HKK: Hannover widerlegt SPD-Argument
Von Bernhard Knapstein
Heidekreis. Die Politik hat sich zur Zukunft des Heidekreis-Klinikums (HKK) weitgehend positioniert. Die Mitglieder des Kreistags entscheiden heute darüber, für welchen Standort ein Architektenwettbewerb ausgeschrieben werden soll, um eine Projekt- und Kostenplanung für ein neues, jetzt geeintes Krankenhaus zu entwickeln – eine wesentliche Grundlage, um einen denkbaren, aber keineswegs sicheren Zuschuss des Landes in Höhe von 130 Millionen Euro zu generieren. Während die Kreistagsmitglieder der CDU als größte Fraktion unterschiedlich votieren werden, hat sich die SPD als zweitgrößte Fraktion entschlossen, für einen südwestlich von Bad Fallingbostel gelegenen Standort im Suchbereich F4 zu stimmen, auch wenn hinsichtlich der guten Erreichbarkeit des Klinikums binnen 30 Minuten der Flächensuchbereich D4 in Dorfmark ideal ist, wie die BZ in einer Recherche belegen konnte.
Aus den Reihen der Sozialdemokraten wird vor allem ins Feld geführt, dass „das Land aus Gründen der Raumordnung keinen Klinikneubau auf dem Dorfe zulassen, gar finanziell fördern“ werde. So argumentiert etwa die SPD Schneverdingen um die Kreistagsmitglieder Dieter Möhrmann und Hans Jürgen Thömen, ähnlich auch die SPD in Munster. Raumordnungsrechtlich werde Dorfmark erst seit wenigen Tagen problematisiert, kritisiert CDU-Kreistagsmitglied Dr. Karl-Ludwig von Danwitz. „Wir waren noch am 8. Juni am möglichen Standort in Dorfmark – da war von Planungsrecht noch nicht die Rede“, so der Landtagsabgeordnete. „Das Argument kam erst mit dem wachsenden Widerstand gegen den Standort Bad Fallingbostel.“ Dass ein Raumordnungsverfahren für den Neubau des HKK zwingend sei, hat das dafür zuständige Landwirtschaftsministerium allerdings schon vorher verneint (BZ vom 22. Mai 2020). Das Ministerium hat lediglich betont, wichtig sei eine sachgerechte und transparente Auseinandersetzung mit den räumlichen Wirkungen. Die Argumentation der SPD ist schon an diesem Punkt irreführend, weil schlichtweg falsch.
Eine erneute Nachfrage der BZ beim Sozialministerium, ob die Landesregierung die Zuschüsse von dem konkreten raumordnungsrechtlichen Klinikstandort abhängig mache, beantwortete das SPD-geführte Ministerium darüber hinaus am vorgestrigen Mittwoch mit einem klaren „Nein“. Die Aufgabe der „Auswahl des besten Standortes ist Aufgabe des Landkreises und des Krankenhausträgers“. Dass eine Zentralklinik auch auf dem kleinsten Dorfe geplant und gebaut werden kann, belegt das Agaplesionklinikum Obernkirchen. Das Krankenhaus für den Landkreis Schaumburg wurde mittig zwischen die Städte Rinteln, Stadthagen und Bückeburg in dem 1400-Seelen-Dorf Vehlen errichtet und nach dreijähriger Bauzeit Ende 2017 eröffnet. Damit widerlegen die Landesregierung und das Schaumburger Klinikum die beiden wesentlichen Argumente der SPD. Doch damit nicht genug. Eine Entscheidung für den Standort Bad Fallingbostel stützt sich auf das sogenannte Trinovis-Gutachten, das das Klinikum laut HKK-Geschäftsführer Dr. Achim Rogge rund 20 000 Euro kosten wird. Das Gutachten der Hannoveraner Unternehmensberatung hat der Geschäftsführer im Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat in Auftrag gegeben. „Das ist so üblich“, sieht von Danwitz, der die Gremienarbeit kennt, an diesem Punkt keinen Grund für Kritik.
Schwierige Geschichte und Imageprobleme
Das Gutachten weckt Hoffnung darauf, dass das Klinikum für ein räumliches Umfeld von 185 000 Menschen interessant sein könnte, also 45 000 mehr, als der Heidekreis Einwohner hat. „Woher diese Mehrzahl allerdings kommen soll, ist mir ein Rätsel“, so von Danwitz. Die Berechnungen der Unternehmensberatung beziehen für die Fallzahl-Schätzung Patientenströme aus den Bereichen Celle, Verden und Burgwedel mit ein – alle drei Bereiche verfügen über eigene Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung und liegen laut einem Focus-Ranking von 2019 zudem nahe an gleich mehreren der deutschen TOP-100-Kliniken in Hannover. Trinovis prognostiziert insoweit eine Orientierung von Patienten von Exzellenzkliniken weg, hin zu einem Kreiskrankenhaus mit einer schwierigen Geschichte und Imageproblemen im eigenen Landkreis, wie die emotionale Diskussion um die Standortfrage belegt.
„Das ist ein klassisches Reißbrett-Gutachten“, wertet ein niedersächsischer Verwaltungsjurist. Er hat über Jahre als Behördenleiter, später als Berater für Kommunen mit Bau- und Planungsrecht zu tun gehabt und kennt die Abläufe und das Gutachterwesen. „Wenn Sie ein bestimmtes Ergebnis haben wollen, lässt sich das in der Regel in der gutachterlichen Analyse lenken“, gibt er der BZ einen vielsagenden Einblick in interessengesteuertes Planungswesen. Da er sich der Bedeutung solch freimütiger Aussagen bewusst ist, möchte er anonym bleiben. Das Problem an der vordergründig attraktiven Rechnung des Trinovis-Gutachtens sei, so der dezente Hinweis des Politikberaters mit Schwerpunkt auf Wirtschaftsverwaltungs- und Planungsrecht, dass die Bezuschussung am Ende genau daran scheitern könnte. Die Daseinsvorsorge verpflichte den Kreis gegenüber der eigenen Einwohnerschaft des Kreises, erst zweitrangig zur Wirtschaftlichkeit. „Das geplante Abwerben von Patienten von anderen systemrelevanten Häusern im ländlichen Raum könnte im Wettbewerb um Landesmittel am Ende sogar zu einem Punktabzug führen“, so sein dezenter Hinweis auf übergeordnete Landesinteressen.
Weshalb in der Beschlussvorlage von Landrat Manfred Ostermann den Kreistagsabgeordneten keine Wahl zwischen den beiden diskutierten Klinikstandorten gegeben, sondern der Fokus allein auf den nicht mittig im Landkreis gelegenen Standort F4 gelegt wird, bleibt angesichts der Verpflichtung der Kreisverwaltung gegenüber allen Einwohnern des Kreises eine offene Frage. Heute könnte sich der Kreistag theoretisch dennoch für Dorfmark entscheiden, denn Heidi Schörken (CDU) hat mit einer eigenen Beschlussvorlage eine Abstimmung auch über den möglichen HKK-Standort D4 in Dorfmark ermöglicht.