Parteienkolumne: Gibt es eine Schmerzgrenze beim HKK?
Soltau. Erst zwei, dann drei, fünf, sieben und jetzt zehn Millionen Euro. Die finanzielle Situation des Heidekreis-Klinikums (HKK) wird immer bedrohlicher. 2017 muss der Landkreis voraussichtlich erstmals einen zweistelligen Millionenbetrag als Verlustausgleich für das HKK aufbringen, um den Betrieb der beiden Krankenhäuser in Soltau und Walsrode sicherzustellen. Gibt es eine finanzielle Schmerzgrenze und wo liegt sie? Wie sähen die Alternativen zur kommunalen Trägerschaft des Klinikums aus? Mit diesen Fragen beschäftigen sich die Kreisvorsitzenden oder Sprecher der im Kreistag vertretenen Parteien und Gruppen aus dem Verbreitungsgebiet im neuen Parteienforum der Böhme-Zeitung. Vo
Gerd Engel (CDU): Das HKK ist wesentlicher Teil der Gesundheitsversorgung im Heidekreis. Mit der finanziellen Stützung wird der Stellenwert deutlich. Umstrukturierungen und Schwerpunktbildungen sind die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Krankenhausversorgung. Der Prozess dieser Strukturmaßnahmen ist beschwerlich und finanziell anstrengend. Im Sinne einer qualitativ hochwertigen Leistung allerdings ohne vertretbare Alternative. Nur spezialisierte Abteilungen können attraktive Arbeitsbedingungen für Fachpersonal bieten und so die Grundlage für eine wohnortnahe Krankenhausversorgung schaffen. Das ist in ländlichen Gebieten besonders schwer. Es liegt jetzt an uns allen, dass wir unsere Krankenhäuser nutzen und ihnen etwas zutrauen. Die Krankenhäuser müssen ihren Teil leisten – aber wir, die Bevölkerung des Heidekreises, müssen auch zu seinen Krankenhäusern stehen. Einweisende Ärzte und wir haben es in der Hand, wo die Schmerzgrenze für eine finanzielle Förderung des Landkreises liegt.
Es gibt keine wirkliche Alternative zur kommunalen Trägerschaft. Erfahrungen aus anderen Regionen zeigen eine Ausdünnung des Leistungsangebotes und eine rein ökonomisch geprägte Versorgungsstruktur bei einer Privatisierung. Unser Konzept ist, mit Hilfe der Landesförderung die Modernisierung und die gute medizinische Ausstattung der Häuser sicherzustellen und eine noch engere Kooperation mit unseren Partnerkliniken in Celle und in Bad Bevensen.
Lars Klingbeil (SPD): Die Zukunft des HKK beschäftigt uns im Heidekreis schon lange. Es gab immer wieder einmütige Entscheidungen zum Erhalt beider Standorte. Auch nach jahrelangen Reformanstrengungen, Personalwechseln, externer Unterstützung, schmerzhaften Strukturveränderungen und manch positiver Entwicklung ist die Klinik noch nicht über den Berg. Der Heidekreis steht mit dieser Herausforderung nicht allein da. In vielen ländlichen Regionen gibt es ähnliche Probleme. Für mögliche weitere Finanzhilfen des Kreistags halte ich es nicht für ratsam, Schmerzgrenzen bei Betrag X zu definieren. Entscheidend ist, dass Geschäftsführung und Aufsichtsrat weiter konsequent das Modernisierungskonzept verfolgen und Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der Häuser bei Patienten und Ärzten aufbauen. Wir wollen die medizinische Grundversorgung in kommunaler Trägerschaft erhalten und beide Häuser sollen zu „Ankern“ für fach- und hausärztliche Versorgung werden.
Durch das neue Krankenhausinvestitionsprogramm der Landesregierung können wir an beiden Standorten baulich investieren. Rot-Grün stellt dafür bis 2020 landesweit über eine Milliarde Euro bereit. Zu kurz kommen mir in der Debatte übrigens die Mitarbeiter, die diesen Veränderungsprozess angenommen haben und sich in den Dienst der Sache stellen. Sie sind es, die diese Veränderung im Alltag tragen und umsetzen. Egal, ob in der Pflege, im ärztlichen Dienst oder in der Verwaltung. Ihrem unermüdlichen Einsatz gilt mein besonderer Dank.
Ellen Gause und Dr. Hans-Peter Ludewig (Grüne): Wir Grünen wollen, dass der Heidekreis für viele Menschen attraktive Wohn- und Arbeitsmöglichkeiten in einer heilen und gesunden Umwelt bietet. Dazu gehört eine gute und wohnortnahe Gesundheitsversorgung. Das Heidekreisklinikum ist ein wesentlicher Faktor unserer Daseinsvorsorge, aber wir brauchen neue Modelle für die medizinische Versorgung vor Ort und über Kreisgrenzen hinweg. Diese Entwicklung ist schmerzhaft und kostet Geld. Eine Privatisierung ist für uns Grüne keine Alternative. Dies wäre für die Bevölkerung und die Mitarbeiter des HKK schlecht. Zumal die Privatisierung anderer Krankenhäuser gezeigt hat, dass diese Krankenhäuser später doch wieder in die öffentliche Hand zurückgefallen sind und dann noch viel teurer wieder saniert werden müssen. Die Neustrukturierung des HKK mit den von der niedersächsischen Landesregierung zur Verfügung gestellten Investitionsmitteln ist der richtige Weg, um ein modernes Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung an zwei Standorten zu realisieren.
Allerdings ist es dringend notwendig, eine Transparenz darüber herzustellen, was die einzelnen Bereiche des HKK kosten, und es ist dann politisch zu entscheiden, was sich der Landkreis an Angeboten leisten will. Erst dann kann entschieden werden, wie viel Zuschuss uns allen diese Daseinsvorsorge wert ist. Der dieses Jahr fällige Zuschuss ist in jedem Fall zu hoch, denn es gibt noch andere ebenfalls wichtige Bereiche der Daseinsvorsorge, die ausgebaut werden müssen.
Frank Horn (AfD): Dass mit den Umstrukturierungsmaßnahmen ein langwieriger Prozess folgen würde, dürfte klar gewesen sein. Dass der Landkreis als Träger noch mehr Geld zur Defizitabdeckung wird beitragen müssen und die Schmerzgrenze fließend sein würde, auch. Aber am Ende des Tunnels brennt Licht. Das HKK darf in 2018 auf etwa 20 Millionen Euro aus „Sondervermögen zur Sicherstellung der Kranken-hausversorgung“ rechnen – mit Perspektive auf mehr Fördergelder. Die 2016 eingeleitete Zukunftskonzeption mit fachspezifischen Spezialisierungen, Sicherung der Grund- und Regelversorgung, ambulanter medizinische Versorgung und der vorbildlichen Notfallaufnahme greift.
Für bauliche Maßnahmen stellt Niedersachsen mit Unterstützung des Bundes bis 2020 Investitionszuschüsse von 1,3 Milliarden Euro für Neubauten und Modernisierungen aus drei Töpfen bereit. Grundvorausetzung für den langfristigen Bestand beider Standorte ist eine sukzessive Entwicklungskonzeption, die stringente und analytische Umsetzung in Management und Controlling, die personelle Stärkung des Führungs- und Pflegepersonals sowie ein professionell agierender Aufsichtsrat. Wenn Betreiber, Träger und Politik es schaffen, die Glaubwürdigkeit in die Zukunft der beiden Standorte in positive Akzeptanz umzumünzen, ist es ein Gewinn für alle. Eine Privatisierung kann schnell in ein „ethisches Dilemma“ führen. Erfolgsquoten bei Operationen und Therapien, ausgedünntes und schlecht bezahltes Personal, Auslagerung von ineffizienten Fachbereichen etc. können die Folgen sein.
Tanja Kühne (FDP): Niemand hat die Absicht, eines der Häuser zu schließen. Seit Jahren ist dieses Mantra als Aura über den Köpfen der Aufsichtsratsmitglieder und ihrer politischen Gefährten wahrzunehmen. Mit den Umstrukturierungen werde alles getan, die Grundversorgung gleichwertig im Gesamtkreis kommunal aufrecht zu erhalten. Ehrlicher wäre es von Beginn gewesen, deutlich auszusprechen, dass es ein Haupthaus in Walsrode mit einer Dependance und Spezialisierung in Soltau geben wird. Dann wäre die dieser Aussage angemessene Empörungswelle heftig ausgefallen, aber auch verebbt. Heute vermischen sich Ängste der Ungewissheit mit Sorgen über stetig wachsende Defizite. Wenn in Soltau keine Grundversorgung mehr darstellbar sein sollte, dann muss man in neuen, auch nichtkommunalen, Lösungsansätzen denken.
Ohne Korrektur der Informationspolitik wird es immer verworrener. Stimmten wir als FDP/BU-Gruppe zähneknirschend im Dezember dem Haushalt inklusive 7 Millionen Defizit-Ausgleich zu, müssen wir heute annehmen, dass zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt gewesen ist, dass es nicht reichen werde. Für mehr Transparenz beantragten wir, dass zukünftige Aufsichtsratssitzungen kreistagsoffen tagen. Eine Maßnahme gegen Hoheitswissen, die bereits bei Antragstellung empört abgewiesen und als HKK-schlechtreden ausgelegt wurde. Bis zu einer Entscheidung werden wir uns in Abstimmungen zum HKK namentlich enthalten. Die Informationen müssen hürdenfrei fließen. Die Schmerzgrenze ist längst erreicht.
Torsten Schröder (BU): Die finanzielle und strukturelle Entwicklung des HKK bereitet uns spätestens seit Beginn der Umstrukturierung, große Sorgen. Wir halten die Form, Art und Weise der Umstrukturierung nach wie vor für einen großen Fehler. Funktionierende Abteilungen wurden zerschlagen. So wurde die Kinderklinik mit Geburtshilfe und Gynäkologie von Soltau nach Walsrode verlegt, obwohl in Soltau „schwarze“ und in Walsrode „rote Zahlen“ geschrieben wurden. Durch die Zusammenführung der chirurgischen Leistungen nach Walsrode ist die chirurgische Ambulanz in Soltau weggefallen. Somit besteht in Soltau bereits ein spürbares Versorgungsdefizit. Hinzu kommt der offensichtliche Vertrauensverlust der Bürger.
Die finanzielle Schmerzgrenze ist für uns längst überschritten. Auch nach knapp 6 Jahren bestehen horrende Defizite. Gleichwohl gilt es, die ortsnahe Grund- und Regelversorgung sicherzustellen. Spätestens wenn dies nicht mehr gewährleistet ist, muss über Alternativen zur – von uns bevorzugten – kommunalen Trägerschaft nachgedacht werden. Auch eine Privatisierung darf dann kein Tabuthema mehr sein. Ohnehin haben wir die große Befürchtung, dass im Rahmen der Umstrukturierung das Walsroder Haus zulasten des Soltauers saniert wird und es in ein paar Jahren zu einem Verkauf des Soltauer Hauses an einen privaten Anbieter kommen könnte. Dies wird dann sicher mit betriebswirtschaftlicher Argumentation erfolgen, um eine Insolvenz des Gesamtklinikums zu verhindern. Das alles ist sehr traurig, aber leider bittere Realität.