„Wir stehen mit dem Rücken zur Wand“
wu Soltau. Warten, warten und nochmals warten. Die Besucher der Kreistagssitzung müssen Geduld beweisen an diesem lauen Sommerabend, der viel eher auf die Terrasse lockt. Gut eine Handvoll Besucher – in erster Linie Landkreis- und Klinikmitarbeiter – verlieren sich auf dem Flur, während im Sitzungssaal die nichtöffentliche Debatte um die Zukunft des Heidekreis-Klinikums tobt. Immer mal wieder ist Beifallsklatschen durch die geschlossenen Türen zu hören, offenbar immer, wenn einer der Berater seinen Vortrag beendet hat. Und von Zeit zu Zeit öffnet sich die Tür – doch jedesmal wieder: Fehlanzeige, der öffentliche Teil beginnt noch nicht. Nur der eine oder andere Abgeordneter kommt kurz nach draußen, um einmal Luft schnappen oder zur Toilette gehen. Und alle optimistischen Voraussagen wie „das dauert nicht mehr lange“ und „noch zehn Minuten“ – sie bewahrheiten sich nicht. Es dauert und dauert: Gut zweidreiviertel Stunden beraten die Abgeordneten hinter verschlossenen Türen.
Warum die Diskussion zur „Strukturveränderung Heidekreis-Klinikum“ – und damit das Aus der Frauenklinik Soltau – so lange gedauert hat, macht Aufsichtsratsvorsitzender und CDU-Fraktionschef Hermann Norden gleich zu Beginn des öffentlichen Sitzungsteils deutlich: „Es geht um alles oder nichts.“ Nicht allein die Gynäkologie Soltau stehe zur Diskussion, es gehe um das gesamte Klinikum in kommunaler Trägerschaft. Die Schließung der Frauenklinik verschaffe dabei 1 bis 1,5 Millionen Euro Luft. Und die sind bitter nötig, wie Landrat Manfred Ostermann deutlich macht. „Die Situation ist an Dramatik nicht zu überbieten. Wir stehen mit dem Rücken zur Wand, Jeder Tag zählt, wir haben keine Wartezeit mehr.“ Das zeigen auch die aktuellen Unternehmenszahlen. Denn danach hat das Jahr 2011 mit einem Bilanzverlust von 5,87 Millionen Euro abgeschlossen. Die Unterdeckung von Januar bis Mai 2012 beträgt 1,86 Millionen Euro, das Eigenkapital beträgt mit 2,64 Millionen Euro nur noch 57,4 Prozent des Stammkapitals.
Keine Hilfe vom Kreis
Der Landkreis, einziger Gesellschafter des Unternehmens, könne aber nicht aushelfen, sagt Ostermann. Das habe man in Hannover bereits abgeklärt: Eine Genehmigung werde es dafür nicht geben, weder für eine Bezuschussung noch für einen Defizit¿ausgleich noch für eine Stammkapitalerhöhung. Und so folgt der Kreistag schließlich mit großer Mehrheit – elf Abgeordnete sind dagegen – und schweren Herzens dem Vorschlag, die Frauenklinik zu schließen, der es nach Beraterangaben „schon über Jahre hinweg nicht gut ging“. Gleichzeitig wollen die Politiker mit Hilfe der Berater von Lohfert & Lohfert (Hamburg) „auch weiterhin eine hochqualifizierte und gesundheitspolitisch ambitionierte Krankenhausversorgung im Heidekreis“ absichern.
Berater Dr. Jens Peukert zeigt sich optimistisch, dass die Klinik¿rettung gelingt. Sonst hätte er das Mandat bereits zurückgegeben: „Wir haben den Auftrag zur Sanierung, nicht zur Begleitung in die Insolvenz.“ Dazu soll nun ein ganzes Bündel von Maßnahmen erarbeitet werden. Dabei geht es um Einsparpotenziale, um die Kodierung und Abrechnung, um die Arbeitsorganisation und die Stationsabläufe „mit geschätzten Einspar- und Einnahmeverbesserungen von etwa 3 Millionen Euro pro Jahr“. „Das ist eine Entscheidung, die keinem leicht fällt“, wirbt Norden um Verständnis bei den Bürgern. Aber Warten würde bedeuten, dass die Politik sich erneut drücke.
Auch Dieter Möhrmann (SPD) weist auf die „dramatische Situation“ hin, auf den „Sanierungsfall Klinik“. So schlimm das Frauenklinik-Aus für Soltau sei, „es gehört zur politischen Glaubwürdigkeit“. Kritik daran gibt es dagegen von Mathias Ernst (Heide-Union). Er vermisst einen Gesamtplan, fordert eine „umfassende konservative Therapie für beide Krankenhäuser“ – und eine neue Geschäftsführung. Auch Dr. Christopher Schmidt (Grüne) fordert einen Rettungsplan Dr. Raimund Sattler (Bürgerunion) kann sich auch andere Lösungen vorstellen: „Wir sollten über eine Privatisierung als Alternative nachdenken.“