander. Ein topmodernes Krankenhaus, das die Konkurrenz in Hannover, Hamburg und Bremen nicht zu scheuen braucht, soll gebaut werden, wie es Landrat Manfred Ostermann formulierte.
Die Grundlage dafür sei, beschworen einige Redner, die Überwindung eben jenes historisch bedingten Nord-Süd-Konfliktes. Für andere, die den letztlich gewählten Standort F4 in-frage stellten, war es aber vorwiegend die Erreichbarkeit, an der auch die Attraktivität des neuen Krankenhauses hänge. Man würde billigend in Kauf nehmen, dass rund 42 000 Menschen aus dem Norden des Heidekreises keine Akzeptanz für den Standort südlich Bad Fallingbostels zeigen würden, erklärte unter anderem Heidi Schörken (CDU) aus Soltau. Sie stellte den Antrag für den zentraleren Standort Dorfmark, der letztlich scheiterte.
Die SPD betonte dagegen ihre Geschlossenheit. „Dem Heidekreis gehe es aktuell nicht gut“, bilanzierte SPD-Fraktionschef und stellvertretender HKK-Aufsichtsratsvorsitzender Sebastian Zinke gleich zu Beginn der Aussprache. Als Operation beschrieb er die Zusammenlegung der Altkreise Soltau und Fallingbostel im Jahr 1977. An deren Naht klaffe noch immer eine Wunde. Weil immer wieder Salz hineingestreut werde, könne sie sich nicht schließen. Insbesondere warf er das seinen Kreistagskollegen Lutz Winkelmann und Dr. Karl-Ludwig von Danwitz (beide CDU) vor. Verwerflich sei es, Ängste zum eigenen Vorteil zu nutzen. Für die SPD nahm Zinke in Anspruch, mit einer Therapie die Wunde heilen zu wollen. Mit der Zustimmung zu Bad Fallingbostel würden beide Teile des Landkreises zusammengeführt. Man sei fest von F4 überzeugt, aufgrund der Erschließbarkeit, der Topografie, des Bahnanschlusses, der Größe der Fläche und der Erreichbarkeit auch aus den nördlichen Kommunen.
In die jüngere Geschichte blickte CDU-Fraktionschef Torsten Söder zurück und monierte, dass man sich 2018 durchweg gegen das Kirchturmdenken ausgesprochen habe, als es um den Beschluss für ein zentrales Krankenhaus gegangen sei. Jetzt forderte er das ein, das Gutachten sei schlüssig, F4 der geeignetste Standort, Dorfmark höchst riskant. Tief in die Historie tauchte Kreistagsvorsitzender Friedrich-Otto Ripke (CDU) ein, blickte sogar 88 Jahre zurück und stellte fest: „Dorfmark würde Frieden bringen und Wunden heilen“. Er warb aber für Bad Fallingbostel als besten Standort. Auch er warf Kreistagskollegen „persönliche Interessen“ vor, bezeichnete Soltaus Bürgermeister Helge Röbbert als „falschen Propheten“, der erkläre, zwei Klinikstandorte halten zu können. Hier gehe es um Fakten, Vernunft und Logik, wer für Dorfmark stimme, würde einen Neubau verspielen. Genau diese Zahlen und Daten des Gutachtens zogen seine Fraktionskollegin Schörken und weitere Abgeordnete des Nordkreises in Zweifel. Selbst im Gutachten würde auf die Unsicherheit der Daten hingewiesen, erklärte Schörken. Nicht berücksichtigt worden seien die Eisenbahnschranken in Soltau, fragwürdig die Zeitangaben zur Erreichbarkeit und zum Notfalleinsatz. Zudem, so Schörken, könne es nicht darum gehen, im südlichen Bereich anderen Kliniken Patienten abzuwerben, und „freundlich geschätzt“ werde der Klinikneubau 295 Millionen Euro kosten. Sie begrüßte, dass auch die SPD zur Erkenntnis gelangt sei, dass ein Kosten- und Finanzierungsplan notwendig sei, „was aber für mich leider auch die einzige nachvollziehbare Reaktion der Kreistagskollegen aus dem Nordkreis auf die vorliegende Untersuchung ist“.
Alle müssten gut in zentrales Krankenhaus gelangen
Silke Thorey-Elbers (CDU), ebenfalls Soltauerin, war verwundert, dass es jetzt heiße, dass ein Standort nördlich von Bad Fallingbostel gar nicht infrage käme, wo das Krankenhaus doch in die Kreismitte gehöre. Auch sie zweifelte die Schlussfolgerungen der Gutachten an, insbesondere dass der Defizitbedarf schon 2028 auf Null zurückgefahren werden könnte. Als Antwort auf Vorredner Zinke wollte sich Klaus Grimkowski-Seiler (BU) weiter als Salzstreuer betätigen: Zu einem zentralen Krankenhaus für alle Bürger müssten alle gut gelangen können, weil alle es auch bezahlen müssten. Schon jetzt, stellte der Soltauer fest, stehe dem Landkreis finanziell das „Wasser bis zum Hals“.
Der Soltauer Bernhard Schielke (AfD) kritisierte, dass sich der künftige wirtschaftliche Erfolg auf dem Patientenpotenzial aus dem Raum Hannover begründen solle, wo die Klinik doch aus- schließlich für die Kreisbewohner zuständig sein sollte. Der Munsteraner Lutz Winkelmann (CDU) wehrte sich gegen den Vorwurf, Wahlwerbung zu betreiben oder Hinterwäldler zu sein, wie zuvor der Grüne Dr. Hans-Peter Ludewig erklärt hatte, weil dieser den Konflikt zwischen Nord und Süd nicht nachvollziehen könne. Statt Daten, Zahlen und Fakten bewertete er die Gutachten als Annahmen, Thesen und Irrtum. „Der Erfolg der Klinik hängt davon ab, dass die Leute da hingehen.“ Das habe nichts mit „ewig gestrigen Nordkreismitgliedern“ zu tun. Fritz-Ulrich Kasch (FDP), der sich als Abgeordneter für Neuenkirchen und Schneverdingen bezeichnete, warnte davor, dass F4 nicht funktionieren werde, weil der Standort aus dem Nordkreis heraus nicht akzeptiert werde. Ähnlich argumentierte Dr. Karl-Ludwig von Danwitz (CDU). Dorfmark, so der Mann aus Wintermoor, liege am Zentralsten. Ihn persönlich zu difamieren, wies er zurück: Er denke an die Wähler, die ihn gewählt hätten. Gegen Ende schaltete sich der Schneverdinger Dieter Möhrmann (SPD) in die Diskussion ein und verwies auf den Rechtsrahmen. Emotionen spielten eine wichtige Rolle, aber Bad Fallingbostel sei der planungssicherere Standort.
Warum die Emotionen allerdings überhaupt im Nordkreis höher kochten, versuchte Tanja Kühne (FDP) zu erklären: Sie wunderte sich, dass niemand nach Munster, Bispingen oder Soltau gefahren sei, um die Ergebnisse der Untersuchung dort darzulegen. Trotz Corona sei es möglich gewesen, vor Ort mit den Bürgern zu diskutieren. Auch der Kreistag diskutierte erst jetzt zum ersten Mal richtig dazu. Schwierig empfand es auch sie, wenn der Standort Bad Fallingbostel die Akzeptanz von fast 50 Prozent der Bevölkerung nicht erhalte. Auch Kühne stimmte aber nach einer gut zweieinhalb Stunden dauernden Diskussion wie die große Mehrheit des Kreistages für diesen Standort.