Klinik-Plan: Umsetzung in vier Jahren

wu Soltau. Mutmaßungen, Interpretationen und Wellen der Empörung – all das prägt die Debatte um die Umstrukturierung des Heidekreis-Klinikums. Denn die Gutachter haben zwar klare Zahlen und Argumente zur Zukunft der beiden Krankenhäuser Soltau und Walsrode zusammengetragen – doch die Fakten sind nach wie vor unter Verschluss. Der Aufsichtsrat des kreiseigenen Unternehmens lehnt eine Veröffentlichung des Gutachtens ab. Der BZ liegt dieses aber jetzt vor. Eine Veröffentlichung des Gutachtens fordert auch die Initiative für ein Bürgerbegehren zur Umstrukturierung. Die Sprecher verlangen, dass Fakten auf den Tisch kommen. Am 7. Juli treffen sie sich mit Vertretern der Kreistagsfraktionen bei Landrat Manfred Ostermann, um einen Kompromiss zu prüfen. Bisher stehen sich die Vertreter der beiden Varianten C und D unvereinbar gegenüber.

Nach dem Treffen entscheidet sich auch, wie es mit dem Bürgerbegehren weitergeht. Genug Unterschriften liegen vor, damit ein Bürgerentscheid stattfinden kann. Er soll den Kreistagsbeschluss zur Neustrukturierung des Heidekreis-Klinikums vom 28. Januar wieder kippen. Damals hat der Kreistag mit knapper Mehrheit den Plan C beschlossen. Danach wird in Soltau außer Schlaganfallstation und Geriatrie auch die Kardiologie mit dem Herzkatheter konzentriert und der Standort zum traumatologisch-orthopädischen Zentrum, verliert aber die Kinderklinik. Walsrode wird zum Zentrum rund um die Bauchmedizin sowie der Onkologie – und eben der Kinderabteilung. Die Geburtshilfe bleibt an beiden Standorten. Egal, wie es wird: Die Umstrukturierung dauert ihre Zeit. Die Gutachter gehen davon aus, dass dafür drei bis vier Jahre nötig sind und nach dem – ursprünglichen – Zeitplan „im Normalfall 2014 der ,eingeschwungene‘ Zustand“ erreicht wird.

Variante C verteidigen die Befürworter mit dem Argument, es sei betriebswirtschaftlich und medizinisch die optimale Lösung. Das Gutachten deckt das nur teilweise. Denn insgesamt ist nach Auffassung der Gutachter Plan C „aus medizinstrategischer und -struktureller Sicht optimal“. Zudem seien bei Variante D die Investitionen mit 4,8 Millionen Euro rund 1,4 Millionen Euro höher als bei C. Doch das sei vertretbar. Denn D schaffe anders als C zwei gleichwertige Krankenhäuser. Außerdem entstehe bei C Leerstand in Walsrode, während in Soltau dreistöckig angebaut werden müsse.

Nach kontroverser Diskussion billigte der Kreistag Ende Januar Umstrukturierungsplan C. Foto: vo

Nach kontroverser Diskussion billigte der Kreistag Ende Januar Umstrukturierungsplan C. Foto: vo

Eindeutiges Votum

Das Votum ist eindeutig: „Mit dem Vorschlag D wird eine zukunftssichernde Umstrukturierung aus medizinischer, wirtschaftlicher und versorgungspolitischer sowie Arbeitsmarktsicht möglich, die auf Grund der höheren Akzeptanz auch höhere Realisierungschancen hat. Letzteres rechtfertigt auch den höheren Investitionsaufwand und die erhöhten Betriebskosten, da der Effekt der Umstrukturierung den Aufwand deutlich übersteigen wird.“ In beiden Zielbildern wird nach den Berechnungen der Gutachter für den somatischen (körperlichen) Bereich ein Ergebnisbeitrag von rund vier Millionen Euro erreicht. Dabei rechnet C für Soltau mit 3,048 Millionen Euro. Klare Gewinnbringer sind die Chirurgie mit 540 000 Euro und die Innere mit 1,6 Millionen Euro. In Walsrode werden 1,04 Millionen Euro erwirtschaftet, die Löwenanteile auch dort von der Chirurgie (610 000 Euro) und die Innere (332 000 Euro).

Bei D sieht die Verteilung etwas anders aus: Dabei erwirtschaftet Soltau 1,89 Millionen Euro, Hauptbringer sind wieder die Chirurgie (610 000 Euro) und die Innere (306 000). Das Walsroder Ergebnis von 2,26 Millionen Euro wird hauptsächlich in der Inneren (1,69 Millionen Euro) – dort vor allem von der Kardiologie (1,54 Millionen Euro) – und der Chirurgie (500 000 Euro) erwirtschaftet. Der Gesamtumsatz des Klinikums liegt bei 48,5 Millionen Euro und damit 0,8 Millionen Euro höher als in Variante C. Für die Gutachter ist klar: Beim Heidekreis-Klinikum muss es Änderungen geben. „Ohne Spezialisierung und Schwerpunkte sind auch Häuser in der Fläche nicht mehr wettbewerbsfähig und wirtschaftlich zu führen; sie sind zudem im Hintertreffen für die Ausbildung – und damit die Gewinnung – der immer knapperen Fachkräfte.“ Die „Weiter-So-Szenarien“ zeigten, dass dadurch sehr schnell eine Verlustdimension von zwei Millionen Euro erreicht wird. „Das Heidekreis-Klinikum hat in entscheidenden, zukunfts- und erlösträchtigen Leistungsbereichen Lücken im Angebot.“

Dabei stufen die Gutachter die Gewinne von 700 000 Euro in 2009 und 2010 als „nicht befriedigend“ ein. Deutliche Gewinnbringer sind nach den Untersuchungen die beiden Fachabteilungen Innere, „erhebliche Verluste“ erwirtschaften die beiden Chi¿rurgien. Ebenfalls eine negative Ergebnisprognose für 2010 hat die Psychiatrie. „Auch in diesem Leistungsbereich sind die ,selbstverständlichen‘ Gewinne vorbei.“ Positiv werten die Gutachter die Stellung im Landkreis: Das Heidekreis-Klinikum erreicht eine „gute regionale Marktabschöpfung um 65 Prozent der zu erwarteten Fälle im Jahr 2009“. Einzelne Abteilungen wie die Geburtshilfe verbuchen nach der Aufstellung sogar eine „sehr gute Marktabdeckung“: Mehr als 85 Prozent der Neugeborenen im Landkreis werden im Heidekreis-Klinikum geboren, zusätzlich werden 21 Prozent überregionale Fälle gewonnen. Von einer Konzentration der Geburtshilfen „wird zum jetzigen Zeitpunkt“ Abstand genommen: aufgrund der „noch tolerablen Fallzahlen, der sehr guten Marktabdeckung und der fehlenden Akzeptanz für einen solchen Schritt.

Die derzeitige Marktabdeckung ist für die Gutachter aber kein Grund, sich beruhigt zurückzulehnen: „Eine zukünftige deutliche Fallzahlsteigerung kann nur durch Spezialisierung und Schwerpunktbildung erreicht werden.“ Sie schlagen dazu Angebote wie einen Herzkatheter in der Kardiologie und eine Schlaganfallstation vor. Außerdem bestätige die demografische Entwicklung und der Trend, Kinder entweder ambulant oder in Spezialkliniken zu behandeln, eine Konzentration der Kinderheilkunde – bei gleichzeitigem Ausbau geriatrischer Leistungen. Über einen Standort für die künftige Kinderklinik „konnte nicht eindeutig entschieden werden“, heißt es in dem Gutachten. Das vorhandene Leistungsangebot im niedergelassenen Bereich zeige aber einen Vorteil für Walsrode. Eindeutige Standorte gibt es dagegen für die Schlaganfallstation und die Geriatrie: Beide sind nur in Soltau zu verwirklichen, da dafür auch mit Blick auf die nötigen Fachärzte eine Kooperation mit dem Mediclin-Klinikum nötig ist.

Gute Chancen bescheinigen die Gutachter einem Ausbau der Kardiologie, die stationäre und ambulante Leistungen umfassen sollte. Auch ein Linksherzkatheter rechne sich: Bei „vorsichtig angesetzten“ 500 Fällen belaufen sich die Erlöse auf 2,1 Millionen Euro, weitere 500 ambulante Fälle bringen 1 Million Euro. Davon verbleiben 300 000 Euro Gewinn.

Andres Wulfes