Große Frustration über Umstrukturierung der Soltauer Klinik
wu Soltau. Die ersten Besucher können es kaum erwarten: Schon gut eine Stunde vor dem offiziellen Beginn sitzen sie in der Bibliothek Waldmühle. Groß ist die Erwartung, groß die Hoffnung, die entscheidenden Neuigkeiten zur Rettung des Soltauer Krankenhauses zu erfahren. Doch die Diskussion der Böhme-Zeitung zur Frage „Welche Zukunft hat die Heidekreis-Klinik Soltau?“ zeigt nur wenig Hoffnung auf. Massiv ist dagegen die Kritik an den Vorgängen rund um die Umstrukturierung. Nicht nur auf dem Podium überwiegen Skepsis und Pessimismus. Auch unter den gut 150 Besuchern ist die Frustration groß über das, was Dr. Wolfram Franz die Neustrukturierungskatastrophe“ nennt, über die Ohnmacht, eine Entwicklung hinnehmen zu müssen, die zum Aus von Kinderklinik und Geburtshilfe in der Böhmestadt geführt hat.
Und die möglicherweise noch weitere Gefahren birgt: Nicht nur der frühere ärztliche Direktor und Gynäkologie-Chefarzt in Soltau sieht die Gefahr der Insolvenz, die dann aber das gesamte kreiseigene Unternehmen und damit beide Krankenhäuser Soltau und Walsrode beträfe. Auch die beiden anderen Podiumsteilnehmer Hanneke Voges von der Aktion „Rote Karte“ und der Soltauer Unternehmer Hinrich Röders haben nur wenig Hoffnung, sparen nicht mit Kritik – und Skepsis. „Eine höchst unbefriedigende Situation“, beschreibt BZ-Redaktionsleiter Jörg Jung als Moderator. Für Voges ist daher klar: Sie will am Ball bleiben, weiter informieren und aufzeigen, wo Fehler gemacht worden sind. Mehr Fragen als Antworten habe der Prozess aufgeworfen, sagt Jung. Und schnell wird deutlich: Das Reizthema bewegt die Menschen emotional. „Ich habe das Krankenhaus geliebt“, sagt Franz fast pathetisch – der Beifall zeigt: Er spricht den Soltauern aus der Seele.
Kriterium bei Jobsuche
Doch das Krankenhaus ist für Soltau nicht nur ein wichtiger emotionaler Faktor, Unternehmer Röders betont auch die Bedeutung für die Wirtschaft. Gerade auf dem flachen Land sei es für Firmen wie sein Unternehmen schwierig, qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Das Krankenhaus sei da gerade für Mitarbeiter mit junger Familie ein Argument bei der Arbeitsplatzwahl. Und auch für Unternehmen, die einen Standort suchten, spiele ein Krankenhaus eine wichtige Rolle. Aber auch das Vorgehen der Kreispolitik sei für Unternehmen ein abschreckendes Beispiel, stellt Röders fest. Er macht aus seiner Enttäuschung über die Politiker kein Hehl. Denn immer wieder habe er versucht, mit Politikern ins Gespräch zu kommen, habe geschrieben, Fragen gestellt.
Anfangs habe er immerhin noch Antworten erhalten, auch wenn es nur „politische Allgemeinplätze“ gewesen seien. Später seien gar keine Reaktionen mehr erfolgt. „Ein Demokratieverständnis ist das, unbegreiflich“, ist der Unternehmer fassungslos. Aber nicht nur gegenüber der Öffentlichkeit werde so agiert, innerhalb des Klinikums selbst sei das nicht viel anders, ergänzt Franz. Immer wieder habe die Geschäftsführung mit Unwahrheiten gearbeitet, sagt der ehemalige ärztliche Direktor – und erinnert sich an eine Betriebsversammlung im Herbst 2011. Damals sei vor rund 350 Mitarbeitern von einem voraussichtlichen Jahresdefizit von sechs Millionen Euro die Rede gewesen. Und fast im gleichem Atemzug sei nach dem Motto „Ich gehe gleich lügen“ die Ankündigung erfolgt: Der Presse gegenüber werde nur ein Vier-Millionen-Defizit mitgeteilt. „Welcher Mitarbeiter will da noch motiviert sein?“
Doch die Verantwortung für die Entwicklung, für den Wegfall bisher gewinnbringender Abteilungen an den Standorten, trage nicht die Geschäftsführung allein, betont Franz und kritisiert die Kreispolitik. Das Klinikum sei zum „Spielball der Politik“ geworden, die Mitglieder des Aufsichtsrats hätten ihre Aufsichtspflicht nicht wahrgenommen. Röders sieht das ähnlich: „Ich weiß nicht, wie die Politiker das alles verantworten können.“ Eine Zukunft für das Heidekreis-Klinikum sieht Franz daher nur bei deutlichen Änderungen. Das könne ein neuer Träger sein, auf jeden Fall aber gebe es eine Chance nur mit einer anderen Geschäftsführung. Die beiden bisherigen Chefs seien ja Landkreisbeamte und könnten dann die Friedhofsverwaltung oder ähnliches übernehmen. Außerdem müsse der Aufsichtsrat von der Politik losgelöst und mit Fachleuen besetzt werden.