"Rechnerisch seriös, praktisch nicht"
Soltau. Ob es an den coronabedingten Einschränkungen lag oder an der Informationspolitik des Landkreises oder, wie Lutz Winkelmann (CDU) vermutete, dass schon im Vorfeld klar gewesen sei, dass Dorfmark keine Chance mehr habe – das Interesse an der öffentliche Sitzung des Kreisbauausschusses am Donnerstag war übersichtlich. Rund 50 Zuschauer verfolgten die Diskussion zum Empfehlungsbeschluss für den geplanten Standort des zentralen Heidekreis-Klinikums. Die meisten, der mit Corona-erforderlichem Abstand aufgestellten Stühle in der Heidemarkhalle in Bad Fallingbostel, blieben leer.
Ein Hauch einer resignativen Stimmung – auch, weil die Technik schlecht funktionierte, die Besucher die Präsentation per Beamer schlecht sahen – zog sich nach Empfinden einer Zuschauerin aus Soltau, wie sie im Nachhinein äußerte, durch die vierstündige Veranstaltung an deren Ende das bekannte Ergebnis stand: Der Standort südlich von Bad Fallingbostel soll für den Neubau dinglich gesichert werden. Im Kreistag, der gleichzeitig Gesellschafterversammlung des Klinikums ist, wird schlussendlich wohl nicht anders entschieden werden. Trotz der Mehrheit an Vertretern aus dem Altkreis Soltau in dem Kreisparlament, dort sind 27 Abgeordnete aus dem Norden vertreten und 23 aus dem Südkreis, exklusive Landrat Manfred Ostermann, der ebenfalls dazu gehört. Die SPD zumindest, so wurde es auch in der Sitzung am Donnerstag deutlich, wird geschlossen für Bad Fallingbostel stimmen.
Zügige Entscheidung, um Fristen zu wahren
Doch zunächst zur Sitzung am Donnerstag. Landrat Manfred Ostermann betonte, dass es bei der zügigen Entscheidung darum gehe, Fristen zu wahren, um im Rennen um die in Aussicht gestellten Fördermittel in Höhe von 130 Millionen Euro zu bleiben. Dafür sei Grundlage auch, das Grundstück festzulegen, um im September 2021 den Entscheidungsgremien des Landes eine konkrete Planung und Kostenschätzung vorlegen zu können. Der Krankenhausplanungsausschuss entscheide 2022. Wenn man keine Mittel aus dem Fördertopf erhalte, dann sei ein zentraler Neubau definitiv vom Tisch, so Ostermann. Der Landkreis alleine könne sich den Bau nicht leisten, inklusive der Fördermittel kämen 50 bis 60 Millionen Euro auf den Kreis zu. Bis heute habe der Landkreis 62 Millionen Euro in die kommunalen Krankenhäuser in Soltau und Walsrode investiert, um das jährliche Defizit aufzufangen. „Mit einem Neubau haben wir gute Aussichten den Zuschuss auf Null bringen zu können“, so der Landrat zu Aussagen von Fachleuten.
HKK-Geschäftsführer Dr. Achim Rogge machte aus seiner Sicht deutlich, dass er nur bei einem der zuletzt vier betrachteten Standorte Walsrode, Bad Fallingbostel, Dorfmark und Soltau die Chance sehe, das Defizit abzubauen. „Wir wollen keinen Gewinn erzielen, aber mit dem Geld auskommen.“ Er wie die Gutachter der Planungsfirmen Archimeda, Trinovis und des Architekturbüros von Luckwald gingen intensiv auf die Ergebnisse der Untersuchungen ein, die letztlich in der Entscheidung des Aufsichtsrates gemündet waren, den Standort F4 südlich von Bad Fallingbostel zu präferieren. „Wenn nicht, können die Auswirkungen eklatant sein“, warnte Rogge vor den wirtschaftlichen Folgen beispielsweise mit einem Standort Dorfmark. Alle Gutachter betonten zudem ihre Neutralität zu dem Auftrag, versicherten mit den Daten und Fakten sorgsam umgegangen zu sein.
Dorfmark soll von Anfang an keine Alternative gewesen sein
Interessant war die Erklärung zum Standort Dorfmark (D4), über den es nun hieß, dass er raumordnungstechnisch – kein Grundzentrum, kein zentraler Ort – eigentlich von Anfang an keine Alternative gewesen sei. Eine Entscheidung für D4 wäre „gefährlich und kritisch“, so von Luckwald. Er meinte damit, beklagbar: „Raumplanerisch geht D 4 nicht“. Später in der Sitzung ging Aufsichtsrats- und Kreistagsmitglied Friedrich-Otto Ripke (CDU) auf diesen Punkt ein. Dorfmark sei geprüft worden, weil D4 durchaus hätte in die Auswahl kommen können: Wenn sich denn genügend Argumente dafür ergeben hätten. Aber aufgrund der Gutachten wäre bei einer Entscheidung eine Raumordnungsklage erfolgreich: „Ich will nicht mutmaßen, wer klagen könnte, Walsrode möglicherweise?“ Raumordnerisch übrigens, so Georg von Luckwald, sei Soltau der beste Standort, Wirtschaftlich aber laut den Gutachten nicht.
Bevor der Ausschuss diskutierte, gab es eine Einwohnerfragestunde. Unternehmer Jürgen Röders aus Soltau erklärte, dass er mit der Entscheidung für Bad Fallingbostel den Unternehmensstandort Soltau ganz erheblich geschwächt sehe. Edith Schröder als Vertreterin der Landfrauen des Altkreises Soltau fand es gut, dass etwas Neues gebaut werden soll, wichtig „aber ist die Akzeptanz und Erreichbarkeit“. Mit Bad Fallingbostel würden die Nordkreiskommunen einfach ausgeschlossen und „es wird in Kauf genommen, dass sie sich in andere Landkreise orientieren.“ Schröder warb für mehr Solidarität, zumal alle das Krankenhaus bezahlen müssten. Helmuth Jordan aus Dorfmark wunderte sich, warum infrastrukturell Bad Fallingbostel schlechter gestellt sein soll, als seine Heimatgemeinde.
Deutlich gegen die Entscheidung für Bad Fallingbostel positionierten sich die Soltauer Kreistagsmitglieder Friedhelm Eggers (CDU) und Bernhard Schielke (AfD) sowie der Munsteraner Winkelmann. Die Gutachten, so kritisierte Eggers, seien seit 2011 alle nicht so eingetroffen, „das wird auch diesmal so, weil man sich die Rosinen rauspickt.“ Auf die Altproblematik, als der Klinikstandort Soltau mit der Entscheidung von vor zehn Jahren quasi ausgehöhlt wurde, wies auch Winkelmann hin. Dorfmark sei der Schlüssel, um die Positionen von Nord- und Südkreis „endlich zu vereinen“. Er selbst habe eine gute Dreiviertelstunde von Munster bis in die Heidmarkhalle benötigt: „rechnerisch ist sicher alles seriös, praktisch ist es nicht so.“ Er befürchte, dass Fallingbostel einen Geburtsfehler haben werde, weil die Akzeptanz fehlen werde. Ähnlich argumentierte Bernhard Schielke.
Eindruck, es läuft alles unter einer Decke
Der Soltauer Bernd Ingendahl (SPD) erläuterte die schwere Entscheidung in seiner Fraktion, die nicht einstimmig gewesen sei. Aber man wolle sich einheitlich positionieren. Er kritisierte die unglückliche Kommunikationspolitik, die den Eindruck vermittelt habe, es laufe alles unter der Decke. Der Schneverdinger Hans Jürgen Thömen betonte, dass man nach 30 Jahren Diskussion um ein zentrales Klinikum nun auf der Zielgeraden sei. „F4 hat mich überzeugt.“ Ebenso waren Fürsprecher für Bad Fallingbostel Tanja Kühne (FDP), Karin Fedderke (SPD), die für den Bispinger Olaf Suhk im Auschuss saß, Hans-Peter Ludewig (Grüne), der als Stellvertreter für Dietrich Wiedemann dabei war, und insbesondere Ripke. Er machte deutlich, dass die Standortentscheidung frei sein sollte von jeglichen Nebenkriegsschauplätzen, zu denen er den Bürgermeisterwahlkampf in Soltau und mit Blick auf Dr. Karl-Ludwig von Danwitz (CDU) die Nominierung für den Landtag zählte. Der Neubau, so Ripke, biete mit seiner Qualität beste Chancen, das Geld sei gut angelegt. Er sah den Zuschussbedarf schon 2030/31 bei Null. Ripke forderte als Kreistagsvorsitzender die Abgeordneten auf, zur Sitzung am kommenden Freitag ohne jeden Kirchturm zu kommen und die Verantwortung für das Klinikum im Heidekreis wahrzunehmen.