„Grundsicherung fehlt“
Soltau. Dem Krankenhaussektor fehlt bundesweit Geld. Über die Station des Heidekreis-Klinikums sprach BZ-Redaktionsmitglied Andres Wulfes mit den beiden Geschäftsführern Norbert Jurczyk und Peter Lehmann. Das Heidekreis-Klinikum mit den Krankenhäusern an den beiden Standorten Soltau und Walsrode umfasst rund 400 Betten. Beschäftigt werden gut 1000 Menschen auf 720 Vollzeitstellen.
BZ: Gibt es angesichts der Finanzsituation auf Dauer Existenzprobleme für die Häuser Soltau und Walsrode?
Lehmann: Ich denke, dass es aktuell Existenzprobleme nicht gibt – einfach aufgrund der guten Ausgangsposition, die wir haben. Aber die Erfahrung zeigt, dass die Halbwertszeiten von Reformgesetzen ständig weiter sinken. Die Zukunft des Heidekreis-Klinikums wird stark davon abhängig sein, wie die Auswirkungen dieses Krankenhausreformgesetzes tatsächlich aussehen. Und es wird sicherlich auch davon abhängen, wie gut wir innerhalb unserer Häuser noch rationalisieren können und inwieweit es möglich ist, möglicherweise auch Leistungen einzuschränken, ohne eine gute Patientenversorgung zu gefährden.
BZ: Rationalisierung ist das Stichwort. Welche Einsparpotenziale hat das Krankenhaus – und bedeutet das, dass bestimmte Abteilungen nur noch an einem Standort vorhanden sein werden?
Jurczyk: Jedes Unternehmen, das vor solchen Herausforderungen steht, muss sich auch fragen, welche Leistungen in welcher Stückzahl ich zu welchem Preis an welchem Standort erbringe. Wir haben bisher ständig von Erweiterungen gesprochen, was man an den zusätzlichen Fallzahlen sieht. Das hat dazu geführt, dass wir uns in einzelnen Bereichen spezialisiert haben. Das hat auch etwas mit der Leistung gerade der leitenden Ärzte zu tun – nicht nur der Chefärzte, auch in der Ebene darunter sind wir gut aufgestellt – und das angesichts von knapp 5000 fehlenden Ärzten in Deutschland und dem Standortnachteil, den wir hier in der Heide empfinden. Ich denke, diese Spezialisierung auszubauen, ist erstmal das vorrangige Ziel.
BZ: Das wäre ja noch eine Erweiterung. Aber ist denn auch die Konzentration von bestehenden Abteilungen ein Thema?
Jurczyk: Wir leben im Augenblick noch in der Situation, dass wir versuchen, Rationalisierungsreserven dadurch zu generieren, indem wir noch stärker virtuell zusammenleben. Beispiel ist die Kinderklinik. Aber auch in anderen Bereichen ist es notwendig, die vorhandenen Ressourcen eben gemeinsam besser zu nutzen. Ich denke, das ist der nächste Weg, wirklich zunächst virtuelle Einheiten zu schaffen, die als Gesamteinheit sich verantwortlich fühlen und wo immer es Überhänge oder Bedarfe gibt, diese gemeinsam zu verantworten.
BZ: Das heißt noch nicht, dass Leistungen an einem Standort eingeschränkt werden?
Jurczyk: Ein solches Konzept gibt es im Augenblick noch nicht.
BZ: Für den Patienten ist die entscheidende Frage ja zunächst, ob er mit seinem Beinbruch oder für eine Operation von Soltau nach Walsrode oder umgekehrt fahren muss.
Lehmann: Nein, das ist zurzeit überhaupt nicht der Fall. Im Gegenteil, es geht um die Spezialisierung – und darum, dies auch stärker publik zu machen. Dabei denke ich an Dinge wie Schilddrüsenoperation, von er ich immer wieder höre, dass es die in den Krankenhäusern Soltau oder Walsrode gar nicht gibt. Wir haben hervorragende Leute, die so etwas ausführen. Das Problem ist, dass nicht immer wahrgenommen wird, was wir alles für hochwertige Leistungen erbringen.
Jurczyk: Denn wir wissen ja schon, dass ein Teil unserer Bevölkerung an unseren Häusern noch vorbeigeht. Vielleicht teilweise, weil noch nicht wirklich wahrgenommen wird, in welchem breiten und tiefen Umfang unser Leistungsspektrum tatsächlich angeboten wird. Ich denke, da werden wir als Unternehmensleitung und unsere Leistungsträger noch stärker an die Öffentlichkeit gehen müssen. Es reicht nicht, nur gute Arbeit zu leisten, man muss auch rausgehen und darüber sprechen, dass wir eben nicht nur Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung sind, sondern teilweise eben auch wirkliche Schwerpunkte anbieten.
BZ: Zum Beispiel?
Jurczyk: Die Neonatologie mit der Versorgung von Frühgeborenen auch unter 1500 Gramm Geburtsgewicht, die Endoprothetik, die große Bauchchirurgie, im Bereich der inneren Medizin die Gastroentronologie, und auch die Diabetologie hat mittlerweile einen überregionalen Ruf.
BZ: Patientenzustrom ist eine Sache, die Finanzierung der Häuser eine andere. Wie sollte denn die Finanzierung aussehen?
Jurczyk: Das Fallpauschalensystem ist im Grunde ein faires System. Der einzige Nachteil dabei ist im Augenblick, dass wir das Gefühl haben, dass die Politik oder auch die Selbstverwaltungen kleinere Häuser schlechter behandeln als große Häuser. Wir hoffen, dass das kein langfristiges politisches Ziel ist, auf diesem Wege kleineren Häusern zu schaden oder sie gar existenziell gefährden zu wollen. Das Hauptproblem allerdings ist, dass wir seit Jahren über den Abrechnungswert, also den Landesbasisfallwert, nicht die Preissteigerungen bekommen, die an nachgewiesenen Kostensteigerungen entstehen. Hätten wir dort eine verlässliche Größenordnung, dass die tatsächlich entstehenden und nachgewiesenen Kostensteigerungen in etwa ausgeglichen werden, gäbe es zwar nach wie vor den Druck zu rationalisieren, aber auch eine Grundsicherung. Und gerade diese Grundsicherung fehlt uns seit Jahren. Seit Jahren wird aus uns herausgepresst.