Geht nicht? Geht doch

In der vergangenen Woche habe ich erläutert, was wir uns in Verlag und Redaktion der Böhme-Zeitung bei der Softwarebrache abgeschaut haben (Stichwort Agiles Arbeiten). Einen weiteren wichtigen Baustein unserer Arbeitskultur haben wir ebenfalls einer verlagsfremden Branche entlehnt: das sogenannte Objective Key Result, kurz OKR. Es ist für uns zum wohl wichtigsten Treiber und Kontrollmaßstab bei unserer nicht nur digitalen Transformation geworden.

Das Werkzeug OKR wurde in den 1970er Jahren erstmal von dem Halbleiterhersteller Intel genutzt, bekannt wurde es vor allem, als der Digital-Riese Google es um die Jahrtausendwende übernahm. Es ist in seiner Anwendung zugleich einfach und kompliziert, als Böhme-Zeitung haben wir eine Zeit gebraucht, um zu verstehen, wie wir dieses Tool erfolgreich nutzbar machen können und waren dabei nicht selten auf der falschen Fährte unterwegs.

Kurz gesagt besteht der geniale Ansatz der OKR-Methode darin, dass sie dabei hilft, Aufgaben zu bewältigen, die aufgrund ihrer Größe schier unlösbare scheinen. Einfach gesagt: Sie bricht große Projekte oder Umwandlungen in einzelne Arbeitsschritte runter, die so konkret und greifbar werden. Wenn wir beispielsweise die Redaktionen von Böhme-Zeitung und Heide-Kurier zu einer gemeinsamen Redaktion verschmelzen wollen, ist das ein durchaus vielschichtiges und ambitioniertes Unterfangen. Wenn wir ein neues CMS (Content Management System) entwickeln wollen, das unser überaltertes Redaktionssystem ablöst, gilt das Gleiche. Wenn wir unser etabliertes News-Desk-System, das 15 Jahre gut funktioniert hat, durch neue Arbeitsprozesse mit Print- und Digital-Producern ersetzen wollen, ebenso. Und da all das passieren soll, während wir Tag für Tag Zeitung produzieren, kommt als Erstes die Frage: Wie soll das gehen? Und die Antwort, die unterschwellig gleich mitklingt, heißt: Das geht nicht.

Es geht nicht, wenn wir nur das komplexe Projekt als Ganzes sehen. Sobald es uns aber gelingt, es in Einzelschritte aufzuspalten, sieht es schon besser aus. Und wenn wir uns dann fragen, unter welchen Voraussetzung diese Einzelschritte gelingen können und wer welchen Schritt verantwortet, können wir praktisch loslegen.

Wichtig sind noch zwei weitere Faktoren: Der Zeitraum, in dem das jeweilige OKR umgesetzt werden soll (meist sind es drei Monate). Und die Frage, woran ich den Erfolg oder Misserfolg dieser Umsetzung erkennen kann. In der Regel bedeutet das, dass die einzelnen Quartalsziele mithilfe einer objektiv messbaren Metrik kontrolliert werden können.

Die Idee des Herunterbrechens großer Projekte auf kleine greifbare Ziele ist ein Ansatz, der letztlich auf der Hand liegt. Innovativ (und in der Praxis mitunter sehr anspruchsvoll) ist vor allem die Herausforderung, die einzelnen Voraussetzungen so zu definieren, dass sie am Ende tatsächlich zum Erreichen des größeren Ziels führen. Und sie so zu formulieren, dass sie einerseits eindeutig und andererseits klar verständlich sind. Ebenso herausfordernd ist es, eine sinnvolle und relevante Messbarkeit zur Erfolgskontrolle zu benennen.

Das ist uns in den vergangenen Jahren nicht immer gelungen. Nicht jedes OKR konnte erfüllt werden, einige erwiesen sich zudem im Laufe des Prozesses als falsch, manche waren nicht richtig durchdacht, andere einfach unverständlich, ein paar wurden auch zum sinnlosen Selbstzweck. Aber im Laufe der Zeit sind wir immer besser im Formulieren und Umsetzen der OKR geworden. Inzwischen haben wir eine gewisse Sicherheit erlangt im Umgang mit einer Methode, die uns dabei geholfen hat und weiterhin hilft, Verlag und Redaktion zu entwickeln und umzuformen, und das, während Tag für Tag eine Zeitung recherchiert, gebaut, produziert und vertrieben wird.