Interview: Machtspiele auf Rücken der Klinik-Mitarbeiter
wu Soltau. Ein Sanierungspaket soll das Heidekreis-Klinikum bis Ende 2013 aus den roten Zahlen holen. Dazu sprach BZ-Redaktionsmitglied Andres Wulfes mit dem Betriebsratsvorsitzenden Rainer Oberüber und dem Betriebsrat Karl Vorwerk.
BZ: Wie ist die Stimmung unter den Mitarbeitern?
Oberüber: Nachdem die Maßnahmen durch Lohfert & Lohfert bekannt sind, nehme ich eine Aufbruchstimmung wahr. Diese Information war ganz wichtig. In Walsrode und in Soltau gibt es positive Aussagen dazu. Die Mitarbeiter spüren: Es geht vorwärts.
Vorwerk: Wir müssen nach vorn schauen, nicht zurück auf den Streit. Es muss vorwärts gehen, das meinen auch die Mitarbeiter.
BZ: Nun bedeuten die Maßnahmen auch Einschnitte ...
Oberüber: Für die Mitarbeiter ist einiges natürlich hart, aber wir kommen nur aus dieser misslichen Situation, wenn wir alle zusammenrücken. In dem Maßnahmenkatalog sind auch Optimierungsvorschläge, das heißt, dass die Stationen sogar entlastet werden, indem die Abläufe optimiert werden. Und wir haben keine Massenentlassungen. Dieses Jahr müssen wir sieben Stellen einsparen, aber dann geht es wieder bergauf. Gleichzeitig werden wir durch neue Angebote – wie die Diabetologie und das Linksherzkatheterlabor – sogar weiteres Personal brauchen. Wir suchen unter anderem eine Funktionsleitung für unser Herzkatheterlabor.
BZ: Aber es soll gespart werden, und Hauptkostenträger ist nun einmal das Personal. Reichen da so geringe Kürzungen?
Vorwerk: Es geht überhaupt nicht darum, Geld einzusparen, sondern in erster Linie geht es darum, mehr einzunehmen. Wir haben kein Kostenproblem, sondern eher ein Einnahmeproblem. Das heißt, wir müssen versuchen, dass wieder mehr Patienten zu uns kommen und wir auch die Leistungen bezahlt bekommen, durch bessere Dokumentation zum Beispiel.
BZ: Wieviel Mitarbeiter werden Sie in fünf Jahren haben?
Oberüber: Ich schätze mal 1200. Dadurch, dass die Umstrukturierungen soviel Neues und zusätzliche Abteilungen enthält, müssen wir einfach wieder Personal aufbauen. Wir haben ja noch vor, die Geriatrie auszubauen. Jetzt sind es 12 Betten, der Heidekreis hat aber einen Bedarf von 70 Betten. Wir wollen mindestens 50 Betten in beiden Häusern etablieren.
Vorwerk: Und wenn wir die Ärzte kriegen, wird sofort die Neurologie aufgemacht.
BZ: Stichwort Umstrukturierung. Gerade im Nordkreis gibt es Kritik, dass das falsche Konzept verwirklicht wird. Wie stehen Sie dazu?
Oberüber: Falscher Plan, dazu kann ich nichts sagen. Wir sind nun einmal bei diesem Plan, und der wird umgesetzt. Ich denke, wir sind dabei auf dem richtigen Weg. Denn dass wir etwas verändern müssen, haben wir gemerkt, indem wir in den letzten Jahren immer weiter in die roten Zahlen rutschten. Nun müssen wir nach vorn gucken, und die Planungen sind gut.
Vorwerk: Unsere Belegschaft sieht das auch so. Es ist nicht so, dass die Mitarbeiter alles beim Alten lassen wollen. Die Mehrzahl sieht, dass wir nur mit einer neuen Struktur wieder auf den richtigen Weg kommen.
Oberüber: Die Ängste waren in Soltau natürlich besonders groß. Dort wurde abgebaut, Kinderabteilung und Geburtshilfe sind weg. Aber die Stimmung dreht sich. Die Kollegen sehen, dass wir mit Diabetologie und Herzkatheter auch etwas Neues bekommen. Wir bauen auf, das motiviert.
BZ: Und welche Zukunft hat die Klinik als kommunales Krankenhaus?
Oberüber: Ich sehe nicht, dass wir aus der kommunalen Trägerschaft rausgehen. Der Aufsichtsrat, in dem ich als gewählter Arbeitnehmervertreter bin, will die Krankenhäuser in kommunaler Trägerschaft behalten. Und als Betriebsrat wollen wir das auf jeden Fall auch so.
BZ: Warum?
Oberüber: Weil es ganz andere Absicherungen gibt. Ich möchte nicht, dass zum Beispiel das Reinigungs- und das Küchenpersonal geknechtet und ausgebeutet werden bis zum Letzten wie bei Privaten. Vorwerk: Private Krankenhäuser wollen Gewinne machen. Die privaten Krankenhäuser ziehen das Geld aus dem Gesundheitswesen raus, indem sie ihre Aktionäre mitbezahlen. Wir müssen das nicht. Uns reicht es, wenn wir ein klein bisschen im Plus sind, wir müssen nicht acht Prozent Rendite erwirtschaften.
BZ: Wo sehen Sie das Krankenhaus in fünf Jahren?
Oberüber: In fünf Jahren sehe ich eine blühende Landschaft. Wir werden ausbauen.
Vorwerk: Das ist überhaupt keine Frage. Beide Krankenhäuser gibt es, beide Krankenhäuser werden voll ausgelastet sein. Und ich glaube, der Nordkreis wird sich noch freuen, dass er so ein tolles Krankenhaus hat, mit so tollen Abteilungen, wo die älteren Menschen gut versorgt werden. Man muss dann nur nicht mehr Soltau und Walsrode als getrennte Krankenhäuser sehen, sondern die klinische Versorgung im Heidekreis. Und da haben wir dann wahrscheinlich sogar noch mehr Abteilungen als jetzt.
BZ: Damit dieses Bild Wirklichkeit wird – was erwarten Sie vom Träger, von der Politik?
Oberüber: Wir erwarten klare Entscheidungen, hinter denen die Politik auch steht, und nicht so wie in den letzten drei Jahren, ein wankelmütiges Verhalten.
Vorwerk: Das war ein Rumgeiere.
Oberüber: Stimmt. Und wir brauchen eine klare Aussage zu den Häusern, auch von der Kreispolitik, dass die Klinik kommunal bleibt.
BZ: Hat Sie das Verhalten der Kreispolitik in der Vergangenheit enttäuscht?
Oberüber: Ja, die Politik hat mich sehr enttäuscht. Es sind so viele Machtspiele auf dem Rücken von 1100 Mitarbeitern gelaufen, das war nicht menschlich.