Kapitel Kinderklinik nach 36 Jahren in Soltau geschlossen
wu Soltau. Auf dem Flur steht noch das Frühstücksta¿blett des letzten Patienten: Ein benutzter weißer Becher und ein Teller, das goldene Butterpapier und eine ausgekratzte Packung Marmelade. Der Junge selbst schnappt sich gerade seine Tasche – er darf nach Hause. In dem Zimmer gegenüber stapeln sich die Umzugskartons: Aufbruchstimmung in der Finkelstein-Kinderklinik am Soltauer Heidekreis-Klinikum. Die Abteilung zieht komplett nach Walsrode. In Soltau endet damit eine Ära: Seit 1976 gab es am Krankenhaus eine eigene Kinderabteilung, im Rahmen der Klinik-Umstrukturierung wird der Bereich nun in Walsrode konzentriert.
In die Soltauer Räume im Erdgeschoss soll das medizinische Versorgungszentrum einziehen, also der ambulante Bereich mit Diabetologie sowie den beiden Praxen für Chirurgie und Kardiologie. Dr. Michael Abend blickt den Flur entlang auf die Kartons. Der Chefarzt lächelt. „Heute ist der leichteste Tag.“ Die vergangenen Tage, die waren stressig für den Kinderarzt und seine Mitarbeiter, waren gefüllt mit Packen und Organisieren. Die Hauptfrage: Was darf schon in den Karton, was wird noch benötigt, um die Versorgung aufrechtzuerhalten? Besonderes Augenmerk haben die Mediziner auf die Intensivmedizin gelegt, auf die Beatmungsgeräte für die Kinder.
Bis sie abgebaut und wieder installiert sind, darf schließlich nicht viel Zeit verstreichen. Eine Schwester umwickelt gerade den letzten Inkubator mit schützenden Tüchern: „Wir haben ein Versorgungsloch von genau einer Stunde.“ Auch die kleinen Patienten waren eigentlich schon alle verlegt. „Das war die Planung“, sagt Abend schmunzelnd und zuckt mit den Schultern. „Aber wie das so ist in einer Akutklinik: Dann kamen gestern Abend drei schwerkranke Säuglinge.“ Auch sie ziehen nun mit um. „Das ist eben kein planbares Geschäft.“
Wehmut war vorher
Abend sieht den Umzug gelassen. Wehmut? Er überlegt. „Nein, das nicht, nicht mehr. Das war vorher, als klar war, dass die wirtschaftlichen Gegebenheiten nicht mehr stimmen.“ Denn bei aller guten Arbeit, bei allem Zuspruch der Bevölkerung – auch die Kasse muss stimmen, und die Rahmenbedingungen dafür werden mit der Gesundheitspolitik des Bundes gesetzt. Für den Chefarzt ist der Umzug auch eine Chance. „Ich sehe das als große Herausforderung.“ Natürlich sei es bedauerlich, dass die Kinderabteilung in Soltau wegfalle. „Aber dafür kann in Walsrode eine entsprechend höherqualifizierte Versorgung angeboten werden.“ Denn die bestehende Kinderklinik im 4. Stock wird durch den Umzug kräftig aufgestockt: Sie umfasst künftig 25 Betten, etwa doppelt so viele wie bisher. Hinzu kommen sechs Intensivbetten für Frühgeborene.
Elf Schwestern wechseln, die Zahl der Ärzte verdoppelt sich durch die Soltauer auf zwölf Mediziner. Dadurch kann auch in der Notfallambulanz rund um die Uhr ein Kinderarzt präsent sein. „Der wirtschaftliche Grundstein ist gelegt“, sagt Abend, hofft auf entsprechenden Zuspruch. „Wir müssen loslegen.“ Denn er weiß: Wenn die Zahlen nicht stimmen, könnte es auch in Walsrode kritisch werden. Aber soweit will er noch gar nicht denken. Für ihn ist klar, dass sich alle anstrengen müssten. Und er selbst trage sich auch nicht mit Abwanderungsgedanken: „Ich bleibe der Kinderklinik erhalten“, sagt der 49-Jährige, der seit 6 Jahren als Chefarzt tätig ist und die Klinik in Walsrode gemeinsam mit Professor Dr. Rainer Pankau leitet.
Doch auch wenn die Kinderklinik umgezogen ist: Zwei Angebote für Kinder und Jugendliche bleiben zumindest vorerst in Soltau. Unfallchirurgische Fälle, beispielsweise Kinder mit Arm- und Beinbrüchen, werden auch weiter in Soltau behandelt. Ansonsten sollten sich Eltern mit kranken Kinder nach Klinik¿angaben gleich nach Walsrode wenden. Die ambulanten Behandlungen von Lungenproblemen, die Chefarzt Dr. Michael Abend auf Überweisung vornimmt, bleiben voraussichtlich bis Jahresende.